Schleswig-Holstein

Wolfspräventionsgebiete bleiben – dabei ist da gar kein Wolf

Wolfspräventionsgebiete bleiben – dabei ist da gar kein Wolf

Wolfspräventionsgebiete bleiben – dabei ist da gar kein Wolf

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Immer wieder streifen Wölfe durch SH. Risse an Nutztieren wurden in den Wolfspräventionsgebieten aber in diesem Jahr noch nicht verzeichnet. Foto: www.imago-images.de/shz.de

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In vier Kreisen in Schleswig-Holstein gelten besondere Regeln für den Umgang mit dem Wolf. Das sei sinnlos, sagen die Schafhalter, die Problem-Wölfe notfalls abschießen lassen wollen. 

Keine Spur in Steinburg. In Dithmarschen auch nicht. Und in Pinneberg vermutlich auch nicht. In allen drei Kreisen hat es seit Beginn des Monitoring-Jahres für Wölfe keinen einzigen Hinweis auf einen Wolfsriss gegeben. Das bestätigen die Angaben des Umweltministeriums.

Doch alle drei Kreise sind neben Segeberg seit fast vier Jahren so genannte Wolfspräventionsgebiete (WPG). Das sind laut Umweltministerium „Gebiete, in denen ein flächendeckender Schutz von durch den Wolf besonders gefährdeten Nutztieren erforderlich ist“.

Das sei gegeben, wenn „die Anwesenheit eines residenten Wolfes (mindestens 6 Monate) oder eines Rudels in einem bestimmten Gebiet oder eine aktuelle Riss-Serie in einem bestimmten Gebiet (6 Risse in 10 Tagen) gebe.

„Das ist aber nicht der Fall“, sagt der FDP-Landtagsabgeordnete Oliver Kumbartzky, der dazu eine Kleine Anfrage an das Umweltministerium gestellt hat. In der Antwort heißt es: „Ein residentes Wolfspaar hat sein Streifgebiet im Kreis Segeberg im Segeberger Forst. In den anderen drei genannten Kreisen ist derzeit kein Vorkommen residenter Wölfe bekannt.“

„Das Land macht es sich zu einfach und versteckt sich leider immer noch hinter den bürokratischen und nahezu unwirksamen Wolfspräventionsgebieten und überträgt die Sicherung der Weidetierhaltung den Landwirten. Diese sollen ihre Tiere einzäunen“, schimpft Kumbartzky.

Tierhalter müssen fünf Jahre lang wolfssichere Zäune aufstellen, wenn sie Entschädigungen für gerissene Nutztiere wollen

Denn in den WPG können sich Nutztierhalter die Anschaffung von sogenannten wolfsabweisenden Zäunen vom Land fördern lassen. Machen Sie das aber nicht, bekommen sie keinen Kostenausgleich, wenn ein Wolf ein Schaf reißt.

Der Landesverband Schleswig-Holsteinischer Schaf- und Ziegenzüchter kritisiert seit Langem, dass die Kosten für das Auf- und Umstellen der Zäune nicht vom Land übernommen werden. Jetzt sagt Geschäftsführerin Janine Bruser: „Wir sind dafür, dass die Wolfspräventionsgebiete in der jetzigen Form abgeschafft werden, weil sie ihren Zweck nicht erfüllen. Wir schlagen vor, dass bei Wolfsrissen Land und Tierhalter gemeinsam in dem betroffenen Gebiet überlegen, wie die Zäunung der gefährdeten Herden organisiert werden kann.“

Doch die Politik winkt ab. Obwohl es in seinem Wahlkreis in Rendsburg-Eckernförde mehr Wolfsrisse als in den WPG gab, will Hauke Göttsch deren Zuschnitt bestehen lassen: „Wie das Wort bereits beschreibt, werden Wolfspräventionsgebiete vorsorglich eingerichtet. Wölfe sind stark wandernde Tiere und da ergibt es wenig Sinn, die Präventionsgebiete ständig einzurichten und wieder abzuschaffen“, sagt der CDU-Politiker. „Dies würde nur zu Verunsicherungen führen.“

