Sprache

Lægeinde? – "Gendern" kaum Thema in Dänemark

Lægeinde? – "Gendern" kaum Thema in Dänemark

Lægeinde? – "Gendern" kaum Thema in Dänemark

Malick Volkmann
Hannover/Dänemark
Zuletzt aktualisiert um:
Foto: dpa/picture alliance/Christian Ohde

Die Debatte um geschlechtergerechte Sprache kocht in Deutschland regelmäßig hoch. Die Stadt Hannover treibt die sprachliche Gleichstellung nun mit einem drastischen Schritt voran. In Dänemark ist die Diskussion kaum präsent.

Die Stadt Hannover rät ihren Mitarbeitern ab sofort zu „geschlechtergerechter Sprache“. Das bedeutet, dass aus beispielsweise dem Arbeitgeber „die Kirche“ künftig die Arbeitgeberin wird, um das Geschlecht grammatikalisch korrekt anzupassen.

Im offiziellen Briefverkehr und in dienstlichen Gesprächen steht in Zukunft unter anderem statt „Lehrer“ nun „Lehrende“. Es findet also eine geschlechtliche Neutralisierung statt, damit sich mit einem Begriff sowohl männliche als auch weibliche Lehrkräfte angesprochen fühlen.

Außerdem wolle die Verwaltung „der Vielzahl geschlechtlicher Identitäten“ Rechnung tragen. Hintergrund: Seit dem 1. Januar lässt sich in Deutschland im Personenstandsregister neben „männlich“ und „weiblich“ auch „divers“ eintragen.

Nicht jeder Mensch identifiziert sich mit seinem biologischen Geschlecht. Foto: dpa/Peter Steffen

Weniger debattiert, wegen Sprachunterschiede

In Dänemark ist das Angleichen von Geschlechtern im sprachlichen Bezug eher kein Thema. Das meint zumindest Sabine Kirchmeier, Direktorin beim Dänischen Sprachrat (Dansk Sprognœvn). Ursache seien grundlegende Unterschiede in den Sprachen.

Im Deutschen trennt man männlich und weiblich deutlich durch die Artikel „der“ und „die“. So heißt es also „der Lehrer“ und „die Lehrerin“. In Dänemark bezeichnet man beides als „en lærer“ und übersetzt es mit „ein Lehrer“ – egal, ob die Person männlich oder weiblich ist. „En“ ist somit der gemeinsame Begriff für „der/die“. Noch dazu verwenden die Dänen in der Regel auch nur ein Wort, nämlich „lœrer“, dass auch Lehrer bedeutet. Die „Lehrerin“ existiert zwar und steht als „lœrerinde“ in den Wörterbüchern, tatsächlich benutzen es Dänisch sprechende immer seltener, sagt Kirchmeier.

Noch ein Beispiel: Dänen bezeichnen alle Personen, deren Beruf eine geschlechtsspezifische Ausrichtung hat, in diesem speziellen Geschlecht. Die Krankenschwester kann also auch ein Mann sein. In Deutschland verwendet man stattdessen den Ausdruck Krankenpfleger.

Früher war es anders

Die Geschichte zeigt allerdings, dass es auch in Dänemark früher drei Geschlechter gab. Im Zeitalter der Wikinger um 800-1000 hatte das Dänische jene drei Geschlechter, also „der“, „die“ und „das“.

Sabine Kirchmeier begründet das so: „Die dänische Sprache der Wikinger stammt wie das Deutsche auch aus dem Germanischen“. In der Sprache der Isländer könne man heute als Deutscher das Geschlecht eines Wortes recht schnell erraten, erklärt die Expertin. „Im Schwedischen, Norwegischen und Dänischen hat die Verschmelzung zu zwei Geschlechtern jedoch stattgefunden“. So ist es heute immer noch.

Das Dänisch der Wikinger war stellenweise facettenreicher als heute. Foto: Jane Barlow/PA Wire/dpa

„Statt der sprachlichen Ungleichheit, diskutieren die Dänen eher die konkrete Ungleichheit“, so Kirchmeier. Da ginge es viel eher um Gehälter, Chancengleichheit und die Frauenquote in Vorständen.

„Es gibt allerdings auch in Dänemark Diskussionen über Worte die „mand“ (Mann) enthalten. Zum Beispiel in „formand“ (Vorsitzender/e) oder „talsmand“ (Sprecher/in). Hier wenden immer mehr Dänen bewusst das Wort Frau (kvinde) an, wenn es sich um eine Dame handelt“, erklärt die Direktorin des Sprachvereins. Konkret heißt das dann „forkvinde“ oder talskvinde“.

Dagegen kann man sich kaum vorstellen, dass man in Dänemark bei Ärztin den Begriff „lægeinde“ einführt. Hier spricht man dann in der Regel von einem „weiblichen Arzt“ – „kvindelig læge“.

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