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Deutschlandticket für Schüler ist mal gratis und mal nicht – Preiswirrwarr in SH

Deutschlandticket für Schüler ist mal gratis und mal nicht – Preiswirrwarr in SH

Deutschlandticket für Schüler ist mal gratis und mal nicht

Frank Jung/shz.de
Kiel
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Der Zugang zum Deutschland-Ticket ist nicht für alle Schüler in Schleswig-Holstein gleich. Foto: IMAGO/Dwi Anoraganingrum/shz.de

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Von gratis bis zu gar keinem Bonus: Zum Start des neuen Schuljahres stellen Jugendliche und ihre Eltern überrascht fest, dass es nur in Teilen Schleswig-Holsteins vergünstigte Konditionen für ein Deutschlandticket für Schüler gibt.

Eigentlich soll das Deutschland-Ticket für Einheitlichkeit beim Nutzen von Bussen und Bahnen sein – doch zum Start des neuen Schuljahrs finden Schüler und Eltern innerhalb Schleswig-Holsteins einen Flickenteppich völlig unterschiedlicher Konditionen vor. Während zum Beispiel in Dithmarschen jeder Schüler ein kostenloses Deutschland-Ticket auf Kreiskosten erhält, gehen ihre Altersgenossen etwa in Ostholstein oder Flensburg und Neumünster leer aus. Dazwischen gibt es je nach Kreis zahlreiche andere Varianten.

Die Betroffenen finden die Situation unhaltbar: „Die kostengünstige, idealerweise kostenfreie Bestreitung des Schulweges ist ein essentieller und oft missachteter Faktor für Bildungsgerechtigkeit“, mahnt Lovis Eichhorn, Sprecher für Mobilität im Vorstand der Landesschülervertretung Gymnasien. „Schüler sollten, egal wo sie in Schleswig-Holstein wohnhaft sind, die gleichen Kosten für ein vergünstigtes Deutschlandticket bezahlen müssen.“

Klage über Benachteiligung

Die Bestandsaufnahme der Landesschülervertretung: „In Kreisen oder kreisfreien Städten, in denen es keine Vergünstigungen dafür gibt, werden Schüler benachteiligt, wenn Eltern kein Deutschlandticket bezahlen können. Die finanzielle Situation des Haushaltes darf aber einem Schulbesuch nicht entgegenstehen.“

Zwar gebe es für diesen Fall oft bereits Hilfe – „diese ist aber häufig unzureichend oder durch Bürokratie schwer zugänglich“, moniert Eichhorn. Etwa würden in einigen Kreisen nach den gesetzlichen Minimalanforderungen und auch nur auf Antrag bloß Schüler vor dem Besuch der Oberstufe unterstützt.

Als besonders ungünstig bewertet die Landesschülervertretung das Wirrwarr für Kinder und Jugendliche, die eine Schule außerhalb ihres Wohnort-Kreises besuchen.

Appell an die Landesregierung

„Aus unserer Sicht muss das Land hier mehr Verantwortung übernehmen“, appelliert Eichhorn an einen Befreiungsschlag aus Kiel.

Unzufriedenheit im Verkehrsministerium

Die Landesregierung hält sich bisher relativ zurück, weil die Schülerbeförderung nach gesetzlicher Aufgabenverteilung Sache der Kreise ist. Gleichwohl macht man im Kieler Verkehrsministerium keinen Hehl daraus, dass man mit dem zu Beginn des neuen Schuljahrs sich auftuenden Flickenteppich alles andere als glücklich ist.

Verhandlungen über Zusatzkosten

Durchaus gab es bereits vor den Sommerferien einen Anlauf zwischen Landesregierung und Kreisen, in ganz Schleswig-Holstein einheitliche Bedingungen für das Deutschlandticket für Schüler zu erreichen. Die Gespräche sind jedoch bisher daran gescheitert, dass sich beide Seiten nicht über eine Aufteilung der Kosten untereinander einigen konnten.

Es geht dabei um die Einnahmeausfälle, mit denen die Verkehrsunternehmen durch eine weitere Verbilligung von Fahrkarten konfrontiert sind. Allein der Kreis Rendsburg-Eckerförde rechnet mit Mehrkosten von 14, 2 Millionen Euro pro Jahr, selbst wenn die Eltern – so ein theoretisches Rechenmodell der Verwaltung – noch 84 Euro pro Jahr hinzugeben würden.

Kreise verteidigen den Flickenteppich

Reimann verteidigt die verschiedenen Konditionen für ein Schüler-Deutschlandticket: Es sei das Ergebnis der Selbstverwaltungshoheit von Kreisen und kreisfreien Städten. „Der Gesetzgeber hat bewusst eine Regelung getroffen, die es den Kreisen ermöglicht, auf Grundlage politischer Beschlüsse eigene Entscheidungen zu treffen, in welchem Umfang Kosten für die Schülerbeförderung anerkennungsfähig sind.“ Deshalb hätten Eltern ja auch bisher schon unterschiedliche oder teils gar keine Kosten für die Schülerbeförderung zahlen müssen.

