Meergold in Eckernförde

Darum schließt Berndt Kruse Deutschlands letzte Sprottenräucherei

Darum schließt Berndt Kruse Deutschlands letzte Sprottenräucherei

Darum schließt Deutschlands letzte Sprottenräucherei

SHZ
Eckernförde
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Berndt Kruse (61) schließt in Kürze seine europaweit bekannte Fischräucherei Meergold im Jungfernstieg. Damit stellt auch die letzte Sprottenräucherei Deutschlands ihren Betrieb ein. Foto: Gernot Kühl/shz.de

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Am Donnerstag werden in Eckernförde die letzten Kieler Sprotten geräuchert. Betreiber Berndt Kruse (61) hat mehrere Gründe für die Schließung von Deutschland letzte Sprottenräucherei.

Alle Liebhaber der Kieler Sprotten müssen jetzt ganz tapfer sein: Die Original Kieler Sprotten, die in Eckernförde geräuchert werden, wird es in dieser Form in Kürze nicht mehr geben. Selbst der bekennende Sprotten-Fan Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird künftig auf diese Eckernförder Delikatesse verzichten müssen. In der Fischräucherei Meergold im Jungfernstieg 19 werden am Donnerstag die letzten Sprotten nach traditioneller Art bei rund 80 Grad mit Buchen- und Erlenholz geräuchert – dann ist Schluss, dann werden nur noch die restlichen Aufträge für die gewerblichen Kunden abgearbeitet, der letzte Produktionstag ist der 25. Mai.


Fischräucherei künftig nur noch im Museum

Das Eckernförder Familienunternehmen in vierter Generation, Meergold Fischdelikatessen, vorher Rehbehn & Kruse, ist dann Geschichte, dann schließt die letzte Sprottenräucherei Deutschlands. Damit verliert auch die einstige Hochburg der Fischräucherei an der Ostseeküste ihre letzte gewerblich aktive Räucherei. Dann bleibt nur noch die Geschichte, die im Räuchereimuseum in der Gudewerdtstraße nachempfunden werden kann.


Für die Schließung gibt es mehrere Gründe

Berndt Kruse, Urenkel von Firmengründer Otto Rehbehn, macht das Licht aus. Dafür gibt es mehrere Gründe, wie der Firmenchef sagt. Seine beiden Kinder hätten eine andere berufliche Laufbahn eingeschlagen, die enge Lage in der Altstadt verhindere eine Expansion und den Einstieg von Übernahmeinteressenten, ein Umzug auf die grüne Wiese mit Kosten von mehreren Millionen Euro möchte sich der 61-Jährige nicht mehr zumuten und „die Rohware“, also der Fisch, insbesondere auch Heringe und Sprotten, werde immer knapper und teurer. Das sind in Kurzform die Gründe, die Berndt Kruse keine andere Möglichkeit mehr ließen, als seinen Familienbetrieb, der vier Unternehmergenerationen und die Angestellten gut ernährt hat, zu schließen.



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Kruse ist Realist und Geschäftsmann genug, um die richtigen Schlüsse aus dieser Gemengelage zu ziehen. Er kennt das Gewerbe aus dem Effeff, ist im Geschäft groß geworden, hat es 1991 als geschäftsführender Gesellschafter übernommen und beständig von einer Fischräucherei mit Versand zu einem der führenden Fachbetriebe Deutschlands mit eigenem Fischimbiss und extrem gut ausgebautem Versand an Räucherfisch und Marinaden aller Art weiterentwickelt. Nach über 30 Jahren erfolgreicher Unternehmertätigkeit hat er sich nach Gesprächen mit Vertrauten und seiner Belegschaft im vergangenen Jahr dazu entschlossen, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen. Das 1919 gegründete Unternehmen schließt nach 103 Jahren.


Große Stücke hält Berndt Kruse auf seine Mutter Margarete, genannt Greta. Sie hat das Unternehmen in den 1970er und 1980er Jahren geleitet, das sich damals noch auf das Räuchern, den lokalen Abverkauf und einen kleinen Versandhandel beschränkte – und trotzdem gut existieren konnte. Schon damals war die Adresse wie heute der Jungfernstieg 19, in dem die bauliche Verdichtung immer weiter voranschreitet. Für das produzierende Gewerbe mit Liefer- und Kundenverkehr und Emissionen – trotz ausgeklügelter Abgasreinigung – ein Problem.


Wichtig: Breites Sortiment, genug Fisch und beste Qualität

Wichtig war Kruse eine breite Produktpalette über die heimischen Fischarten hinaus und eine deutliche Steigerung des Versands. Entsprechend europaweit verzweigt ist das Netz der Zulieferer, die vielfach aus Skandinavien, aber auch das Groß-Britannien, Irland, Holland oder Spanien kommen. Es ist nicht nur die Quantität der importierten Fische, es ist auch die Qualität, die immer stimmen musste, um den hohen Ansprüchen der vielen gastronomischen und gewerblichen Betriebe in Deutschland und Nachbarländern wie auch denen der vielen Stammkunden, Gelegenheitskäufer und Touristen gerecht zu werden. Dafür erhielten Rehbehn & Kruse und später Meergold zahlreiche Auszeichnungen und Gütesiegel der Landwirtschaftskammer und anderer Institutionen.


Der gute Ruf sorgte für entsprechende Nachfrage. „Wir hatten oft Aufträge für die doppelte Zahl an Mitarbeitern und Doppelschichten, wir konnten die aber nicht annehmen, weil wir nicht genügend qualifizierte Mitarbeiter, auch für den Aufbau einer mittleren Führungsebene, – anwerben konnten“, sagt der Firmenchef, der die nächsten Monate den Betrieb abwickelt und sich dann aufs Privatleben freut. Durch die enge und freundschaftliche Vernetzung der Betriebe im Norden wird Berndt Kruse aber weiterhin beratend sein und sein Fachwissen gerne an die Kollegen weitergeben.

Kein Abriss, aber auch noch keine Nachnutzung in Sicht

Was mit der Gewerbeimmobilie mit 1800 Quadratmetern Nutzfläche im Jungfernstieg, nur einen Steinwurf vom Strand und der Strandpromenade entfernt, geschehen soll, ist noch völlig offen. Konkrete Gedanken habe er sich noch nicht gemacht, „vielleicht Vermietung“, sagt Berndt Kruse. Ein Abriss, wie in den sozialen Netzwerken kolportiert, sei jedenfalls überhaupt kein Thema. Wichtig sei ihm gewesen, alle rund 20 Mitarbeiter rechtzeitig zu informieren, so dass sie sich rechtzeitig umorientieren konnten, viele von ihnen hätten bereits neue Beschäftigungen gefunden.

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