Landtagswahl in SH

Thomas Losse-Müller soll zum Spitzenkandidat der SPD werden

Thomas Losse-Müller soll zum Spitzenkandidat der SPD werden

Thomas Losse-Müller soll zum Spitzenkandidat der SPD werden

SHZ
Kiel
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Kandidat in spe mit Parteichefin: Thomas Losse-Müller und Serpil Midyatli. Foto: Arne Peters / SHZ

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Thomas Losse-Müller soll zum Spitzenkandidaten der SPD gekürt werden – wie es dazu kam und wie hoch seine Chancen sind.

Er war immer dabei. In den vergangenen Monaten stand Thomas Losse-Müller sehr oft bei Terminen an der Seite von Serpil Midyatli. Schon lange war darüber spekuliert worden, ob die SPD-Chefin den ehemaligen Leiter der Staatskanzlei zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl aufbauen will. „Doch niemand hat so richtig damit gerechnet“, sagt ein prominenter Sozialdemokrat. Morgen will Midyatli den Ex-Staatssekretär nach einer Sitzung des Landesvorstandes offiziell präsentieren.

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Doch wie kam es dazu?

Mit Namen will sich kaum jemand öffentlich äußern, aber umso mehr reden die Politiker, wenn man sie nicht direkt zitiert. Die Entscheidung habe seit einem Jahr festgestanden sagen mehrere SPD-Mitglieder, dies es wissen müssen. „Das war lange geplant. Serpil wollte nie Spitzenkandidatin werden“, sagt ein Genosse, der sie lange kennt. „Sie ist davon überzeugt, dass Thomas der bessere Kandidat ist und mehr Chancen auf den Wahlsieg hat – und damit ist sie in der Partei nicht allein.“

Ihre Entscheidung nötigt ihr bei manchem Genossen Respekt ab: „Es ist nicht selbstverständlich, dass man auf politische Führungspositionen ohne Not verzichtet.“ Vielleicht sei das auch eine typische weibliche Führungsform, sagt ein Fraktionsmitglied der Grünen – und meint das durchaus positiv.

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Manche Genossen sind von ihrer Chefin enttäuscht

Für andere ist Midyatlis Entscheidung schlicht ein „Armutszeugnis“. Denn die 46-Jährige habe mit der Übernahme des Landes- und des Fraktionsvorsitzes von Ralf Stegner an die Spitze gewollt – „und nun duckt sie sich weg“. Und dass nachdem sie sogar bei der Kandidatur für den Direktwahlkreis auf dem Kieler Ostufer alles riskiert hat, indem sie erklärt hat, bei einer Nicht-Wahl gar nicht mehr für den Landtag zu kandidieren.

Sie gewann mit knapper Mehrheit, und nun sagt ein Polit-Insider: „Das ist als wenn man sich bei einem olympischen 100-Meter-Lauf für das Finale qualifiziert und dann dafür nicht antritt.“ Ob Midyatli zu viel Angst vor einer Wahlniederlage als Spitzenkandidatin gehabt hat, bleibt unklar. Einige Genossen argumentieren, dass der Verzicht die viel schwierigere Entscheidung gewesen sei als selbst anzutreten. Doch so baut Midyatli auch einen eigenen Konkurrenten auf, denn dass Losse-Müller nach einer möglichen Wahlniederlage wieder ganz aus der Politik aussteigt, glauben nur die wenigsten.

Midyatli wäre der bessere Gegenpol zu Daniel Günther

Es hält sich aber auch die These, dass Midyatli eine Wahlniederlage mit einem ordentlichen Ergebnis nicht geschadet hätte. Und viele hätten ihr auch einen Sieg gegen Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zugetraut – allein weil sie anders ist als er: weiblich, mit Migrationshintergrund, spontaner, frischer, emotionaler.

Andere sehen aber gerade das als Schwäche. „Serpil kann sich auch mal vergaloppieren“, meint ein Genosse. Das wisse auch die CDU, die sie damit vielleicht leichter aufs Glatteis führen könne als einen Verwaltungsprofi wie Thomas Losse-Müller. Der 48-Jährige gilt als trittsicher auf vielen politischen Feldern. Er war fünf Jahre lang Staatssekretär in der Regierung Torsten Albig, erst im Finanzministerium von Monika Heinold (Grüne), dann als Chef der Staatskanzlei.

Losse-Müller trieb die Lust am Gestalten in die Politik, wie er selbst einmal gesagt hat. Vorher war der studierte Volkswirt bei der Deutschen Bank in London und für die Weltbank in Washington tätig. Als die Grünen nach der Wahl 2017 für ihn keine Verwendung mehr hatten, stieg er bei der Beratungsfirma Ernst and Young ein. Und er trat im Oktober 2020 in die SPD ein, wo ihn Midyatli in die von ihr geschaffene Denkfabrik berief. Seit Monaten feilt er am Programm für die Landtagswahl.

Ist der neue Mann der SPD zu vermitteln?

„Trotzdem ist es jetzt Serpils größte Aufgabe, Thomas der Basis zu vermitteln“, meint ein alt gedienter Genosse. Ein Banker, der als Berater auch mal für die Entlassung von Mitarbeitern votieren könnte – und noch dazu ein Ex-Grüner als SPD-Spitzenkandidat? Für den wird nicht jeder in der Arbeitnehmerpartei ohne weiteres Plakate kleben.


„Allerdings ist er für Wähler attraktiv, die sonst weniger mit uns zu tun haben“, meint ein anderer Genosse. Und: „Thomas ist ein Angebot für die Ampel.“ Die FDP dürfte mit ihm wenig Probleme haben – und die Differenzen mit den Grünen und gerade mit seiner Ex-Chefin Heinold seien überbrückbar, sagt eine prominente Grüne.

Losse-Müller genießt über Parteigrenzen hinweg viel Respekt. Obwohl er ein Intellektueller ist, der über den Tag hinausdenkt, kann er Menschen mit einfachen Argumenten überzeugen. „Sympathisch“ ist das Wort, das vielen als erstes einfällt, wenn sie an ihn denken. Aber er sei auch ein Alphatier, das mit Macht umgehen und sie zu nutzen wisse, sagt einer, der ihn als Staatssekretär kennen gelernt hat. „Der kann auf jeden Fall auch Wahlkampf.“

Kaum einer kennt den neuen Mann

Was bleibt, ist sein fehlender Bekanntheitsgrad. „Der liegt bei 0,0“, frohlockt ein prominenter CDU-Politiker, der glaubt, dass es für Daniel Günther leichter geworden ist, die Wahl zu gewinnen. Der sei selbst von der Personalie überrascht worden, was wiederum die SPD freut. „Die CDU braucht jetzt eine neue Kampagne“, sagt ein Genosse. Günther wird Losse-Müller jedenfalls ernst nehmen, schon weil er im Wahlkreis direkt gegen ihn antritt.

Dann wird Losse-Müller zeigen müssen, ob er nicht wie bisher nur in der zweiten Reihe, sondern auch als emotionaler Menschenfänger überzeugen kann. Denn ab morgen wird er nicht nur immer dabei sein – sondern mittendrin.

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Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Die Geschichte der Minderheit will gelernt sein“