Vielleicht wird weiter verhandelt

Das Kieler Verkehrsministerium wünscht sich, dass die Gespräche mit den Kreisen dazu fortgesetzt werden. Allerdings sei das Thema letztlich eingebettet in Verhandlungen über die Vereilung weiterer Einnahmeausfälle für den ÖPNV durch das Deutschlandticket und über die ÖPNV-Finanzierung insgesamt.  

„Der Streit um Kosten und Verantwortung zwischen den Kreisen und dem Land darf nicht auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden“, resümiert Lovis Eichhorn von der Landesschülervertretung. „Es braucht eine pragmatische Lösung.“

Und so sieht es genau in den einzelnen Regionen aus

Am allerbesten sind Kinder und Jugendliche im Kreis Dithmarschen dran. Ohne jede Einschränkung erhalten vom Kreis alle Schüler von Klasse 1 bis 13 und alle Berufsschüler ab Beginn des neuen Schuljahrs ein Deutschlandticket. Das gilt auch für Schüler, die auf eine Schule in einem anderen Kreis gehen.

Der Nachbarkreis Nordfriesland zeigt sich ebenfalls großzügig: Grundschüler, die mindestens zwei Kilometer von ihrer Schule entfernt wohnen, und alle weiteren Schüler bis einschließlich Klasse 10 bei mindestens vier Kilometer Entfernung erhalten ein kostenloses Deutschlandticket. Wer dichter dran wohnt, erhält auf Antrag einen Kreiszuschuss von 30 Euro, wenn er oder sie ein Deutschlandticket für den regulären Preis von 49 Euro pro Monat kauft. Den gleichen Anspruch gewährt der Kreis Nordfriesland Oberstufenschülern und Vollzeit-Berufsschülern. 

Eine identische Regelung jeweils bei dem Besuch von Grundschulen und weiterführenden Schulen gilt im Kreis Pinneberg. Also: ein kostenloses Deutschlandticket für alle von Klasse 1 bis 10 im Zwei- bzw. Vier-Kilometer-Radius. Dort ist die Zahl der betroffenen Schüler jedoch geringer als in Nordfriesland, weil im Hamburger Rand wegen der dichten Besiedlung weniger Schüler außerhalb des Zwei- bzw. Vier-Kilometerradius‘ um ihre Schule wohnen.

In Stormarn ist das Deutschlandticket für die Klassen 1 bis 10 gratis, wenn die Grundschule mindestens zwei oder die weiterführende Schule mindestens vier Kilometer weg liegt. Schüler der Klassen 11 bis 13 und der beruflichen Schulen erhalten das Deutschlandticket für 29 Euro pro Monat unabhängig von der Entfernung zur Schule.

Wieder ganz anders fällt die Variante im Kreis Schleswig-Flensburg aus: Dort gibt es für minimales Geld maximale Leistung. Der Kreis hat für 150 Euro pro Jahr ein so genanntes Bildungs-Ticket eingerichtet. Darin wurde das Deutschlandticket nun integriert. Im Ergebnis müssen Schüler im Kreis Schleswig-Flensburg bzw. ihre Eltern nur einmal jährlich 150 Euro zahlen und bekommen dafür das Deutschland-Ticket für zwölf Monate.

Das ist ein besonders krasser Unterschied zum vielfach mit dem Kreis verwobenen Stadtgebiet von Flensburg. Dort gibt es wie in der ebenfalls kreisfreien Stadt Neumünster gar keine Schüler-Vergünstigungen zum Erwerb eines Deutschlandtickets.

Im Kreis Steinburg erhalten alle Schüler von Klasse 5 bis 10, die weiter als vier Kilometer von der Schule wohnen, die Kosten für die Fahrt zur Schule mit einer Monatskarte zu den vor Ort üblichen Kosten erstattet. Die 74 Schüler, deren Ticket bisher teurer als 49 Euro war, bekommen ab Schuljahresbeginn das Deutschlandticket und keine Kostenerstattung darüber hinaus. Die anderen erhalten kein Deutschlandticket, weil ihre Monatskarte günstiger ist und der Kreis sonst draufzahlen würde.

Im Kreis Rendsburg-Eckernförde gibt es noch kein Deutschland-Ticket zu Schülerkonditionen. Eltern zahlen in den Klassen 1 bis 10 beim ersten Kind für eine Monatskarte einen Eigenanteil von 84 Euro. Erstattet werden ihnen künftig nur noch 49 Euro, also der Preis eines regulären Deutschlandtickets. Auch Schüler ab der 11. Klasse können sich höchstens noch 49 Euro erstatten lassen.  

Mitte September will der Regionalentwicklungsausschuss des Kreises über eine familienfreundlichere Lösung beraten. Laut Rendsburger Kreisverwaltung könnte eine Umstellung jedoch frühestens im nächsten Sommer kommen.

Der Kreis Ostholstein gewährt bisher noch keine vergünstigten Schülerkonditionen für ein Deutschlandticket, kündigt aber wie Rendsburg Beratungen darüber an: am 4. September im Verkehrsausschuss.

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