Personalmangel im Altenheim

Endstation Krankenhaus – keine freien Termine zum Sterben

Endstation Krankenhaus – keine freien Termine zum Sterben

Endstation Krankenhaus – keine freien Termine zum Sterben

Margret Kiosz/shz.de
Kiel
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Senioren sind vor ihrem Tod immer häufiger im Krankenhaus (Symbolfoto). Foto: Suhaimi Abdullah via www.imago-images.de/shz.de

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Es kommt vor, da handeln Mediziner und Altenheime gegen den Willen der Senioren. Neue Zahlen zeigen: Senioren sind vor ihrem Tod immer häufiger in Krankenhaus.

Fragt man Menschen, was ihnen in der letzten Lebensphase am allerwichtigsten wäre, stehen an erster Stelle Geborgenheit und Schmerzfreiheit. 80 Prozent der Deutschen wünschen sich, zu Hause oder in der vertrauten Umgebung des Seniorenheims zu sterben.

Die Realität sieht anders aus: Viel zu häufig handeln Mediziner und Altenheime gegen den Willen der Senioren. Auch in Schleswig-Holstein wird jeder zweite Pflegeheimbewohner in den letzten zwölf Lebenswochen ins Krankenhaus eingewiesen. „Oftmals sind diese Krankenhausaufenthalte jedoch vermeidbar“, erklärte am Mittwoch Christoph Vauth, Vizechef der AOK NordWest in Kiel. „Der Anspruch eines würdevollen Lebens und auch Sterbens im Heim muss Ziel unseres Handels sein. Daher müssen ambulante Hospizdienste stärker in die Versorgung der Patienten in den Heimen des Landes integriert werden“, so seine Forderung. Palliativ-Kompetenzen von Ärzten und Pflegenden sollten weiterentwickelt und die Zusammenarbeit intensiviert werden.

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Seit Jahren wird beklagt, dass nicht der Wunsch der Alten, möglichst in vertrauter Umgebung zu sterben, im Vordergrund steht, sondern die Frage, wie das Lebensende am besten in versorgungsrechtliche oder betriebliche Abläufe integriert werden kann. Denn das Sterben ist mit viel Arbeit und Betreuung verbunden und bindet Ressourcen, die die Heime angesichts des Personalmangels nicht haben.

Zu einem selbstbestimmten Leben im Alter gehöre ein würdevolles Sterben, gibt Helmut Kneppe, Vorsitzender des Kuratoriums Deutsche Altershilfe zu Bedenken. „Mancher möchte vielleicht noch Gespräche mit Angehörigen, Freunden, Bekannten führen oder im Wald ins frische Grün schauen und dabei über Kopfhörer ein Konzert hören“. Wenn Verwandte, Pflegende und Ehrenamtliche auf solche Wünsche eingehen möchten, „so sollten wir als Gesellschaft dies ermöglichen und so auch dem Lebensende Würde geben“. Niemand sollte kurz vor dem Tod in eine Klinik abgeschoben werden, nur weil die Betreuungskapazitäten im Heim nicht ausreichen.

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Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte eine bessere Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) müsse das Leiden dieser Menschen endlich zu seiner Sache machen.

Kurz vor dem Lebensende: Krankenhaus

Pflege und Begleitung von Menschen am Lebensende ist laut AOK wesentlicher Bestandteil des Alltags in deutschen Pflegeheimen. Dort lebte jeder Dritte innerhalb eines Jahres verstorbene AOK-Versicherte in Schleswig-Holstein. Auf Basis von Routinedaten beleuchtet der AOK-Pflege-Report, der vom Wissenschaftlichen Institut der Kasse herausgegeben wird, Krankenhausverlegungen unmittelbar vor dem Lebensende der Heimbewohner. Mit gutem Grund: Einweisungen sind ein wichtiger Indikator für eine qualitativ angemessene Versorgung.

In den Jahren 2018 und 2019 wurden rund 55 Prozent aller Pflegeheimbewohner im Norden innerhalb der zwölf Wochen vor ihrem Lebensende mindestens einmal in ein Krankenhaus verlegt. Das ist eine im internationalen Vergleich hohe Verlegungsrate. Die Klinikaufenthalte verdichten sich kurz vor dem Tod: Jeder dritte Heimbewohner befand sich in seiner letzten Lebenswoche für mindestens einen Tag im Krankenhaus.

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Grundsätzlich bergen diese Verlegungen für die hochbetagten, multimorbiden Patienten neben den damit verbundenen medizinischen Chancen auch „erhebliche Risiken wie psychische Belastungen, kognitive Verschlechterungen, in der Klinik erworbene Infektionen, Stürze, Komplikationen durch Immobilisation sowie der weitere Verlust von Selbstständigkeit“, so Vauth.

Jeder dritte Krankenhausfall unnötig?

Nach der AOK-Analyse kann deutlich mehr als jeder dritte Krankenhausfall vor dem Tod als potenziell vermeidbar eingestuft werden. Analysiert wurde hierbei die Häufigkeit von Pflegeheim-sensitiven Krankenhausfällen wie Herzinsuffizienz, Dehydration oder Harnwegsinfektionen. „Die Analyse der Fälle liefert dabei Anhaltspunkte, ob die Behandlung potenziell auch im Pflegeheim möglich gewesen wäre. Die Befragung der Bewohner und ihrer Angehörigen, wäre ein wichtiger Schritt, um die Selbstbestimmtheit auch und gerade in der letzten Lebensphase zu gewährleisten“, so Vauth.

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