Schleswig-Holstein

Umweltminister Goldschmidt: Nord- und Ostsee in keinem guten Zustand

Umweltminister Goldschmidt: Nord- und Ostsee in keinem guten Zustand

Umweltminister: Nord- und Ostsee in keinem guten Zustand

Kay Müller/shz.de
Büsum
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Premiere: Tobias Goldschmidt misst die Speckschicht des toten Schweinswals. Foto: Axel Heimken/dpa/shz.de

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Den Schweinswalen in Nord- und Ostsee geht es schlecht, deshalb müssen größere Schutzgebiete her, sagt Professor Ursula Siebert aus Büsum. Der Grüne Umweltminister will das lieber heute als morgen umsetzen.

Tobias Goldschmidt muss kurz schlucken. Dann gerade hat Ursula Siebert mit ihrem Skalpell den ersten Schnitt an dem toten Schweinswal gesetzt, der vor dem schleswig-holsteinischen Umweltminister und der Leiterin der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover/Institut für terrestrische und aquatische Wildtierforschung in Büsum (Kreis Dithmarschen) liegt.

„Schweinswalen in Nord- und Ostsee geht es schlecht“

Der Minister soll jetzt etwas in die Mikrofone der eingeladenen Journalisten sagen, ist aber zunächst kurz sprachlos. Doch dann räuspert sich der Grünen-Politiker und sagt: „Das ist schon sehr ernst für mich, wenn ich sehe, was menschliche Aktivitäten mit Lebewesen machen können.“

Denn der Schweinswal, dessen Todesursache hier ermittelt werden soll, ist kein Einzelfall. „Den Schweinswalen in Nord- und Ostsee geht es schlecht“, sagt Siebert. Die Daten, die sie im aktuellen Totfund-Monitoring 2022 im Auftrag des Umweltministeriums erhoben hat, sprechen Bände.

In der Ostsee werden die weiblichen Tiere im Schnitt weniger als vier, in der Nordsee weniger als sechs Jahre alt. „Wenn man bedenkt, dass die Tiere erst im Alter von zwei bis fünf Jahren geschlechtsreif sind, muss man kein Experte sein, um zu erkennen, dass das kein guter Zustand ist“, sagt Siebert.

An Ost- und Nordsee: Lebenserwartung der Tiere sinkt seit Jahren

Seit Jahren verschlechterten sich die Daten. Die Ursachen für den frühen Tod der meisten Tiere, die nicht älter als zehn Jahre werden, aber früher eine Lebenserwartung von 20 bis 30 Jahren gehabt hatten, sei offenkundig. Der Müll in den Meeren, die Belastung mit Schadstoffen, der Lärm, die Fischerei – all das führe zu mehr Krankheiten bei den Tieren. 218 tote Schweinswale sind im vergangenen Berichtsjahr an den Stränden gefunden worden – das sind zwar weniger als im vergangenen Jahr, über einen längeren Zeitraum steigen die Zahlen aber an.

Und dann sagt Siebert einen Satz, der Tobias Goldschmidt aufhorchen lässt. „Der Nationalpark Wattenmeer als Rückzugsort hat sich als effektives Instrument für den Schweinswalschutz bewährt“, erklärt die Wissenschaftlerin. Sie habe Tiere mit Sendern versehen, sodass man deren Rückzugsverhalten gut verfolgen könne. Und das zeige, dass sich die Tiere in geschützten Gebieten aufhalten, wenn sie zu sehr unter Stress geraten.

Nationalpark Ostsee Schleswig-Holstein: „Werbe gerade für ein Schutzgebiet“

Das ist Wasser auf die Mühlen eines Umweltministers, der gerade an der Ostsee für einen neuen Nationalpark kämpft. „Die Schutzgebiete in der Ostsee sind zu klein“, lautet ein weiterer solcher Satz der Professorin. Da kann Goldschmidt prima ergänzen: „Ich werbe ja gerade für ein großes Schutzgebiet in der Ostsee.“ Das, was er hier bei der Sektion lerne, sei für ihn „eine politische Handlungsanleitung“. Denn die extreme Mortalität der Schweinswale sei nicht darauf zurückzuführen, dass es mehr Tiere gebe, sagt Siebert. Das zeigten die Daten der Tierzählungen, nach denen die Bestände rückläufig seien.

Viele Schweinswale verenden, wie vermutlich auch der vor ihr liegende, an Infektionen oder an der Zerstörung des Gehörs. Denn: „Ein blinder Schweinswal kann sich weiter perfekt orientieren, ein gehörloser ist über kurz oder lang zum Tode verurteilt“, sagt Siebert.

Woran der Schweinswal vor ihr im Juni vor Sylt genau gestorben, ist, das werden die weiteren Untersuchungen nach der zweistündigen Obduktion zeigen. Einen Namen hat das Tier immer noch nicht. Denn für die Wissenschaftler ist er zunächst mal eine Nummer. Aber eben auch einer von vielen Schweinswalen, die in Nord- und Ostsee gestorben sind.

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