Gesellschaft

Flensburgs „Onkel Jule“ hat einen neuen Besitzer

Flensburgs „Onkel Jule“ hat einen neuen Besitzer

Flensburgs „Onkel Jule“ hat einen neuen Besitzer

Gunnar Dommasch/shz.de
Flensburg
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Vor gut einem Jahr wurde bekannt, dass das Gebäude der „Onkel Jule“ zum Verkauf steht. Foto: Marcus Dewanger

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Das prominente Gebäude, in dem die älteste Hafenkneipe Flensburgs zuhause ist, ist verkauft. Auf den neuen Eigentümer wartet eine Menge Arbeit.

Es hat einige Monate gedauert, jetzt endlich hat die älteste Hafenkneipe Flensburgs einen neuen Besitzer. Es gab die unterschiedlichsten Interessenten aus dem In- und Ausland, die sich für die ehrwürdige Dame in exponierter Lage an der Schiffbrücke 29 interessierten. Eine Familie aus Angeln, die noch anonym bleiben möchte, darf sich nun glücklich schätzen: Sie hat das historische Gebäude erworben, in dem „Onkel Jule“ beheimatet ist.

Großer Investitionsstau

Gleichwohl muss sie neben dem erheblichen finanziellen Aufwand viel Fantasie mitbringen. Denn die Eigentümer stehen vor einem, wie sie sagen, „grausamen Investitionsstau“. Doch sie verfügen nach eigenen Angaben über genügend Erfahrung in der Sanierung mit historischen und denkmalgeschützten Immobilien. „Doch das hier ist unser mit Abstand größtes Projekt.“

„Das Gebäude ist total vernachlässigt worden“, bedauert der neue Inhaber, der als Lehrer an einer Schule in Flensburg arbeitet. „Die letzten 50 Jahre oder länger ist hier nichts passiert.“

Das will er nun gemeinsam mit seiner Frau ändern. Das Haus muss entkernt und wieder aufgebaut werden, die Restaurierung wird, versteht sich, in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege erfolgen. Gleichzeitig sieht er das Nachbargebäude mit einem weinenden Auge peu à peu verfallen.

Eine gute Nachricht mehr: Die gastronomische Nutzung soll ebenfalls erhalten bleiben, in welcher Form auch immer. So wird die Tradition fortgeschrieben: Seit 1843 schon befindet sich eine Gaststätte im Gebäude, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Namen „Cap Horn“ trug.

Ob ein Café oder Restaurant entstehen wird, ist noch völlig offen. „Wir arbeiten derzeit an einem Konzept“, erklären die Inhaber, die den aktuellen Pächtern noch bis Februar 2024 Zeit gegeben haben, den Betrieb weiterzuführen. Der ehemalige Eigentümer hatte diesen schon zum Jahresende 2022 gekündigt. „In dem Fall wäre jetzt schon alles dicht gewesen, das wollten wir nicht.“

Herausforderndes Objekt in einmaliger Lage

Was hat die Familie bewogen, ausgerechnet auf dieses weithin bekannte, aber schwierige Objekt im Hochwassergebiet ein Auge zu werfen? „Die Lage ist einfach einmalig“, sagen sie. Die Nachbarschaft zum Oluf-Samson-Gang, eine der schönsten Gassen Europas. Der Blick aufs Wasser, auf Boote, Schiffe, das Hafenleben.

Das zweigeschossige Giebelhaus blickt auf eine lange Historie zurück. Erbaut gegen Ende des 18. Jahrhunderts, erlebte es die verschiedensten Nutzungen. So wurde damals etwa im Parterre eine Tischlerei betrieben, im Obergeschoss wohnte der Tischler.

Viele Flensburger und trinkfreudige Gäste von auswärts werden Erinnerungen an einen Kneipenbesuch haben. Oder auch nicht. Zumindest nicht mehr so ganz genau. Die Gaststätte war oft letzte Station für Hafengänger und Nachtschwärmer aller Couleur.

Er habe das Gefühl gehabt, dass sich viele Interessenten bei einer Besichtigung „persönlich von der Jule verabschieden wollten“. Jüngst war das ZDF zu Dreharbeiten für eine neue Krimi-Serie dort zu Gast. Dieser Krimi dürfte in der Sanierungsphase nun seine Fortsetzung finden.

Glücksfall für die Stadt
ein Kommentar von Gunnar Dommasch

Es gibt allzu häufig Investoren, die erwerben gern mal ein Gebäude, lassen es geduldig verfallen – so lange, bis es abgerissen werden muss. Ein lukratives Geschäft. Derlei Fälle sind auch in unserer Region leider keine Seltenheit. Insofern sind die neuen Eigentümer des traditionsreichen „Onkel Jule“, die hier den Wiederaufbau eines erhaltenswerten Kulturgutes in Angriff nehmen und ein familiengeführtes Unternehmen aufbauen, ein Glücksfall für die Stadt. Sie nehmen ein finanziell schwer zu kalkulierendes Risiko in Kauf. Aber sie bringen ihre Expertise und Leidenschaft ein, handeln nach dem Credo: Altes erhalten – Neues gestalten. Gut so!

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