Klimawandel

Durchbruch: Eiskern bringt neues Wissen über Anstieg des Meeresspiegels

Durchbruch: Eiskern bringt neues Wissen über Anstieg des Meeresspiegels

Durchbruch: Eiskern bringt neues Wissen über Meeresanstieg

Kopenhagen/Ostgrönland
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Sieben Jahre lang hat das Forschungsteam von schneebedeckten Hallen unter der Oberfläche der Eiskappe aus gebohrt. Foto: EGRIP

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Erstmalig ist es einem dänischen Forschungsteam in Ostgrönland gelungen, einen Gletscherstrom, in dem riesige Eismassen ins Meer strömen, zu durchbohren. Der Bohrkern kann wichtige Informationen über den zukünftigen Anstieg des Meeresspiegels liefern.

Am 21. Juli war es so weit: Nach sieben Jahren hat ein internationales Forschungsteam, geleitet von der Kopenhagener Universität, 2.670 Meter Eis in Ostgrönland durchbohrt und ist auf den Schlamm unter der Eiskappe gestoßen.

Das Besondere an dieser Bohrung ist, dass die Forscherinnen und Forscher erstmalig einen Gletscherstrom bis auf den Grund durchbohrt haben. Ein Gletscherstrom ist eine Eimasse, die in Richtung Meer fließt. Gebohrt wird mit einer Art Rohr, wodurch ein Kern aus Eis ansteht, der Stück für Stück aus dem Bohrloch herausgehievt wird. 

Hier wird ein Eiskern dem Meereis entnommen. Auf der Eiskappe arbeitet man mit größeren Gerät. Foto: Morten Rasmussen/Biofoto/Ritzau Scanpix

„Es ist das erste Mal, dass ein Eiskern aus einen Gletscherstrom herausgebohrt worden ist. Es wird daher ausgesprochen spannend, das Material zu analysieren, das uns viel über die Entwicklung des Klimas auf der Erde in den vergangenen 120.000 Jahren erzählen kann“, sagt Dorthe Dahl-Jensen, Professorin am Niels Bohr Institut und Leiterin des Forschungsprojekts EGRIP, laut der Homepage der Kopenhagener Universität.

Eis fließt als Block

Es ist bei Weitem nicht der erste Eiskern, den Dahl-Jensen ans Tageslicht befördert und analysiert. Sie ist die weltweit führende Forscherin auf diesem Gebiet.

Dorthe Dahl-Jensen mit einem grönländischen Eiskern von einer früheren Bohrung. Foto: Mik Eskestad/Jyllands-Posten/Ritzau Scanpix

Diesmal erwartet sie besonders wichtige Informationen über die Geschichte des Eises und damit des Klimas. Und obwohl die Eiskerne noch nicht einmal analysiert sind, gibt es bereits eine erste überraschende Erkenntnis.

„Die Ergebnisse sind außergewöhnlich. Der Gletscherstrom fließt wie ein Fluss aus Eis, der sich von der umgebenden, langsamer strömenden Eiskappe losreißt. Bislang hat man angenommen, dass es innerhalb der Gletscherströme Verschiebungen gibt, doch mit EGRIP konnten wir nachweisen, dass die gesamte Masse von 2.670 Meter dickem Eis als ein Block mit einer Geschwindigkeit von 58 Metern pro Jahr fließt“, erläutert die Professorin.

Ergebnisse ändern Klimamodelle

Diese Erkenntnis ist wichtig, denn die Gletscherströme tragen maßgeblich zum Anstieg der Weltmeere bei. Die grönländische Eiskappe verliert durch die steigenden Temperaturen laufend mehr Masse. Die Hälfte davon durch die Gletscherströme.

„Es wird die Klimamodelle ändern, weil es unser grundsätzliches Verständnis davon, wie sich das Eis bewegt, ändert“, so Dahl-Jensen.

Block fließt auf Schlamm

Bei der letzten Bohrung ist das Team am Boden nicht auf Fels, sondern auf Schlamm gestoßen. Dieser Eiskern wurde schleunigst versiegelt und eingefroren, damit das Tageslicht ihn nicht beschädigt.

„Der Eisblock schwimmt auf einer Schicht von Schlamm. Es scheint wie eine Treibsandschicht zu funktionieren, die es dem Block erlaubt, ungestört über das Grundgebirge zu fließen“, so Dahl-Jensen. Die Daten würden auch zeigen, dass das Eis am Boden schmilzt.

Analysen weltweit

Im Herbst beginnen die Analysen des Eiskerns, der nach Kopenhagen verfrachtet wird. Etliche Labors werden sich weltweit an ihnen beteiligen. Eingefroren im Eis, verstecken sich Informationen über das Klima der kalten und warmen Zeiten in den vergangenen 120.000 Jahren. Auch die Entwicklung, seit der menschlich verursachte Klimawandel eingesetzt hat, können die Forscherinnen und Forscher ablesen.

„Ich bin gespannt auf die Ergebnisse. Ich habe das Strömen des Eises am Bohrloch über die Jahre mit einem Logger registriert. Die Tatsache, dass das Eis sich nicht verschiebt, sondern als Block auf Schlamm gleitet, kann die Vorhersagen für den Anstieg des Meeresspiegels mithilfe von geänderten Modellen präziser machen“, sagt Dorthe Dahl-Jensen.  

Die Temperaturen steigen in Grönland schneller als im globalen Durchschnitt. Laut einer Studie aus dem vergangenen Jahr wird der Meeresspiegel durchs das Abschmelzen der grönländischen Eiskappe um 78 Zentimeter ansteigen, selbst wenn wir den Ausstoß von Treibhausgasen sofort stoppen würden.

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