Landwirtschaft

Trotz Krise: Diese Dithmarscher Schweinebauern geben nicht auf

Trotz Krise: Diese Dithmarscher Schweinebauern geben nicht auf

Diese Dithmarscher Schweinebauern geben nicht auf

Kay Müller, shz.de
Neufelderkoog
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Foto: 90037

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Afrikanische Schweinepest, Corona und der Krieg in der Ukraine – die Zahl der Schweinebauern in Schleswig-Holstein nimmt rapide ab. Doch der Familienbetrieb von Torsten Bährs in Neufelderkoog blüht auf. Der Landwirt hat eine Million Euro in neue Ställe investiert. shz.de hat ihn besucht.

Aufgeben oder Ausbauen? Schweinezüchter Torsten Bährs hat die Frage, die sich wohl derzeit fast alle seiner Berufskollegen stellen, für sich beantwortet. Trotz schlechter Preise habe der Familienrat beschlossen: „Wir bauen.“ Eine Million Euro hat Bährs investiert, 40 Prozent wurden vom Bund aus einem Programm für Tierwohlställe gefördert. Nun hat der 55-Jährige einen der modernsten Schweineställe des Landes – weiß aber gar nicht, ob der in ein paar Jahren noch den gesetzlichen Standards an das Tierwohl genügt. Bährs zuckt die Schultern und sagt: „Irgendwann mussten wir uns entscheiden. Wir haben uns von Experten beraten lassen, so gut es ging. Der Rest ist unternehmerisches Risiko.“

Bährs Entscheidung ist ungewöhnlich und mutig, denn die Schweinebauern sind in der Krise. Hielten laut dem Statistischen Landesamt in Schleswig-Holstein im Mai 2021 noch rund 710 Betriebe Zuchtschweine, Ferkel oder Mastschweine, waren es in diesem Jahr nur etwa 600 Betriebe – ein Rückgang von 16,4 Prozent. Vor allem die Pandemie, aber auch der Krieg in der Ukraine sorgen für sinkende Preise. „Die Lage auf den Höfen ist prekär“, meint die Präsidentin der Landwirtschaftskammer, Ute Volquardsen. „Trotzdem müssen schon jetzt die Weichen für morgen gestellt werden.“

Wie das gehen kann, schaut sich Volquardsen auf dem Betrieb der Familie Bährs in Neufelderkoog (Kreis Dithmarschen) an. Den sollen in ein paar Jahren Torsten Bährs‘ Söhne Momme (18) und Hannes (23) übernehmen. Sie führen die Präsidentin durch die Stallanlagen, in denen die 350 Zuchtsauen leben. Noch ist das Deckzentrum, in dem die Tiere besamt werden, nicht ganz fertig, aber Volquardsen kann schon erkennen, wie es werden soll. Luftig und mit viel Stroh. Darauf stehen die Schweine maximal eine Woche, dann kommen sie in den Wartestall, in dem sie rund 100 Tage zubringen. Maximal 80 Tiere auf 360 Quadratmetern tummeln sich dort. „Das mag man sich schon gern ansehen, wie die Sauen im Stroh toben“, sagt Volquardsen.

Mehr Platz und mehr Luft für jedes Schwein

Erst wenn die Geburt der Ferkel kurz bevorsteht, ziehen die Schweine für maximal vier Wochen in die Abferkelbuchten um, wo die Jungen zur Welt kommen. Dort haben die Tiere jeweils 7,7 Quadratmeter Platz, mehr Frischluft und werden per Einstreuanlage mit Stroh versorgt. Die Ferkel zieht Torsten Bährs auf, bis sie 30 Kilogramm schwer sind, anschließend gehen sie zum Mäster.

Handel kooperiert mit den Tierhaltern

Weil Bährs all das macht, kann er seine Schweine – wie zehn weitere Betriebe im Norden, die an dem Programm „Strohschwein“ von Edeka Nord teilnehmen –zu einem besseren Preis vermarkten. Das Fleisch, das unter diesem Label verkauft wird, stammt aus der Haltungsform 3 – „also zwischen klassisch-konventioneller und Bio-Produktion“, sagt die Tierschutzbeauftragte von Edeka Nord, Sandra Erdmann. So bekomme Bährs etwa 20 Euro pro Ferkel mehr, die aktuell für rund 55 Euro pro Stück gehandelt werden. Der Supermarktkunde müsse für Fleisch aus dieser Produktion einen Aufschlag von 25 Prozent gegenüber konventionellen Produkten zahlen.

„Wir brauchen aber noch mehr Wertschätzung durch die Verbraucher“, fordert Ute Volquardsen, die den Schweinehaltern Mut machen will. „Manchmal muss man bei Investitionen auch antizyklisch denken.“ Der Hof im Neufelderkoog sei dafür ein „Leuchtturmprojekt“, so die Präsidentin, die der Familie dafür an diesem Tag den Kammer-Sonderehrenpreis für innovative Ansätze in der Tierhaltung verleiht. Allerdings sei das Modell Bährs nicht 1:1 auf andere Höfe übertragbar. Denn der Dithmarscher hat schon vor über zehn Jahren Ställe aus Schafhaltung, die der Haupterwerbszweig der Familie ist, mit relativ geringem finanziellem Aufwand auf Schweinehaltung umgestellt. „Wir haben die Tiere schon immer die meiste Zeit auf Stroh gehalten“, sagt Torsten Bährs. Doch nun eben so, dass es dem Händler-Tierwohl-Label entspricht.

Dass Bährs damit ein Risiko eingeht, ist ihm klar. Denn gerade wird in der Bundesregierung mächtig über ein neues Tierwohl-Label diskutiert, das Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) ins Spiel gebracht hat. Ob die Kriterien am Ende dem entsprechen, was Bährs an Vorgaben in seinen Ställen berücksichtigt hat, ist unklar. „Ich gebe zu, dass wir ein bisschen ins Blaue geschossen haben“, sagt der Landwirt.

Damit mehr Bauern in höhere Standards für Tierwohl investieren, fordert Ute Volquardsen klare Vorgaben der Politik. „Die Landwirte brauchen Planungssicherheit für mindestens eine Generation.“ Und die müssten schnell beschlossen werden, sonst gebe es bald kaum mehr Schweinehalter. Dabei seien die wichtig, sagt Volquardsen und blickt zu Hannes Bährs. Wie der Jungbauer glaubt sie an die Zukunft der Tierhaltung in Deutschland – auch wenn die künftig wohl mehr auf Klasse denn auf Masse setzen wird. Die Alternative sei jedenfalls, dass das Fleisch aus dem Ausland komme, wo es geringere Standards gebe. Eines stehe also außer Frage, sagt Bährs: Wenn die Menschen Schweinefleisch aus deutscher Produktion mit hohen Anforderungen an das Tierwohl wollten – „dann muss die Gesellschaft das auch bezahlen“.

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