Serie über Expertenrat in SH

Politik in der Corona-Pandemie: Krisenforscher Frank Roselieb gibt Fehler zu

Politik in der Corona-Pandemie: Krisenforscher Frank Roselieb gibt Fehler zu

Corona: Krisenforscher Frank Roselieb gibt Fehler zu

SHZ
Kiel
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Frank Roselieb ist geschäftsführender Direktor und Institutssprecher des Krisennavigator. Foto: Institut für Krisenforschung

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Er berät Unternehmen, Organisationen und die Landesregierung im Krisenmanagement. Warum Frank Roselieb trotzdem nicht mit Ministerpräsident Daniel Günther tauschen will, hat er shz.de erklärt.

Ob Lockdown oder Lockerung: Als eines der ersten Bundesländer hat Schleswig-Holstein bereits im Frühjahr 2020 ein Gremium von Fachleuten und Wissenschaftlern berufen, das die Landesregierung bei ihren Corona-Maßnahmen berät. Die Expertenrunde wurde auch vor der aktuell angekündigten Öffnung gehört. Auf shz.de stellen wir die Spezialisten und ihren jeweilige Perspektive in einer Serie vor: Der Kieler Krisenforscher Frank Roselieb (52).

Es beginnt alles mit einer E-Mail. Nachdem Frank Roselieb Anfang April 2020 ein Interview im NDR gibt, findet er eine Anfrage der Staatskanzlei in seinem Postfach: ob er Mitglied im Expertenrat der Landesregierung werden will, die das Kabinett in der Corona-Pandemie berät. Und obwohl Roselieb als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement schon in einigen Expertenrunden sitzt, sagt er zu – und ist unter Juristen, Medizinern und Wirtschaftswissenschaftlern schon etwas Besonderes.

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„Die meisten Mitglieder des Expertenrates waren schon etwas verdutzt als ich ihnen zu Anfang gesagt habe, dass wir jetzt wohl die nächsten eineinhalb Jahre zusammensitzen werden“, erzählt Roselieb. Denn aus der Krisenforschung zu vorherigen Pandemien und Epidemien weiß er, dass es verschiedene Szenarien geben kann. „Die EHEC-Krise war nach rund sieben Wochen unter Kontrolle – doch es war schnell klar, dass es bei Corona dieses Best-Case-Szenario nicht geben wird.“ Viel sprach damals für ihn dafür, dass die aktuelle Pandemie nach 18 Monaten unter Kontrolle sein könnte – wie bei der Schweinegrippe 2009/10 – oder spätestens zehn Monate nachdem ein Impfstoff zur Verfügung steht. „Das klappt jetzt nicht mehr“, sagt Roselieb heute selbstkritisch.

Weg aus der Krise führt über die Impfung, sagt der Forscher

Der Forscher hält es allerdings für möglich, dass bei einer allgemeinen Impfpflicht im Sommer und einer möglichen weiteren Boosterimpfung, die Corona-Pandemie nach zweieinhalb Jahren unter Kontrolle sein könnte. „Wir haben einerseits Erfahrungen mit der ersten Welle der Sars-Viren, die vor allem Asien von November 2002 bis Mai 2004 – also rund eineinhalb Jahre lang – gebeutelt haben. Andererseits wissen wir aus der Spanischen Grippe von Anfang 1918 bis Mitte 1920, dass es auch mehr als zwei Jahre werden können“, sagt Roselieb. Doch eine genauere Prognose wagt er nicht: „Ich habe ja auch keine Glaskugel auf dem Schreibtisch.“

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Fest steht, dass Roselieb, der als Unternehmer auch viele Organisationen und Betriebe in Krisenmanagement und -kommunikation berät, durch die Pandemie noch mehr Aufmerksamkeit bekommen hat. Der 52-Jährige kann klar und verständlich reden, ist ein gern gesehener Interviewgast – und weiß eine Bühne zu nutzen. Schließlich verdient er mit Krisen auch irgendwie sein Geld.

Weitere Folge der Serie: Infektiologe Jan Rupp: Der Mann für die Patientenperspektive in der Pandemie

Im Expertenrat sieht er seine Rolle vor allem auch als Stratege der Kommunikation – und gibt dabei auch Fehler zu. Dass Daniel Günther im Frühjahr 2021 mit einem Stufenplan vorpreschte, war vor dem Hintergrund der deutlich besseren Lage in Schleswig-Holstein richtig. Dass der dann im Bund keine Mehrheit fand, sei nicht gerade hilfreich für die Kommunikation im Land gewesen, sagt Roselieb heute. Aber dass der Expertenrat – stärker als auf Bundesebene – aus Vertretern verschiedener Professionen auch jenseits des Gesundheitsbereichs bestehe, sei ein Vorteil. „Denn es erleichtert den Politikern das Abwägen“, meint Roselieb. „Insofern ist für sie der Expertenrat Fluch und Segen zugleich.“

Weitere Folge der Serie: Stefan Kooths – Hüter der ökonomischen Corona-Gesundheit

Roselieb ist jedenfalls froh, dass er nur die Landesregierung berät: „Ministerpräsident in einer Pandemie zu sein, ist kein Vergnügen.“ Denn bei manchen Entscheidungen, wie etwa der Schließung der Schulen könne man nur verlieren, weil eben die Meinungen in der Bevölkerung sehr unterschiedlich seien.

Trotzdem will sich Roselieb nicht vor der Debatte schwieriger Themen drücken. Die Termine für den Expertenrat stünden schon bis Ende April fest. „Und wenn es nötig sein sollte, stehe ich einer neuen Regierung auch weiter zur Verfügung – egal welche Partei sie dann stellen sollte.“


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