Wirtschaft

Robert Habeck bei Fachmesse Husum Wind: Die Erneuerbaren am Scheideweg

Robert Habeck bei Fachmesse Husum Wind: Die Erneuerbaren am Scheideweg

Robert Habeck bei Fachmesse Husum Wind

Carlo Jolly/shz.de
Husum
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Gute Laune in Husum: Die Minister Tobias Goldschmidt (Kiel), Robert Habeck (Berlin), Olaf Lies (Hannover). Foto: Michael Staudt/shz.de

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Soll die Energiewende gelingen, muss Deutschland in sieben Jahren 80 Prozent seines Stroms aus grüner Energie erzeugen.

Ob Steffen Föll einfach Mitleid hatte mit Robert Habeck? Kurz nach Mittag schob sich der Bundeswirtschaftsminister im XXL-Tross durch die großen weißen Ausstellerzelte der Husumer Windmesse. Begleitet von einer großen Schar von Reportern, Personenschützern und Branchenvertretern – allen voran der neuen Präsidentin Bärbel Heidebroek vom Bundesverband Windenergie und Simone Peter vom Bundesverband Erneuerbare Energien – zog der Vizekanzler gerade weiter vom Stand des Windanlagenherstellers Nordex zu den Smart & Green Anker Foundations, die die Energiewende mit Fertigteil-Fundamenten für Windkraftanlagen beliefern.

Da nutzte Föll, junger Firmenkundenberater aus dem Kompetenzcenter Erneuerbare Energien der GLS-Bank, eine Lücke im Security-Tross und steckte Habeck einen Cranberry-Mandel-Energieriegel zu. Der Grünen-Politiker lächelte, griff zu – und musste auch schon weiter.

Da auch kein Minister für Wirtschaft, Klimaschutz und Energie jeden der rund 600 Aussteller besuchen und sich auch nicht alle vier Messetage Zeit nehmen kann, blieb es bei ausgewählten Gesprächen – etwa mit den nordfriesischen Lokalmatadoren von GP Joule aus dem Cecilienkoog, die unter anderem bei der Elektromobilität und Wasserstoff groß im Geschäft sind, oder dem Auricher Wind- und Energieparkbetreiber Alterric. Schließlich ist Niedersachsen dieses Jahr das Partnerland der Messe Husum Wind.

Für Robert Habeck ist Husum immer ein Heimspiel. Am Dienstag erinnerte er an die Anfänge der Messe – 1989 mit 20 Ausstellern von der Westküste in einer Viehauktionshalle. Auch wenn der Wirtschaftsminister damals selbst erst 20 Jahre alt war und noch gar nicht in der Grünen Partei: Wenn Schleswig-Holsteins früherer Umweltminister erzählt, dass die Husum Wind weniger das Wohnzimmer als vielmehr die Suppenküche der Energiewende mit ihrem besonderen Geist der Westküste gewesen sei, gerät dies schnell in Vergessenheit.

„Die Industrie, die in den Küstenregionen Norddeutschlands entstanden ist, verändert unser Energiesystem“, sagt Habeck und ergänzt, dass es die Aufgabe einer ganzen Generation sei, den menschengemachten Klimawandel auszubremsen. Zudem schaffe dies eine gewisse Energieautonomie. „Die Zukunft hängt an der ökonomischen Transformation, am Funktionieren der erneuerbaren Energien.“ 

Habeck sieht Deutschland auf der Wasserscheide der erneuerbaren Energien. In den vergangenen gut 20 Jahren habe man es geschafft, die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Sein Ziel: „Wir wollen 80 Prozent im Jahr 2030 bei steigendem Strombedarf.“ Schließlich sollen sich auch Mobilität und Wärmeversorgung mehr und mehr aus den Quellen von Wind und Sonne speisen. Um dorthin zu kommen, müsse die Kapazität von Wind an Land verdoppelt werden – und offshore in Nord- und Ostsee verdreifacht. „Wenn wir dieses Ziel nicht erreichen, schaffen wir auch alle anderen Ziele nicht“, sagt der Vizekanzler – und plötzlich ist nicht ganz klar, ob er das als Motivation oder als Drohung meint.

130 Prozent Sicherheit?

In allen Behörden, die mit der Genehmigung von Windkraftanlagen zu tun haben, müsse „verstanden werden, dass es nicht mehr das Ziel ist, Anträge möglichst lange liegenzulassen“, schimpft Habeck: „Vier bis sechs Jahre im Verfahren sind nicht mehr akzeptabel.“ Sachbearbeiter dürften Windanträge nicht liegenlassen, bis sie 130 Prozent sicher sind: „Es reichen 100 Prozent.“

Als nächstes möchte Habeck das Problem des Abschaltstroms bei Netzengpässen lösen: „Man kann nicht zu viel Strom haben, wir müssen ihn nutzen statt abschalten, oder in Speichermedien speichern.“

Außerdem will Habeck noch dieses Jahr das Problem angehen, dass die norddeutschen Regionen, die die Last der erneuerbaren Energien tragen, auch die höchsten Netzgebühren über den Strompreis zahlen. „Netzausbau ist eine Solidaritätsaufgabe nicht nur für die Region, sondern für Deutschland und Europa.“ Damit die Hersteller von Windkraftanlagen in der aktuellen Übergangszeit auch wirklich ihre Kapazitäten ausbauen, stellt Habeck Bürgschaften und Staatsgarantien in Aussicht.

Fünf bis sechs Windkraftanlagen pro Tag

Wind-Präsidentin Bärbel Heidebroek erinnerte daran, dass die Branche 2017 vor dem großen Einbruch bereits fünf bis sechs Windanlagen pro Tag gebaut habe. Heute seien es rechnerisch nur noch anderthalb. Dieses Tempo gelte es wieder zu schaffen – bei mittlerweile doppelter Anlagenleistung. Der Kieler Energiewendeminister Tobias Goldschmidt erklärte, Schleswig-Holstein stemme zusammen mit Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen den größten Teil des Zubaus. Einen Energieriegel des jungen Bankers gab es für ihn aber nicht.

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