Hier wohnen die Lindners auf Sylt

Christian Siegling über Punks, lässigen Luxus und entspannte Gäste

Christian Siegling über Punks, lässigen Luxus und entspannte Gäste

Über Punks, lässigen Luxus und entspannte Gäste

Barbara Glosemeyer, SHZ
Sylt
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Christian Siegling ist seit sieben Jahren Direktor des Luxushotels Severin‘s Resort & Spa. Foto: Axel Steinbach/shz.de

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Seit sieben Jahren ist Christian Siegling Hoteldirektor des Luxushotels Severin‘s Resort & Spa in Keitum. Prominente Gäste wie jetzt das Brautpaar Lindner-Lehfeldt und Bundeskanzler Scholz sind hier keine Seltenheit. Im Interview spricht Siegli...

Herr Siegling, es ist die erste Sommersaison ohne Corona-Einschränkungen nach zwei Jahren. Wie groß ist die Freude darüber bei Ihnen und wie groß die Nachfrage bei Ihren Gästen?
Ja, es ist das erste Jahr ohne Corona-Einschränkungen, aber die beiden vergangenen Jahre waren für uns wirtschaftlich auch zwei sehr erfolgreiche Jahre, weil die Urlauber ohne Corona-Risiko verreisen wollten und nicht ins Ausland fliegen konnten. Und auch in diesem Jahr sind wir in den kommenden Monaten sehr gut gebucht. Das und auch die Tatsache, dass sich jetzt alle, unsere Mitarbeiter wie unsere Gäste, wieder freier bewegen können, freut uns natürlich sehr.

Die Pandemie hat alle unternehmerisch durchgeschüttelt. Was hat sich denn für Sie und Ihr Team verändert?
Corona und seine Folgen wie der Lockdown waren eine große Herausforderung, die wir aber gut gemeistert haben. Die gesamte Branche betrifft, dass 20 Prozent der Mitarbeiter abgewandert sind, die uns jetzt extrem fehlen – gerade auf der Insel. Insofern wird es besonders herausfordernd, neue Kolleginnen und Kollegen zu finden.

Haben sich Ihre Gäste verändert?
Als der Lockdown zu Ende ging, konnte man spüren, wie massiv sich alle gefreut haben, wieder reisen und Essen gehen zu können. Doch das hat sich inzwischen wieder auf ein klassisches Niveau eingependelt. Was wir bei unseren Gästen eher feststellen, ist Verständnis für Probleme rund um den Mitarbeitermangel. Die Dienstleistungen werden nicht mehr so selbstverständlich in Anspruch genommen.

Ihr Haus landete gerade unter den „101 besten Hotels Deutschlands“ auf Platz 4. Was macht Ihr Haus so besonders, dass es regelmäßig so gut gerankt wird, andere nicht in diesem Maße? 
Wir sind ein sehr authentisches Haus, was zu Sylt passt, eine kleine Oase mitten in Keitum, einem wunderschönen Ort. Man spürt sofort, dass man auf der Insel ist. Wir bieten lässigen natürlichen Luxus und begegnen unseren Gästen auf Augenhöhe, ohne schnoddrig zu wirken. Und natürlich haben unsere Gäste auch eine gewisse Erwartung an unsere Serviceleistungen und Standards, die eingehalten werden müssen. Das bekommen wir sehr gut hin.

Welche Kerndienstleistung ist Ihnen als Hotelier am wichtigsten, die die Marke Severin‘s prägt? Ich glaube, das wichtigste sind der persönliche Service und die Mitarbeiter, die im Hotel arbeiten. Ich habe immer gesagt: Ein schönes Hotel kann jeder bauen, wohlwissend, dass es nicht jeder kann. Letztendlich sind es aber die Menschen, die Persönlichkeiten, die die Leistung, die Dienstleistungen für unsere Gäste erbringen.

