Covid-19

Nach Dänemark und Mexiko: Darum wandern deutsche Corona-Kritiker aus

Nach Dänemark und Mexiko: Darum wandern deutsche Corona-Kritiker aus

Nach Dänemark und Mexiko: Darum wandern Corona-Kritiker aus

Sina Wilke/shz.de
Bremen
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Wegen Corona: Anna-Lena Lütge möchte Deutschland verlassen, Mikell ist bereits nach Mexiko ausgewandert (Symbolbild). Foto: Unsplash//ConvertKit

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Besonders seit eine Impfpflicht gegen das Coronavirus im Gespräch ist, wollen viele Menschen Deutschland verlassen. Zwei Norddeutsche erzählen, warum sie glauben, dass es ihnen woanders besser geht.

Anna-Lena Lütge will nur noch weg. Weg aus Deutschland, weg von dieser Corona-Politik und all den Restriktionen. Und die 38-Jährige aus Ritterhude (Niedersachsen) bei Bremen ist damit nicht allein: Viele Menschen wandern derzeit wegen Corona aus oder würden es gern tun. 

Zahlen gibt es hierzu nicht, denn die Gründe für eine Emigration werden in Deutschland nicht erfasst. Laut einer aktuellen Umfrage erwägen aber fast ein Sechstel der Befragten, Deutschland zu verlassen. Im Internet stößt man auf Dutzende Berichte von Corona-Flüchtlingen aus der Ferne und Impfgegner, die nach dem richtigen Land für ihr neues Leben suchen. 

Ungeimpfte wollen Deutschland verlassen

Auch Makler und Auswanderercoaches berichten von dem Phänomen. „Seit der Diskussion um die Impfpflicht häufen sich die Anfragen“, erklärt Uta Koch vom Hamburger Raphaelswerk, das Emigranten berät. Vor allem Schweden, Paraguay und Osteuropa seien beliebt – Orte, die weniger strenge Corona-Regeln oder zumindest laxe Kontrollen versprechen.

An der bulgarischen Schwarzmeerküste etwa haben Corona-Skeptiker ganze Apartmentanlagen bezogen, in Paraguay berichten Tageszeitungen von einer deutschen „Einwanderungswelle“. Die wurde jüngst allerdings gebrochen: Wegen stark steigender Infektionszahlen machte Paraguay Mitte Januar seine Grenzen für Ungeimpfte dicht.

So schnell wie möglich weg

Aber es gibt ja noch andere Länder. „Die Dänen gehen entspannter mit Corona um“, sagt Anna-Lena Lütge. Sie habe schon lange vor der Pandemie mit dem Gedanken gespielt, auswandern zu wollen, erzählt die gelernte Friseurin am Telefon. Die deutsche Mentalität sei nicht ihre – so ordnungsliebend, unlocker und humorlos, „typisch deutsch“ eben. „Ich mag es lieber entspannt.“

Anna-Lena Lütge fühlt sich in Deutschland nicht mehr wohl. Foto: Lütge/shz.de

Dann kam Corona, und Anna-Lena Lütge möchte das alles nicht mehr: Deutsche Politiker, die erst eine Impfpflicht ausschließen, um sie dann doch zu diskutieren. Den Druck auf die Ungeimpften. Die „Panikmache“, wie sie sagt. Sie leugnet nicht, dass es Covid-19 gibt, aber sie glaubt, dass „es uns schlimmer aufgetischt wird, als es ist.“ Konkret wurde die Idee vom Auswandern aber nie.

Corona-Regeln treiben Deutsche nach Dänemark

Die Mutter eines achtjährigen Sohnes findet es unmöglich, dass ihr Mann in seiner Quarantäne keine Lohnfortzahlung bekommen hat, weil er ungeimpft war. „Ich habe nichts gegen Impfungen, aber es sollte eine freie Entscheidung sein und respektiert werden, wenn man sich nicht impfen lässt. Jeder kennt das Risiko.“ Stattdessen treibe die Politik einen Keil zwischen die Menschen. „Wie die Leute gerade gegeneinander sind, dass keiner mehr Verständnis für den anderen hat – das finde ich richtig schlimm.“ In Dänemark, glaubt sie, sei das besser.

Damit ist sie nicht allein: Der Andrang Deutscher ins Nachbarland ist derzeit groß, was vor allem mit den vergleichsweise niedrigen Immobilienpreisen auf dänischer Seite zu tun habe, erklärt Peter Hansen vom Regionskontor Sønderjylland-Schleswig. Doch als weiteren Grund geben viele Menschen die deutschen Corona-Regeln an.

Sie glaubt, dass sich ihr Sohn schnell einlebt

Seit sie Kind ist, macht Anna-Lena Lütge in Dänemark Urlaub, erst im Oktober sei sie dort gewesen, und „es war alles ganz normal. Keiner trug Masken – als ob es Corona gar nicht gäbe. Und in Deutschland ist kein normales Leben möglich!“ 

Und was sagt sie zu den Einwänden, dass in Dänemark gerade deshalb mehr Lockerungen möglich sind, weil dort die Impfquote höher ist? Nun, die Dänen würden ihrer Regierung eben mehr vertrauen und sich deshalb impfen lassen, sagt die Norddeutsche. Aber: „In Dänemark wird man nicht auf den Impfstatus reduziert.“

Deshalb lernt sie jetzt Dänisch. Ihr Mann und sie schauen nach Jobangeboten im Königreich. Wenn sie etwas finden, wollen sie eine Wohnung suchen. Angst, dass ein Umzug in ein anderes Land mit fremder Sprache für ihren achtjährigen Sohn schwer werden könnte, hat Anna-Lena Lütge nicht. „Kinder lernen eine neue Sprache relativ schnell, und ich mache mir auch keine Sorgen wegen der Schule. Er fragt schon, wann es losgeht.“

In Mexiko ein neues Leben aufbauen

Bei Mikell, wie der Hamburger genannt werden möchte, ist es schon losgegangen. Der 30-Jährige ist seit Juli in Mexiko, wo er sich zusammen mit seiner Freundin ein neues Leben aufbauen will. Es ist nicht leicht, ein Gespräch zu vereinbaren, Mikell hat eine Menge vor, ist viel unterwegs. Er sagt einen Termin ab, meldet sich über Sprachnachrichten.

