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Immer mehr Frauen im Tierarztberuf – doch der Zunft mangelt es an Nachwuchs

Immer mehr Frauen im Tierarztberuf – doch der Zunft mangelt es an Nachwuchs

Immer mehr Frauen im Tierarztberuf

Joachim Pohl/shz.de
Schleswig
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Gastgeber Friedrich Röcken (r.) mit Thomas Mettenleitner, Martin Kramer und Evelin Stampa (v.l.) kurz vor der Eröffnung der Tagung. Foto: Joachim Pohl

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Beim 7. Tierärztetag der Tierärztekammer Schleswig-Holstein tauschten sich rund 450 Fachleute im Waldschlösschen über die Zukunft des Veterinärwesens aus. Ein Thema: Es gibt immer mehr Tiere, aber die Zahl der medizinischen Fachleute wächst ...

Sechs Millionen Hunde leben in Deutschland, sagt der Pinneberger Tierarzt Pasquale Pitturu. Bei Katzen sei die Zahl schwerer zu fassen, weil sie nicht gemeldet sind und weil es auch in Deutschland frei lebende, streunende Katzen gibt. Es dürften rund zehn Millionen sein, schätzt Pitturu. Er war beim siebten Tierärztetag der Tierärztekammer Schleswig-Holstein für das TFA-Programm zuständig. TFA steht für Tierärztliche Fachangestellte, von denen knapp 100 am Sonnabend im Hotel „Waldschlösschen“ in Schleswig dabei waren.

Der Schleswiger Tierarzt Friedrich Röcken, der den Tierärztetag alle zwei Jahre veranstaltet, war auch diesmal wieder zuständig für das wissenschaftliche Vortragsprogramm. Die Frauenquote bei den TFAs liegt nahe an 100 Prozent.

Auch bei den Tierärzten sind die Frauen mittlerweile deutlich in der Mehrheit. „Als ich studierte, lagen wir bei 50/50“, schätzt Evelin Stampa, Tierärztin in Satrup und Präsidentin der Tierärztekammer Schleswig-Holstein. Es gebe immer mehr Tiere in Deutschland, doch die Zahl der Tierärzte sei über Jahrzehnte gleich geblieben, beklagt sie. In Schleswig-.Holstein seien es 2000, davon seien etwa 1000 aktiv. Im Land zwischen den Meeren gebe es etwa 450 Kleintierärzte.

Jedes Jahr würden in Deutschland 1200 Tierärzte an den Universitäten Hannover, Berlin, Gießen, München oder Leipzig ausgebildet. Es gebe jedoch stets um die 5000 Bewerber. „Ich habe Daniel Günther vorgeschlagen, in Schleswig-Holstein einen Studiengang für Veterinärmedizin einzurichten“, sagt sie schmunzelnd. Doch der habe abgewunken – zu teuer.

Großer Bedarf an neuen Tierärzten

Die Tierärztin aus Mittelangeln fürchtet, dass es irgendwann zu wenig Tierärzte geben wird, vor allem auf dem Land. Denn mittlerweile würden auch viele Absolventen in die Industrie gehen. Auch Labore und die Veterinärverwaltung brauchen regelmäßig tierärztlichen Nachwuchs.

Der Tierärztetag, der in den beiden Vorjahren wegen der Pandemie ausgefallen war, war mit insgesamt 450 Teilnehmern schnell ausgebucht. Vor der Eröffnung gab es im Foyer des Hotels „Waldschlösschen“ ein großes Gewusel und dichtes Gedränge. „Familientreffen“, nannte es Röcken, der in dem Gewimmel souverän den Überblick behielt. „Für so eine Tagung gibt es kein besseres Hotel als das Waldschlösschen“, lobte er mit Blick auf die Betreiber-Familie Behmer und das ganze Team.

Neue Entwicklungen im Schmerzmanagement

Das von Röcken zusammengestellte Programm war vielfältig und anspruchsvoll, die Referentenliste hochkarätig. Es gab Vorträge zu Kleintieren – das sind in diesem Fall auch Hunde und Katzen –, Pferden, Rinder, Schweinen und zum öffentlichen Veterinärwesen. Dr. Sabine Kästner, Professorin aus Hannover, stellte neue Entwicklungen im Schmerzmanagement bei Tieren vor. In einem anderen Vortrag ging es um „Epilepsy mimicry“ beim Hund und um die kognitive Dysfunktion der alten Katze.

„Müssen wir immer noch Kot rühren?“ Wenn sich TFAs diese Frage stellen, wurde sie von Dr. Stephan Neumann aus Göttingen beantwortet, der Altes und Neues aus der Parasitendiagnostik vorstellte. Und Gastgeber Friedrich Röcken sprach über Gebisserkrankungen beim Kleintier.

Präsident des Friedrich-Löffler-Instituts zu Gast

Zu den ganz konkreten tiermedizinischen Inhalten gesellten sich übergeordnete Fragen. Mit Prof. Dr. Thomas C. Mettenleitner, Präsident des Friedrich-Löffler-Instituts auf der Insel Riems im Greifswalder Bodden, war eine echte Koryphäe in Schleswig zu Gast. Er wagte den Blick in die Kristallkugel und stellte die Frage: „Was kommt bei Tierkrankheiten auf uns zu?“ Der One-Health-Gedanke betrachtet gesundheitliche Themen von Mensch und Tier gemeinsam und bezieht dabei auch noch Umwelt und Klima ein. In Deutschland vertritt Prof. Martin Kramer von der Universität Gießen diesen Ansatz, auch er war im „Waldschlösschen“ dabei.

Keine Tagung ohne die Industrie: „Ohne deren Hilfe könnten wir so etwas hier gar nicht finanzieren“, räumte Röcken bei seiner Begrüßung freimütig ein. 21 Unternehmen waren mit Ständen und vielfältigen Informationen sowie den üblichen Give-aways vertreten; in den Vortragspausen waren die Stände dicht umlagert. So erfuhr zum Beispiel der Hundefreund am Stand der Firma Vetoquinol, wie man mit einer neuen Lichttherapie seinem Liebling bei dessen Hautproblemen helfen kann.

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