An ein 5-Sterne-Plus-Haus wie das Severin‘s werden höchste Ansprüche gestellt. Was sind die wichtigsten Gästewünsche?
Man stellt sich das so vor, dass die Wünsche der Gäste immer ausgefallener werden, je exklusiver ein Hotel ist. Das trifft nicht zu. Es sind meist ganz alltägliche Wünsche, wie etwa, dass im Zimmer etwas umgestellt werden soll. Wir haben in der Hauptsaison tatsächlich die höchsten Raten auf der Insel und trotzdem sehr entspannte Gäste und nur ganz wenig Reklamationen. Wir bereiten uns so gut wie es geht auf unsere Gäste vor und versuchen, ihre Wünsche und Vorlieben bereits im Vorfeld zu erfragen. damit wir ihnen von Anfang an bestmöglichen Service bieten können. Und ich freue mich natürlich sehr, wenn ich auf der Anreiseliste Gäste sehe, die schon zehn Mal bei uns waren. Aber genauso freue ich mich, wenn ein Gast zum ersten Mal bei uns eincheckt. Denn das heißt ja, wir erreichen auch ein neues Publikum und haben die Möglichkeit, dies zu Stammgäste zu machen.

Welche persönliche Eigenschaft von Ihnen ist als Hoteldirektor eines Luxushauses am allerwichtigsten? 
Man sollte Gastgeber-Qualitäten haben. Wenn ich keine Freude habe, auf Menschen zuzugehen – und das gilt für meine Mitarbeiter wie auch für mich – habe ich ein Problem in diesem Beruf. Man muss einfach Menschen mögen, gerade bei uns, denn wir haben vor allem privat reisende Gäste. Wir kümmern uns gerne um unsere Gäste.

Als Sie vor sieben Jahren das Severin‘s übernommen haben, haben Sie gesagt, Sie wollen bleiben, weil Sie ein Gefühl für die Insel hätten. Hat sich das eingelöst und was ist ein „Inselgefühl“?
Ich glaube immer noch, dass ich ein gutes Gefühl für die Insel habe und verstehe sie recht gut. Es ist halt auch einfacher geworden, weil ich durch meinen Beruf, durch mein privates Leben mit meiner Familie auf Sylt und durch mein Engagement bei Rotary inzwischen sehr Vieles und viele Menschen persönlich kenne. Sylt hat wirklich eine sehr hohe Lebensqualität, die viele, glaube ich, nicht zu 100 Prozent zu schätzen wissen.

Damals kamen Sie von außen, heute sind Sie Teil der Unternehmer-Community der Insel. Was zeichnet Sylt für Sie heute aus?
Ich versuche, mir den Blick von außen immer noch zu bewahren und sieben Jahre, die ich jetzt hier wohne, sind ja auch nicht so lang. Aber es stimmt: Ich habe vorher noch nie so lange an einem Ort gelebt – außer bis zum Abitur bei meinen Eltern in Würzburg.

Was wünschen Sie sich für Sylt?
Ich glaube, Sylt muss sich ein wenig verändern.

Was meinen Sie damit?
Wenn wir die Sylter Rundschau der vergangenen sieben Jahre nachlesen würden, würden wir feststellen, dass wir immer wieder um dieselben Themen kreisen: Ob der Autozug-Terminal am richtigen Platz steht, warum wir kein Parkhaus in der Westerländer Innenstadt haben, und wohin die Reise mit dem Tourismus geht. Selbst Peter Matthiessen, einer der Gründer des Vereins Sylter Unternehmer, sagt: Schon vor 20 Jahren haben wir über dieselben Themen gesprochen. Das ist natürlich leider doch etwas ernüchternd.

Woran liegt das?
An der Politik, die diese Themen nicht aufgreifen will und daran, dass Themen wie Tourismus aus dem Bauch heraus diskutiert werden. Es fängt schon damit an, dass wir überhaupt nicht wissen, wie viele Gäste wir auf der Insel haben, weil wir keine Datenbasis haben. Und solange wir das nicht haben, kann man nicht von „Overtourism“, von zu vielen Gästen auf Sylt sprechen, weil wir nichts wissen. Wir, die Insel, müssten viel moderner geführt werden. Ich glaube, eine Chance für die Insel wäre deutlich mehr Qualität im Tourismus und sich den aktuellen Herausforderungen, wie zum Beispiel nachhaltigen und verantwortungsvollen Tourismus anzunehmen.

Sie haben vorgeschlagen, die Hotelpreise zu erhöhen, damit gutes Personal besser bezahlt werden kann. Aber die Preise sind doch schon sportlich. Das günstigste Zimmer startet in der Nebensaison ab 360 Euro pro Nacht, in der Saison ab 590 Euro und eine Nacht in einer eigenen Villa kostet 3500 Euro. Ist da noch Luft nach oben?
Es geht mir hier nicht so sehr um die bereits anspruchsvollen, jedoch gerechtfertigten Preise auf der Insel, sondern vielmehr um das Preisniveau in der deutschen Hotellerie generell.

