Gleichstellung

Warum eine nackte Frau nicht gleich sexistisch ist und was Verbote wirklich bringen

Warum eine nackte Frau nicht gleich sexistisch ist

Warum eine nackte Frau nicht gleich sexistisch ist

Inga Gercke/shz.de
Kiel
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30122001 Berlin Mitte Posteraktion gestoppt bis zum 31 12 01 sollen alle bundesweit eingesetzten Foto: imago stock&people

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Sexismus in der Werbung begegnet uns überall. Doch nicht alles ist auch sexistisch, was danach aussieht. Die Soziologin Manja Dimitra Kotsas klärt auf und hält ein Verbot für denkbar.

Knapper Rock, nackte Beine, viel Dekolleté – die Form von Sexismus, die uns täglich in der Werbung begegnet. Auf großen Werbebannern genauso wie auf Firmenwagen oder Trinkflaschen. „Sexistische Werbung ist überall“, so Manja Dimitra Kotsas. Sie lehrt an der Christian-Albrechts-Universität Kiel unter anderem Gendersoziologie und sagt auch: „Nicht immer, wenn wir nackte Frauen in der Werbung sehen, ist das auch sexistisch.“

Nackte Haut nur mit Bezug

Es komme immer auf den Kontext an. „Wirbt beispielsweise ein Hersteller von Zahnpasta mit einer nackten Frau, dann ergibt das keinen Sinn und ist absolut sexistisch. Sind aber in der Werbung eines Unterwäscheherstellers Brüste zu sehen, gibt es da einen konkreten Bezug. Eine nackte Brust in der Werbung ist also nicht immer gleich sexistisch“, so die 30-Jährige. „Aber ja: Werbung ist häufig einfach sehr sexistisch.“

Deutscher Werberat – ein zahnloser Tiger

Das zeigen auch Zahlen des Deutschen Werberats. Der gibt an, dass 2021 in 266 Fällen Werbung auf Geschlechterdiskriminierung – also auf Sexismus, Frauen- und Männerdiskriminierung – geprüft wurden. Auf Platz zwei und drei der häufigsten Beschwerdegründe folgten Ethik und Moral (52 Fälle) und Diskriminierung von Personengruppen (46 Fälle). 

Doch was passiert mit diesen sexistischen Werbungen? Erst einmal: gar nichts. Zwar kann der Werberat eine Rüge aussprechen sowie den Werbetreibenden auffordern, diese zu beseitigen. Verbieten kann der Rat sexistische Werbung allerdings nicht. Dafür gibt es keine politischen Grundlagen. 

In Norwegen ist sexistische Werbung verboten

Anders ist das beispielsweise in Norwegen. Hier ist sexistische Werbung seit 1978 verboten. Ein solches Verbot auch in Deutschland einzuführen, hält die Soziologin für denkbar, „aber nur, wenn alle Diskriminierungskategorien verboten werden.“ Damit meint sie auch rassistische oder queerfeindliche Stereotypen. „Aber ja, juristische Verbote können durchaus etwas er- und bewirken“, sagt sie.

Verbot wirkt sich auf Geschlechterdiskriminierung aus

Diese Aussage wird auch durch Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bestärkt. Zwar liegt die Frauenerwerbsquote in Norwegen (75,4 Prozent) und Deutschland (74,3 Prozent) fast gleich auf, aber die Zustimmungsquote auf die zur Aussage „Es ist die Aufgabe des Mannes, Geld zu verdienen, die Frau ist für Haushalt und Familie zuständig“ unterscheidet sich enorm: In Deutschland stimmten 13,5 Prozent und in Norwegen nur 9,2 Prozent der Studienteilnehmer dieser Aussage zu.

Hinterfragen von sexistischer Werbung könnte sie verbannen

Dass Sexismus in unserer Gesellschaft nach wie vor einen so großen Platz einnimmt und geduldet wird, habe viel mit bestimmten und festgefahrenen Denkmustern zu tun, so die Soziologin. Und weiter: „Werbung ist das Spiegelbild unserer Gesellschaft, schließlich geben wir dafür unser Geld aus. Also sollte das nicht mehr so akzeptiert werden“, sagt sie.

Was also tun? Voraussetzung für eine Veränderung: Sexistische Werbung müsse zuerst als solche auffallen. „Den Menschen muss bewusst werden, dass Zahnpasta nichts mit nackter Haut zu tun hat“, so Kotsas. „Und wenn wir es dann noch schaffen, uns selbst zu hinterfragen, warum wir jetzt diese oder jene Werbung überhaupt als sexistisch wahrnehmen, ist dies schon der erste Schritt in die richtige Richtung.“ Denn nur so könnten bestimmte Muster durchbrochen werden. Auch das Muster, den weiblichen Körper für Werbezwecke zu sexualisieren.

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Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Die Geschichte der Minderheit will gelernt sein“