Nach zehn Jahren Arbeit

Von Rattenfriedhöfen und Festen: Dorfchronik Lindewitt-Lüngerau fertiggestellt

Von Rattenfriedhöfen und Festen: Dorfchronik Lindewitt-Lüngerau fertiggestellt

Dorfchronik Lindewitt-Lüngerau fertiggestellt

SHZ
Lindewitt
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Das Chronik-Team (v.l.): Ellen Müller, Sigrid Petersen, Uschi Scharff, Margrit Handke, Peter Lau und Günter Rieck. Foto: Reinhard Friedrichsen/ shz

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Die neue Chronik von Lindewitt-Lüngerau bietet lebendige Geschichten aus der Vergangenheit und die ein oder andere skurrile Erzählung.

Vom Bürgermeister und dem Polizeiposten überwacht: Jeden Samstag Massenbestattung der unter der Woche getöteten Ratten in Lüngerau. Kein Scherz, sondern Realität im Dorfleben von Lüngerau bis zum Zweiten Weltkrieg, wie Helmut Thomsen zu berichten weiß. „Im hinteren Bereich unseres Hofes war ein Rattenfriedhof für das ganze Dorf eingerichtet. Die Entsorgung erfolgte regelmäßig am Ende einer jeden Woche.“

Dies gehört zu den eher skurrilen Inhalten der gerade fertig gestellten Dorfchronik von Lindewitt-Lüngerau. Leider verstarb Thomsen wie seine Mitstreiter Jürgen Jürgensen und Friedrich Scharff vor ihrem Erscheinen und so blieb ihnen der Blick auf ein sehr gelungenes Werk verwehrt.


Nach mehr als zehnjähriger Arbeit stellten Ellen Müller, Margrit Handke, Uschi Scharff, Peter Lau und Günter Rieck unter Federführung von Sigrid Petersen nun die sehr umfassende und informative, dabei abwechslungsreiche und kurzweilige Chronik vor. „Mit dem Quellenstudium kann man sich sehr lange beschäftigen“, sagt Sigrid Petersen.

Heimat- und Sportfest

Schon beim Durchblättern haben viele Zeitzeugen ihr Aha-Erlebnis. So bei Adam und Eva, die seinerzeit mit mehr als 50 Metern wahrscheinlich höchsten Tannen im Lande, inzwischen längst gefällt. Sie erinnern sich noch an das Heimat- und Sportfest der Geest mit mehr als 700 Teilnehmern, das in den 1950-er Jahren unter einfachsten Umständen begann und jährlich durchgeführt wurde. Und dann ist da auch heute noch der Bunker Ludwig unter der Schule, der in Zeiten des Kalten Krieges entstand und einer Landesregierung und 240 Menschen mit seiner kompletten Infrastruktur im Ernstfall als Ausweichregierungssitz dienen sollte.


Natürlich nimmt die Geschichte der Häuser des Dorfes, dessen Doppelname sich aus den ursprünglich 14 Hofstellen in Lüngerau und dem westlich angrenzenden Gut Lindewitt ergibt, einen breiten Raum ein. Das Dorf Lindewitt wies vor 80 Jahren gerade einmal ein Dutzend Häuser auf.

Als wahrer Schatz entpuppt sich die Ortskenntnis von Ellen Müller, der Enkelin des letzten Wassermüllers. Sie liefert ganz authentisch eine lebendige Geschichte dieser Häuser, wozu natürlich auch „ihr“ Waldbad und das Waldschlösschen mit seinem Vergnügungspark der 1950-er Jahre gehören. „Ich habe das einfach mit der Hand so runtergeschrieben. Das fiel mir am leichtesten“, bemerkt sie zu ihrem Beitrag.


Aber auch die Darstellung der übrigen Häuser Lindewitt-Lüngeraus wird nicht nur schematisch, sondern so lebendig wie möglich dargestellt. Die Chronik enthält noch wesentlich mehr breit gefächerte Inhalte und lässt sogar die umfangreiche Geschichte des Gutes Lindewitt aus. Es hätte wohl den Umfang dann doch gesprengt.

Texte eingelesen

Eine Neuerung hat diese Chronik dann auch noch aufzuweisen. Acht auf Lüngerau bezogene plattdeutsche Geschichten sind mit einem QR-Code versehen, auf dem diese von Sonja Weber (Lindewitt, Niederdeutsche Bühne) eingelesen wurden. Sigrid Petersen versteht dies als Service. „Vor allem junge Leute machen sich oftmals nicht mehr die Mühe, längere Texte zu lesen, dann noch auf platt“, ist ihre Einschätzung.

Heimatforschung ist die ausgewiesene Passion der pensionierten Lehrerin der Schule Lindewitt. Und nun, was folgt? Genau das, was in dieser Chronik ausgelassen wurde. „Mein nächstes Projekt ist das Gut Lindewitt“, sagt die 81-jährige. „In meiner Situation muss man ein Hobby haben, damit der Tag seine Struktur hat“, teilt sie 80 Zuhörern mit.

Die Chronik kann für 40 Euro bezogen werden. Auskunft erteilt Sigrid Petersen unter Tel. 04604-863

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