Aber wer soll sich das noch leisten können, wenn die Übernachtungspreise steigen? 
Mir ist wohl bewusst, dass Sylt schon eine sehr hochpreisige Destination ist und wir hier sehr gute Preise durchsetzen können. Mir geht es darum, dass die Preise in der deutschen Hotellerie insgesamt zu niedrig sind im europäischen und internationalen Vergleich. Nehmen Sie Rom, London oder Paris: Die Übernachtungskosten sind wesentlich höher. Der höchste entscheidendste Kostenfaktor in der Hotellerie sind nun einmal die Personalkosten – in einem Hotel wie in einem Restaurant. Und deswegen sollten sich die Hotelpreise insgesamt an die sich veränderten Rahmenbedingungen anpassen.

Haben Sie nicht die Sorge, dass Ihnen die Gäste weglaufen?
Wichtig ist: Wenn ich einen Preis erhöhe, muss die Qualität mindestens genauso hoch bleiben, eher noch besser werden. Oder ich muss das Angebot erweitern. Das ist uns zum Glück in den letzten Jahren gelungen.

Derzeit ist Sylt fast täglich mit den 9-Euro-Tickets und den Punks in den Schlagzeilen, die jetzt mal die „Insel der Schönen und Reichen“ belagern wollen. Wie sehen Sie das?
Dass Menschen in die Ecke urinieren und den ganzen Tag Alkohol trinken, ist nicht schön. Es ist vor allem nicht schön für die umliegenden Einzelhändler und Gastronomen, das ist keine Frage. Aber wir leben auch ein bisschen in einer Traumwelt, in einer Bubble, und wissen gar nicht mehr, was außerhalb unserer Insel los ist. Und vielleicht wissen wir auch nicht immer authentisch einzuschätzen, wie gut es uns geht. Wir sollten das immer wieder stärker verinnerlichen

Finden Sie die Vorgehensweise gegen die Punks angemessen? 
Ich meine, die Gemeinde und das Ordnungsamt hätten ein bisschen mehr geltendes Recht durchsetzen können. Noch einmal: Wenn die freundlich dasitzen und nichts tun, ist ja alles fein. Aber wenn sich jemand nicht benehmen kann oder gegen geltendes Recht verstößt, muss man das Recht auch durchsetzen.

Machen Sie sich Sorgen, wie es in den nächsten Wochen mit den Demos weitergeht? 
Das ist natürlich besorgniserregend, weil die Insel zu dieser Zeit sehr gut besucht und die Hotels und Appartements sehr gut gebucht sind. Das Thema wurde aber durch die Medien, auch durch Ihre Zeitung, hochgepusht.

Der existenzielle Fachkräftemangel, besonders in der Gastronomie, ist so nachhaltig, dass Öffnungszeiten reduziert werden müssen. Ist das auch für die Severin“s-Restaurants „Tipken“s“ und „Hoog“ vorstellbar?
Nicht wirklich. Das kann ich mir nur schwer vorstellen, weil unsere Gäste die Erwartung haben, dass sie die Restaurants während ihres Aufenthalts besuchen können. Wir haben seit Jahresanfang große Anstrengungen unternommen und sind jetzt personell wirklich gut aufgestellt.

Wie haben Sie das geschafft? 
Wir haben über verschiedene Kanäle auf uns aufmerksam gemacht, bieten einen ganzen Strauß von individuellen Benefits, von Vergünstigungen an und haben unser Gehaltssystem nach oben angepasst, weil wir wissen, dass in gewissen Jobs die Einstiegsgehälter nicht befriedigend sind. Außerdem haben wir eine Onboarding-Prämie für Mitarbeiter eingeführt.

Der Bundesfinanzminister Christian Lindner heiratet an diesem Wochenende auf Sylt und ist seit Jahren Stammgast in Ihrem Haus – auch zur Hochzeit: Hat sich seine Braut Franca Lehfeldt schon beim hauseigenen Friseur im Severin‘s einen Termin geben lassen?
Das weiß ich nicht, aber theoretisch könnte es sein.

Zusatzfrage: Wer von der Hochzeitsgesellschaft wohnt noch bei Ihnen? Der Bundeskanzler? 
Wir haben einige prominente Gäste, auch aus der Politik bei uns im Haus!

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