Mikell kann auch aus Mexiko arbeiten. Foto: Mikell/shz.de

Während er durch Mexico City spaziert und im Hintergrund spanische Rufe, Motoren, Hupen und Salsamusik zu hören sind, erklärt er, wieso er aus Deutschland weg ist: Er spricht von „schmutzigen Sachen“, die in Europa liefen, von gefährlicher Strahlung durch 5G, von den Menschen, die in die falsche Richtung liefen.

Und jetzt auch noch die „C-Situation“, wie er die Pandemie nennt. Medien, die einseitig berichteten und Virologen mit abweichender Meinung, die nicht gehört würden. Maskenpflicht, Panikmache, nicht erforschte Impfstoffe. „Am meisten hat mich die Spaltung gestört und dass die Menschen erwarten, dass man sich impfen lässt. Die Entscheidung sollte jedem freistehen.“ Am Ende packte ihn die Panik, sagt er: nicht mehr aus dem Land zu kommen, nicht mehr frei sein zu können. „Da dachte ich: Nichts wie weg hier.“ Klar, Corona sei global. „Aber in Deutschland sind die Maßnahmen am schlimmsten.“

Mikell genießt sein Leben in Mexiko. Foto: Mikell/shz.de

In Mexiko tragen zwar auch die meisten Menschen Masken, aber ansonsten sei die Pandemie kein großes Thema. „Das ist super befreiend“, sagt Mikell: „In Deutschland gab es ja überall nur Corona: egal, ob du Radio gehört, Nachrichten geschaut oder mit deinem Nachbarn gesprochen hast. Das hat die Lebensqualität kaputt gemacht.“ In Mexiko will er nun bleiben, seine Arbeit mache er online, das sei kein Problem. „Wir reisen herum und suchen nach einem Platz, wo es sich gut leben lässt.“

Sehr viele Menschen wollen nach Schweden auswandern

Verena Zeiher hat diesen Platz für sich gefunden. Die 30-jährige Deutsche ist Administratorin einer Schweden-Auswanderer-Gruppe auf Facebook. Sie ist vor einem Jahr nach Nordschweden gezogen, Corona war kein Grund. Sie bekommt aber mit, dass es für viele einer ist: „Es wollen immer viele Menschen nach Schweden auswandern, aber im Moment ist es extrem. Normalerweise haben wir zwei bis drei Anfragen pro Tag, im Moment eher 30 bis 40.“

Wer in die Gruppe aufgenommen werden möchte, muss beantworten, warum er Deutschland verlassen will. „Darauf geben etwa 80 Prozent Gründe an, die mit Corona zu tun haben.“ Sie fühlten sich verfolgt, hielten es in Deutschland nicht mehr aus, möchten der Corona-Politik und dem drohenden Impfzwang entfliehen.

„Hier ist es mit Corona deutlich stressfreier, das stimmt schon“, sagt die Krankenschwester. Aber zu welchem Preis? „Am Anfang haben sie viele Leute sterben lassen. Als wir die höchsten Infektionszahlen hatten, wurde nichts gemacht. Auch viele Schweden fänden mehr Restriktionen gut.“ Und: Hier sei zwar keine Impfpflicht im Gespräch, aber „der Impfdruck ist hoch. Für Schweden ist es selbstverständlich, dass sie sich impfen lassen. Da wird man als Ungeimpfter schon sozial ausgegrenzt.“

Die Auswanderer-Seiten sind voll mit Corona

Dass Corona momentan eine so große Rolle in den zahlreichen Auswanderer-Gruppen auf Facebook spielt, ist für Administratoren eine Herausforderung. Immer wieder weisen sie darauf hin, dass bestimmte Beiträge gelöscht werden: „Sucht euch eine andere Plattform für eure Verschwörungstheorien“, heißt es dann, oder „Leute – in dieser Gruppe geht es ums Auswandern – nicht um Corona oder Impfungen.“ Verena Zeiher hat Kontakte zu anderen Admins und weiß: „Fast alle Schweden-Gruppen haben damit zu kämpfen.“

Dass die Grenzen manchmal fließend sind zwischen Sorge und Überdruss sowie Verschwörungstheorien und Hetze, macht es nicht leichter. „Es gibt ganz Extreme und dann gibt es die, die einfach Angst haben“, berichtet die Administratorin. Die Extremen tummeln sich vor allem in geschlossenen Gruppen, die eigens für Corona-Auswanderer gegründet wurden. 

Auf den öffentlichen Seiten findet man eine Mischung aus Ratsuche, Furcht und Panikmache:

Anna-Lena Lütge hofft, dass es auch für ihre Familie bald klappt. „Es ist im Moment mein größter Wunsch, aus Deutschland rauszukommen“, sagt sie. „Ich fühle mich hier einfach nicht mehr wohl.“

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