Ausländer an die Urnen?

Opposition will Wahlrecht für alle in SH

Opposition will Wahlrecht für alle in SH

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SHZ
Kiel
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Bislang dürfen Ausländer aus Nicht-EU-Ländern und Staatenlose in Deutschland nicht wählen. Foto: Thomas Kienzle/shz.de

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SPD und SSW fordern, dass alle dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländer mit abstimmen dürfen. Dazu gibt es jetzt eine Anhörung von Experten im Innen- und Rechtsausschuss des Landtages.

Sie sollen mitentscheiden: SSW und SPD im Landtag wollen, dass Ausländer aus Nicht-EU-Ländern bei Kommunalwahlen abstimmen dürfen. „Entscheidungen, die in kommunalen Gremien getroffen werden, betreffen die Bevölkerung meist unmittelbar und direkt. Die Bevölkerung eines Staates besteht aber aus mehr Menschen als jenen, die einen deutschen Pass vorweisen können“, heißt es in einem Antrag des SSW-Chefs im Landtag, Lars Harms. „Alle Menschen, die dauerhaft ihren Lebensmittelpunkt in Schleswig-Holstein haben, sollten ein aktives und passives kommunales Wahlrecht erhalten.“ Das soll auch für Menschen aus Drittstaaten oder Staatenlose gelten, die mindestens vier Jahre lang in Deutschland leben.

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Seit dem Vertrag von Maastricht 1993 können EU-Bürger an Kommunalwahlen teilnehmen – in 15 von 27 EU-Staaten ist das möglich. „Nach fast dreißig Jahren ist vor dem Hintergrund einer sich seit dieser Zeit erheblich wandelnden Gesellschaft und eines immer heterogeneren Staatsvolkes kein Grund ersichtlich, das kommunale Wahlrecht ausschließlich auf Staatsbürger aus Ländern der EU zu beschränken“, heißt es in dem Antrag des SPD-Abgeordneten Thomas Rother. „Dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, muss sich auch im Wahlrecht widerspiegeln.“ Die SPD will sogar, dass Schleswig-Holstein eine Bundesratsinitiative startet, damit EU-Bürger auch bei Landtagswahlen mit abstimmen dürfen. Dafür will die SPD notfalls das Grundgesetz ändern.


Laut Statistikamt Nord gab es 2020 insgesamt 250798 Personen in Schleswig-Holstein, die keine deutsche Staatsangehörigkeit innehaben. Dies macht einen Anteil von rund 8,6 Prozent der Bevölkerung aus, nur ein Drittel davon stammt hat einen europäischen Pass. „Das bedeutet, dass ein beachtlicher Teil der schleswig-holsteinischen Bevölkerung, die keine deutsche oder EU-Staatsangehörigkeit innehat, kaum politischen und gestalterischen Einfluss auf die kommunale Politik nehmen kann“, schreibt der Landesbeauftragte für politische Bildung, Christian Meyer-Heidemann in einer Stellungnahme an den Innen- und Rechtsausschuss des Landtages, in dem die Abgeordneten das Thema diskutieren. Für die Integration sei politische Beteiligung wichtig, so Meyer-Heidemann, der den Vorschlag von SSW und SPD befürwortet.

Viele Verbände befürworten den Vorschlag

Das tut auch der Zuwanderungsbeauftragte des Landes, Stefan Schmidt: „Das Gewähren eines Wahlrechtes wäre auch ein Anerkennen des Dazugehörens unabhängig von der Staatsangehörigkeit.“ Ähnlich argumentiert der Flüchtlingsrat, der sogar das Wahlrecht für alle bei Landtagswahlen fordert – und zwar auch für jene, die kürzer als vier Jahre in Deutschland sind.

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Wohlfahrts- und Migrantenverbände sowie der Verein „Mehr Demokratie“ unterstützen den Vorstoß von SSW und SPD. Die Kommunalen Spitzenverbände haben jedoch verfassungsrechtliche Bedenken, die der Jura-Professor Florian Becker von der Uni Kiel teilt. Verfassungsänderungen seien vermutlich für das Wahlrecht für alle nötig, aber vielleicht nicht in allen Fällen möglich.

Rechtliche Bedenken

Deutlicher wird seine Kollegin vom Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht der Uni Kiel, Kerstin von der Decken: „Ein Kommunalwahlrecht für Nicht-Unionsbürger ist verfassungsrechtlich aller Voraussicht nach nicht zulässig. Etwas Anderes gilt für die Ausweitung des Wahlrechts der Unionsbürger auf Landtagswahlen – allerdings nur, wenn dies in Umsetzung entsprechender europarechtlicher Vorgaben erfolgt.“


Tarik Tabbara, Professor für Öffentliches Recht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, sieht eine Chance für das Wahlrecht für alle: Es gebe keine konkreten verfassungsrechtlichen Vorgaben, welche Voraussetzungen Ausländer erfüllen müssten, um an Wahlen teilzunehmen. „Insoweit besteht grundsätzlich eine großer rechtspolitischer Handlungsspielraum.“

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