Grenzland

Dänemark startet mit Speicherung von CO2 unter der Nordsee

Dänemark startet mit Speicherung von CO2 unter der Nordsee

Dänemark startet mit Speicherung von CO2 unter der Nordsee

Henning Baethge
Flensburg/Flensborg
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Umstrittene Technologie: Protest an Schleswig-Holsteins Westküste gegen das unterirdische Speichern von CO2. Foto: Carsten Rehder

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Die dänische Lagerstätte „Greeensand“ 250 Kilometer nordwestlich von Sylt geht in Betrieb. Bis zu acht Millionen Tonnen Kohlendioxid sollen dort gespeichert werden. In Deutschland flammt der Streit über CCS wieder auf.

Dänemark macht ernst beim unterirdischen Speichern von Kohlendioxid, kurz CCS: Die staatliche dänische Energieagentur hat dem deutschen Gasproduzenten Wintershall Dea und dem britischen Chemiekonzern Ineos erlaubt, CO2 in einem früheren Ölfeld unter der dänischen Nordsee rund 250 Kilometer nordwestlich von Sylt einzulagern. „Das ist das erste Mal, dass eine Genehmigung für ein CO2-Speicherprojekt in Dänemark erteilt wurde“, sagt Henrik Sulsbrück von der Energieagentur.

Wintershall Dea will „in den nächsten Wochen“ loslegen

Die Lagerstätte unter der Nordsee heißt „Greensand“ und darf zunächst in einer Pilotphase bis Anfang April maximal 15.000 Tonnen Kohlendioxid aufnehmen. Bis 2025 soll die zulässige Speichermenge auf bis zu 1,5 Millionen Tonnen jährlich wachsen, bis 2030 laut Wintershall Dea sogar auf 8 Millionen Tonnen. Mit dem Verpressen wolle man schon „in den nächsten Wochen“ beginnen, kündigt eine Firmensprecherin gegenüber shz.de an. Das CO2 solle per Schiff zum Speicherort gebracht werden und komme aus einem Werk von Ineos im belgischen Antwerpen. Dort wird das Gas Ethylenoxid hergestellt.

CCS steht für Carbon Capture and Storage, den englischen Begriff für das Abscheiden und Speichern von CO2. In Deutschland ist die Technik verboten, doch der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck will künftig erlauben, dass die in der Zementindustrie hierzulande kaum vermeidbaren CO2-Emissionen zumindest im Ausland unter der Nordsee verpresst werden dürfen. Nur so sei hierzulande die bis 2045 angepeilte Klimaneutralität erreichbar, meint er. Im Januar will Habeck daher nach Norwegen reisen, wo es schon Lagerstätten unter der Nordsee gibt, und sich noch näher über diese informieren.

Lemke bremst ihren grünen Parteifreund Habeck

Allerdings müsste Deutschland für die Ausfuhr von CO2 erst mal ein weltweites Abkommen zur Verpressung von CO2 unter dem Meer ratifizieren. Dafür aber ist nicht Habeck zuständig, sondern Umweltministerin Steffi Lemke. Und die bremst den Eifer ihres Parteifreunds bisher. „Die Bundesregierung hat über die Ratifikation noch nicht entschieden“, lässt sie ihren Sprecher auf Anfrage von shz.de kurz und bündig ausrichten.

Kieler Minister hält Risiken für unwahrscheinlichh

Auch Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Tobias Goldschmidt hat in Dänemark vorsichtig Bedenken gegen „Greensand“ angemeldet, nicht zuletzt weil die geologischen Strukturen der dänischen Lagerstätte „bis in die deutsche Nordsee hineinragen“, wie Goldschmidts Staatssekretär Joschka Knuth sagt. Daher habe man die Dänen auf „relevante Umweltrisiken“ wie ein „Reißen der Schicht über der Lagerstätte“ oder den „Austritt von CO2“ hingewiesen. Unterm Strich seien Gefahren für Deutschland aber „minimiert bis unwahrscheinlich“.

CO2-Export-Terminal in Wilhelmshaven geplant

Bei Wintershall Dea hofft man jedenfalls, dass auch bald CO2-Exporte aus Deutschland nach Dänemark und Norwegen möglich werden. „Wir sehen eine deutliche Steigerung der Akzeptanz von CCS in den Reihen der Bundesregierung“, sagt die Firmensprecherin. Im niedersächsischen Wilhelmshaven plant das Unternehmen bereits ein Export-Terminal für CO2 samt Pipeline nach Norwegen. Auch im dänischen Hirtshals will man ein Terminal für den Schiffsumschlag von CO2 zur Greensand-Lagerstätte bauen. 

Umweltschützer protestieren gegen Greensand

Umweltschützer in Schleswig-Holstein protestieren allerdings gegen die CCS-Pläne. „Die Verpressung von CO2 in der Nordsee, egal ob in Norwegen, Dänemark oder Deutschland, halten wir für unverantwortlich“, wettert Reinhard Knof, Sprecher der Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager. Zum einen stört ihn, dass in Dänemark zunächst gerade nicht schwer vermeidbares CO2 aus der Herstellung von Zement gespeichert werden soll, sondern leichter zu vermeidendes aus der Gasproduktion. „CCS soll offenbar helfen, dass fossile Zeitalter noch möglichst lange auszudehnen“, kritisiert Knof.

Dänen versichern: Keine negativen Auswirkungen

Zum anderen fürchtet er, dass in „Greensand“ eingelagertes CO2 wieder aus alten Bohrlöchern des Ölfelds austritt und Muscheln, Austern oder Algen zerstört. „Das wäre eine ökologische Katastrophe für die Nordsee“, warnt er. Dagegen versichert die dänische Energieagentur, dass das von Dänemark mit umgerechnet 26 Millionen Euro geförderte Projekt „keine erheblichen negativen Auswirkungen auf Schutzgebiete, geschützte Arten und ihre Lebensräume“ habe.

Geomar-Chefin hebt Vorteil von CCS hervor

Nicht zuletzt die Meeresforscher vom Kieler Geomar-Helmholtz-Zentrum halten das Speichern von CO2 unter der Nordsee für vertretbar. Dafür sprechen unter anderem Untersuchungen des Instituts vor Norwegen. Im Interview mit shz.de nannte Geomar-Chefin Katja Matthes kürzlich die CCS-Technik als eine Möglichkeit zur Treibhausgasreduktion und hob einen Vorteil hervor: „Es sieht so aus“, sagte sie, „als sei CCS eine Methode, mit der man schnell große Mengen CO2 aus der Atmosphäre entfernen kann.“ Ähnlich sieht es nun wohl Minister Habeck.

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