Streitbar: Michael Bully Herbig über künstlerische Freiheit

Welche Witze darf man noch machen?

Welche Witze darf man noch machen?

Welche Witze darf man noch machen?

Thomas Schmoll, shz.de
Kiel
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Michael Bully Herbig Foto: Imago Images/Vistapress/shz.de

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Michael „Bully“ Herbig spricht von einer „Comedy-Polizei“. Schon das gibt zu denken. Ist es in einer heterogenen Gesellschaft überhaupt möglich, Kunst zu machen, bei der auszuschließen ist, dass sich niemand verletzt fühlt?

Vermutlich ist (auch) Ihnen momentan nicht immer nach Lachen zumute oder bleibt selbiges im Halse stecken. Dabei ist es eine Binse: Lachen ist gesund – und Humor bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Der Witz ist seit Jahrhunderten ein probates Mittel, sich Luft zu machen, gerade in unsicheren Zeiten wie diesen. Komiker müssten also Hoch-Zeit haben, zumal unsere polarisierte Gesellschaft ein gefundenes Fressen für Hohn und Spott aller Art und in sämtliche Richtungen sein sollte. Ist es aber nicht. Offenkundig haben Satiriker eine Schere im Kopf, die sie daran hindert, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen.

Michael „Bully“ Herbig berichtete jüngst in der ARD-Talkshow „3 nach 9“ darüber, woraus die Deutsche Presseagentur eine Meldung machte, die bundesweit unter der Überschrift „Die Comedy-Polizei ist so streng geworden“ für Furore sorgte. Das kam nicht von ungefähr. Der Komiker hatte sich in seinem Film „Der Schuh des Manitu“ über Winnetou und Old Shatterhand lustig gemacht und dem Indianer einen schwulen Zwillingsbruder Winnetouch angedichtet, der auf der „Puder Rosa Ranch“ eine Beautyfarm betreibt. Komödie oder Klamotte? Darum soll es hier nicht gehen.

Komödien werden schwieriger, denn Unschuld und Freiheit sind weg

Moderator Giovanni di Lorenzo wollte von Herbig wissen: „Würdest du heute noch mal so einen Film machen? Oder könnte man so einen Film heute noch machen?“ Die erste Frage hat stets ihre Berechtigung, die zweite gibt schon zu denken, weil sie impliziert, dass nicht mehr alles möglich ist, Kunst nicht mehr so frei ist, wie wir in diesem Land immer tun. Herbig antwortete reflektiert, ausgewogen und ohne jede Galligkeit. Er erinnerte daran, dass der Streifen zwei Jahrzehnten alt und „eine Parodie auf Filme ist, die vor 60 Jahren im Kino waren“, ehe er anfügte:

Di Lorenzo fragte nach dem Warum. Herbig sagte nun jenen Satz von der „strengen Comedy-Polizei“, und das – Sie können sich das Gespräch in der ARD-Mediathek noch ansehen – ohne jeden Anflug von Ironie oder Heiterkeit, so dass hier Siegmund Freuds These vom „Witz und seiner Beziehung zum Unterbewussten“ nicht bemüht werden muss. Dass Herbig, alles andere als ein schwurbelnder Wirrkopf, in dem Zusammenhang der Begriff „Polizei“ einfällt, ist alarmierend genug. Er erklärte: „Das nimmt einem so ein bisschen die Unschuld und die Freiheit“, was nur mit „Schere im Kopf“ übersetzt werden kann. Komödien zu drehen, ist nach Aussage Herbigs heute viel schwieriger als zur Zeit seines Millionenerfolgs. „Weil man das Gefühl hat, dass man sehr schnell Leuten auf die Füße tritt.“