Ähnlich argumentiert Silke Backsen (Grüne): „Die bisher zu Wolfspräventionsgebieten erklärten Kreise sind seit dem Auftreten von Wölfen im Jahr 2007 überdurchschnittlich häufig durch Wölfe aufgesucht worden. Wir können deshalb davon ausgehen, dass sich dort auch in Zukunft regelmäßig Wölfe zeigen werden, sodass es sinnvoll ist, diese Präventionsgebiete zu erhalten.“

Auch die SPD will nichts ändern. „In Wolfspräventionsgebieten können geeignete Präventionsmaßnahmen zum Schutz von Nutztieren vor Wolfsübergriffen, etwa Zaunmaterial und Herdenschutzhunde vom Ministerium in Form einer Pauschale gefördert werden. Prävention und Ausgleichszahlungen sind der richtige Weg, um Weidetierhalter zu unterstützen“, sagt die Abgeordnete Sandra Redmann.

Anhörung wird ausgewertet

CDU und Grüne haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen, allerdings soll für ihn eine ganzjährige Schonzeit gelten. Zurzeit wertet Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) die Ergebnisse einer Anhörung zu dem Thema aus. Sein Ziel: Der Abschuss eines so genannten Problemwolfes soll einfacher werden, die Jäger rechtssicher handeln können.

Wann darf ein Wolf geschossen werden?

„Lässt sich ein Wolf von wolfssicheren Zäunen nicht abhalten, muss er geschossen werden“, fordert auch Janine Bruser. Für Schwarz soll das die Ausnahme bleiben:. „Die Voraussetzungen für die Entnahme eines Wolfes sind für jeden Einzelfall zu prüfen“, erklärt seine Sprecherin Jana Ohlhoff. Und: „Die geplante Änderung im Landesjagdrecht wird Halterinnen und Halter von Nutztieren nicht davon entlasten, für einen aktiven Schutz ihrer Tiere zu sorgen.“

FDP-Mann Kumbartzky fordert schon seit Langem die Aufnahme des Wolfs in Jagdrecht, auch um möglicherweise auf Deichen jagende Wölfe schneller abschießen zu können. „So zu tun, als könne man Wölfe leichter schießen, ist eine Irreführung“, sagt hingegen SPD-Frau Redmann. „Die Aufnahme ins Jagdrecht wälzt eine mögliche Entnahme lediglich auf die Jägerschaft ab und sorgt für mehr Bürokratie.“

Wenige Tierhalter stellen Anträge

Janine Bruser fordert nun erst einmal, dass wolfssichere Zäune im ganzen Land von der Regierung bezahlt werden, wenn ein Wolf in der Gegend auftauche. „Das ist sinnvoller, als ganze Kreise zu Wolfspräventionsgebieten zu erklären, in denen dann – wie gerade in Steinburg und Dithmarschen – gar kein Wolf ist, in dem sich Tierhalter aber verpflichtet haben, ihre Herden über fünf Jahre lang wolfssicher einzuzäunen.“ Das sei teuer. Aber nur dann bekämen Tierhalter bei einem möglichen Riss eine Kostenerstattung vom Land. Dass das Modell jedoch nicht funktioniere, sehe man daran, dass nur wenige Tierhalter aus den WPG Anträge auf Förderung durchs Land gestellt hätten. 

Unterstützung bekommt Bruser von SSW-Fraktionschef Lars Harms: „Präventionsgebiete brauchen wir so nicht. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass alle Tierhalter bei Wolfsrissen eine Erstattung ihres Schadens bekommen und nicht nur die, die einen Wolfszaun gezogen haben.“ Harms sagt aber auch: „Viel wichtiger ist, dass unauffällige Wölfe weiter überall geschützt sind.“

Wo sind die Wölfe?

Aus dem von Tobias Goldschmidt (Grüne) geführten Umweltministerium heißt es: „Die Landesregierung plant nicht, die Erklärung zu Wolfspräventionsgebieten in den genannten Kreisen aufzuheben. Nach den in Schleswig-Holstein etablierten fachlichen Kriterien ist nicht allein das Vorkommen residenter Einzeltiere, von Paaren oder Rudeln Bedingung zur Erklärung zum Wolfspräventionsgebieten, sondern auch das Auftreten sogenannter Rissserien.“ Das wären sechs Risse innerhalb von zehn Tagen. Nur hat es die seit Mai an verschiedenen Orten in einem Kreis in ganz Schleswig-Holstein nicht gegeben.

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