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Sind Klima-Aktivisten Extremisten?

Sind Klima-Aktivisten Extremisten?

Sind Klima-Aktivisten Extremisten?

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Vier Klima-Aktivisten demonstrieren vor dem Landeshaus Foto: Michael Staudt

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Die Abgeordneten streiten in einer heftigen Debatte über Formen des Protestes und wollen ein Zeichen gegen Gewalt und für den Rechtsstaat setzen. Einige halten das allerdings gar nicht für notwendig.

Die, um die es geht, stehen vor dem Landeshaus. Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) muss einer Handvoll Klima-Aktivisten ausweichen, die sich vor dem Landtag in Kiel positioniert haben, um gegen „die Kriminalisierung von Klimaschutz“ zu protestieren.

Denn darum geht es kurz darauf im Plenarsaal, in dem die FDP das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat. „Es geht um die Entscheidung einer Gruppe, mit strafrechtlichen Themen überall auffallen zu müssen“, sagt der Abgeordnete Bernd Buchholz, „Eine Gruppierung, die erklärt, dass sie ein Widerstandsrecht gegen demokratisch getroffene Entscheidungen hat und dauerhaft dagegen vorgehen zu wollen und damit die Legitimität der staatlichen Ordnung zutiefst infrage gestellt, ist mindestens an der Grenze zum Extremismus“, so der Jurist, der ein klares Signal des Landtages zur Einhaltung der Gesetze fordert. Explizit von den Grünen verlangt er, dass sie sich von den strafrechtlich relevanten Protestformen der so genannten „Letzten Generation“ abgrenzen sollen.

Die Grünen sehen darin schlicht eine Kampagne der Liberalen. „Der Extremismus ist kein Gefühlsbegriff“, sagt Fraktionschef Lasse Petersdotter. „Die Straße war schon immer der Ort des Protests. Und eine bloße Blockade ist kein extremistischer Akt.“ Extremisten kämpften gegen die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung – und das sei bei den Klima-Aktivisten gerade nicht der Fall. Sie würden viel mehr auf die Einhaltung von Gesetzen drängen, wie sie etwa aus dem Pariser Klimaabkommen abgeleitet seien.

Dennoch beharrt FDP-Fraktionschef Christopher Vogt darauf, dass es „eine Form des Extremismus ist“, wenn sich Klimaaktivisten auf Straßen festkleben oder Flughäfen blockieren. „Die Leute, die uns eine Kampagne vorwerfen, versuchen Straftaten zu verharmlosen“, poltert Vogt.

Er und Buchholz regen Thomas Losse-Müller so auf, dass der SPD-Fraktionschef ans Rednerpult tritt, um seine Ex-Partei zu verteidigen. Es gebe weder bei den Grünen noch bei einer anderen Fraktion im Parlament jemanden, der zwischen guten und bösen Straftaten unterscheide.

„Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht, und bei der Ausübung dieses Grundrechtes müssen auch Störungen hingenommen werden“, ergänzt Losse-Müllers Parteifreund Kai Dolgner. Auch bei Großdemonstrationen, bei denen sich Aktivisten nicht festkleben, sei es mitunter schwer, eine Rettungsgasse zu bilden. Für Dolgner ist die Grenze des Rechtsstaates erst erreicht, wenn Aktivisten ihr Ziel „herbeinötigen“ – wenn sie ankündigen, mit strafbaren Aktionen so lange weiterzumachen, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Eine Verschärfung der Strafgesetze sei aber nicht nötig. Das sieht der CDU-Abgeordnete Tim Brockmann allerdings anders: „Der geltende Rechtsrahmen muss konsequent ausgenutzt und da wo erforderlich angepasst werden.“

Brockmanns Parteifreundin Sabine Sütterlin-Waack hält allerdings nicht viel davon. „Straftaten werden zügig und konsequent im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt und geahndet“, sagt die Ministerin, die allerdings zugibt, dass sie wie ihre Amtskollegen in den anderen Bundesländern die Entwicklung der Demonstrationen mit Sorge betrachte. „Proteste dürfen kreativ sein. Sie dürfen auch stören. Aber legitimer Protest findet spätestens dort seine Grenzen, wo Leib und Leben von Menschen gefährdet werden“, sagt Sütterlin-Waack. „Wer Straftaten begeht, beschädigt am Ende nur das Anliegen des Klimaschutzes.“

Das sieht auch Lars Harms so, der die Demonstranten gegen den Vorwurf vereidigt, dass sie Extremisten oder Terroristen seien. Der SSW-Fraktionschef macht noch mal klar, dass der Staat bei der Strafverfolgung nicht mit zweierlei Maß messe und keine Unterschiede zwischen Gruppierungen macht. Und dann sagt er einen Satz, der den Kern der Debatte trifft: „Was wir hier diskutieren, ist keine politische Frage, sondern eine juristische.“

Insofern kann der Landtag vielleicht ein Signal setzen, aber eigentlich ist alles gesetzlich geregelt – und für den Rest sind in einer Demokratie Gerichte zuständig. Aber schön, dass das Parlament mal darüber diskutiert hat und am Ende einen wenig aussagekräftigen Antrag von CDU und Grünen beschließt, in dem sich der Landtag zum Klimaschutz, aber auch zu Recht und Gesetz bekennt. Nur wie die Politiker das Klima besser schützen wollen, wie es die Demonstranten vor dem Landeshaus fordern – darüber hat an diesem Tag niemand geredet.

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