Das Totschlagargument: Du hast meine Gefühle verletzt

Herbig nannte es richtig, sich Gedanken über Begriffe und Wörter zu machen, die „man heute vielleicht nicht mehr sagen würde“, beschrieb aber zugleich das unschöne Spannungsfeld, das daraus erwächst. Seine alte Devise „wenn wir die Leute zum Lachen bringen, über die wir uns lustig machen, dann haben wir alles richtig gemacht“, gelte nicht mehr, weil sofort jemand das „Totschlagargument“ bringe: „Du hast meine Gefühle verletzt.“ Dann könne er nicht sagen: „Das stimmt doch gar nicht.“ Das Resultat ist eine Lagerbildung, die Herbig so erklärte:

Es ist aus dieser Sicht heraus nur folgerichtig, dass der Regisseur vor einer Beschneidung künstlerischer Freiheit warnt: „Wenn es dann irgendwann einen Katalog gibt, in dem steht, über die Person, über den Menschen darfst du Witze machen, diesen Kulturkreis nicht, über diesen Menschen auch nicht, dann kommst du in so ein Fahrwasser – also ich habe dann keinen Spaß mehr dran.“ Wenn es so weitergehe, „sehe ich sehr dunkle Zeiten auf uns zukommen“.

Filme und Bücher auf dem virtuellen Index? Hilft niemandem

So wird es kommen. Denn das, was Herbig aussprach, sagte John Cleese, Mitbegründer der legendären britischen Comedy-Truppe „Monty Python“ und eine Ikone der Szene, schon vor Jahren:

Und weiter: „Menschen mit sehr wenig Humor wollen uns Komikern verbieten, Sachen zu sagen, mit denen wir vielleicht Leute verletzen, aber anderen sehr viel Spaß bringen. Korrekt sein ist einfach nicht witzig.“ Cleese konnte den Trend nicht stoppen.

Man muss nun nicht gleich von „Woke-Wahnsinn“ etc. reden. Niemand will „Winnetou“ und Karl May verbieten. Wenn wir ein Schoko-Dingsbums nicht mehr „Negerkuss“ nennen, ist das gut so, geht die Welt nicht unter, noch nicht mal das Abendland. Es ist richtig, über dümmliche Klischees nachzudenken. Aber irgendwelche Filme oder Bücher zu verändern oder auf einen virtuellen Index zu setzen, kann es auch nicht sein: Damit ist keinem Unterdrückten oder Beleidigten geholfen, es schiebt die Probleme und die Auseinandersetzung nur weg.   

Ist Kunst möglich, die niemanden verletzt?

Und es muss gefragt werden, wie weit das alles gehen soll, ob man Indianerkostüme tatsächlich nicht mehr beim Karneval anziehen sollte, weil es sich angeblich um „kulturelle Aneignung“ handelt. Vor allem aber: Ist es in einer heterogenen Gesellschaft, wie wir sie (sein) wollen und schätzen, überhaupt möglich, Kunst zu machen, bei der auszuschließen ist, dass sich niemand verletzt fühlt? Niemals. Und wo ziehen wir die Grenzen? Wer darf noch über wen Witze machen?

Ein Effekt ist, dass im Zuge der Debatten ständig über Hautfarbe und Geschlecht geredet wird, also genau das, was keine Rolle mehr spielen sollte. Wer sich verweigert, bestimmten Vorstellungen des gesellschaftlichen Miteinanders zu folgen, dem droht gesellschaftliche Ächtung – und das durch Leute, die beteuern, es gebe keine „Cancel Culture“, sie sei eine Erfindung konservativer und rechter Kreise. So einfach kann man es sich machen. Da muss sich wirklich niemand wundern, dass mehr und mehr Bürgerinnen und Bürger – nicht nur in Ostdeutschland – das Gefühl haben, sie könnten sich nicht mehr frei äußern, sie seien Rassisten, weil sie weiterhin Indianer sagen und die alten Winnetou-Filme sehen möchten.

Erinnert sei hier an die weisen Worte des Dichters Johann Wolfgang von Goethe: „Die Kunst ist die Vermittlerin des Unaussprechlichen; darum scheint es eine Torheit, sie wieder durch Worte vermitteln zu wollen. Doch indem wir uns darum bemühen, findet sich für den Verstand so mancher Gewinn, der dem ausübenden Vermögen auch wieder zugute kommt.“

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