Tourismus

Warum das Label Nachhaltigkeit Flensburg-Urlauber abschreckt

Warum das Label Nachhaltigkeit Flensburg-Urlauber abschreckt

Warum das Label Nachhaltigkeit Flensburg-Urlauber abschreckt

Mira Nagar/shz
Flensburg
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Gorm Casper ist Geschäftsführer der Tourismus Agentur Flensburger Förde GmbH (Taff). Foto: Mira Nagar/shz.de

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Gorm Capser, Geschäftsführer der Flensburger Tourismus-Agentur erklärt, warum Klimaschutz und Nachhaltigkeit kaum bei Förde-Urlaubern vermarktet werden – und welche Klima-Impulse es trotz aller Hindernisse gibt.

Frische Luft, die bezaubernde Natur und erträgliche Temperaturen auch im Hochsommer: Bei Flensburg-Touristen ist das angenehme Klima im Norden einer der Reisegründe. Vor allem, während Süd- und Mitteldeutschland über Hitzerekorde ächzen. Dennoch spielen Klimaschutz und Nachhaltigkeit keine große Rolle bei der Vermarktung der Reise-Region. Gorm Casper, Geschäftsführer der Tourismus Agentur Flensburger Förde GmbH (Taff), erklärt, warum nicht.

Nachhaltiges Reisen und Klimaschutz im Tourismus: Ist das überhaupt ein Thema in Flensburg?

Prinzipiell ist es kein Thema. Hier im Schifffahrtsmuseum wird es mit einer Ausstellung vor dem Hintergrund des Jahrtausendhochwassers thematisiert. Aber generell ist Nachhaltigkeit zunächst einmal ein von uns gesetztes Thema in mehreren Webinaren, Videokonferenzen und Veranstaltungen, wo wir die Vermieter oder touristische Akteure lecker darauf machen und dafür begeistern, sich in puncto Nachhaltigkeit zu optimieren. Bei uns selbst hat Nachhaltigkeit strategiegemäß eine hohe Priorität bei allen Prozessen und Maßnahmen.

Wie wird nachhaltiger Tourismus überhaupt nachgefragt?

Es gibt Umfragen, wo Gäste in spe befragt wurden: Haben Sie Interesse an einem nachhaltigen Urlaub? Die Antworten sind: Ja, haben wir – zu 100 Prozent. Wenn dann gefragt wird: Würden Sie dann auch tatsächlich mehr bezahlen? Dann würden nach dem Prinzip sozialer Erwünschtheit immer noch viele Ja sagen. Aber nachher buchen, tun es eher weniger. Gäste, die wirklich bereit sind, dafür Geld hinzulegen, finden die passenden Produkte auch hier in bestimmten Hotels. Aber nur ein Bruchteil davon wird auch beworben. Bei uns kommt auch keine einzige Nachfrage an.

Da klingt so ein bisschen durch, als würde ein grünes Label fast schon Kundschaft abschrecken.

Tatsächlich ist das auch explizit eine Aussage eines Hoteliers. Der Gast würde dann erwarten, dass es bestimmt viel teurer ist und sagt sich: Dann buche ich beim Mitbewerber, wo ich garantiert ein besseres Gesamterlebnis mit besserem Zimmer oder besserem Service habe, aber nicht den ganzen Bereich Nachhaltigkeit mitbezahlen muss.

Wir müssen dann auch beachten, dass wir hier teilweise eine Auslastung von über 90 Prozent im Sommer haben. Wir haben die höchste Auslastung in ganz Schleswig-Holstein. Insofern sind wir in einer Luxus-Problematik. Wir haben keine Probleme, Gäste zu gewinnen. Und wenn man Gäste mit dem Label Nachhaltigkeit gewinnen will, dann aber eher die abschreckt, für die es zu teuer wird – dann hält man sich eher zurück.

Gibt es auch Gegenbeispiele?

Anders läuft es derzeit beim Ostseefjord Schlei, der sich in Schleswig-Holstein als erste nachhaltige Reiseregion zertifiziert hat. Es passt auch insgesamt zum Erlebnis-Portfolio des Naturparks Schlei. Insofern ist es ein sehr stimmiges Produkt. Wir in Flensburg haben primär Gäste, die auf die maritimen Erlebnisse und auf die wunderschöne Stadt fokussiert sind. Aber gerade im Familien-Tourismus entwickeln wir Produkte, die Kinder an das Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit heranführen. An sich ist es jedoch schwierig, das Thema zu bespielen, weil die aktive Nachfrage von Touristen eben immer noch nicht da ist.

Gibt es Impulse von Flensburg aus, die Leute ein bisschen mehr in die Züge zu bekommen? Bestimmt 90 Prozent kommen ja mit dem Auto.

Noch mehr. Dabei würden manche Hotels sogar ein Shuttle vom Bahnhof anbieten, das fragt aber keiner nach. Die Menschen wollen flexibel bleiben und nicht an den ÖPNV gebunden sein. Das Neun-Euro-Ticket war schon sehr hilfreich, vielleicht wird es auch das 49-Euro oder Deutschland-Ticket oder die Möglichkeit, mit dem Nachtzug aus Stockholm zu fahren. Wenn er dann hier hält. Es sind solche kleinen Bausteine, die dazu führen, dass die Menschen mit dem Zug anreisen. Und dass sie sich dann hier im gesamten ÖPNV am besten auch gratis oder zumindest unproblematisch bewegen können.

Wo gibt es in Flensburg denn schon positive, nachhaltige Impulse?

Im Hotel Hafen Flensburg bieten sie ein ganzes Portfolio an nachhaltigen Leistungen, man kann beispielsweise eine CO₂-freie Anreise buchen, bei der der Ausstoß kompensiert wird. In Glücksburg ist artefact einer der Vorreiter für Nachhaltigkeit und „Das James“ bietet darüber hinaus mit James Farm regionale Produkte an.

Ich bin auf Durchreise und habe einen Tag hier in Flensburg. Welche drei klimafreundlichen Aktivitäten sollte ich unbedingt machen? 

Aktuell gibt es die Ausstellung „Land Unter“ im Schifffahrtsmuseum. Dann würde ich mich auf den Spuren der Stadt bewegen und den Kapitänsweg gehen, der einen durch die schönsten Ecken der Stadt führt. Und im Sommer würde ich die bald verfügbaren Elektro-Boote nutzen. Das heißt, Flensburg vom Wasser sehen mit einem Antrieb, der mich geräuschlos über das Wasser bringt. 

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