Klimawandel in Nordfriesland

Bundesweit erste Tankstelle in Niebüll: So funktioniert der Umstieg auf das Fahren mit Wasserstoff

So funktioniert der Umstieg auf das Fahren mit Wasserstoff

So funktioniert der Umstieg auf das Fahren mit Wasserstoff

SHZ
Niebüll
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Bundesweit erstmals konnte in Niebüll grüner Windstrom getankt werden. Damit fahren auch zwei Busse der Autokraft. Foto: Anja Werner/shz.de

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Die bundesweit erste Tankstelle, an der durch Windenergie erzeugter Wasserstoff getankt werden kann, öffnete vor fast sechs Monaten in Niebüll. Die Zahl der Nutzer steigt. Für 50 Euro kann man 600 Kilometer weit fahren.

Tanken mit durch Windkraft erzeugtem grünen Wasserstoff: Das war bundesweit nach der Eröffnung der Wasserstoff-Tankstelle im Gewerbegebiet Ost Ende August vorigen Jahres nur in Niebüll möglich. Kurze Zeit später ging dann auch eine Wasserstofftankstelle in Husum an den Start.

„Doch Niebüll ist mit Blick auf die angestrebte Energiewende durch diese Tankstelle bundesweit bekannt geworden. Wir haben und hatten viele Besuchergruppen hier und wurden auch bei internationalen Konferenzen als Modellprojekt genannt“, sagt André Steinau, Leiter der Business Unit Think Wasserstoff der Firma GP Joule mit Sitz in Reußenköge, auf Anfrage von shz.de.

Realisiert wurde die besondere Tankstelle nach fünf Jahren Planung im Rahmen des GP Joule-Projekts eFarming. Dieses wird mit 8,8 Millionen Euro gefördert, das Investitionsvolumen beträgt insgesamt rund 16 Millionen Euro.

Wie fällt die Bilanz von André Steinau nach knapp einem halben Jahr aus, wer tankt Wasserstoff in Niebüll? „Zwei Wasserstoffbusse der Autokraft, die für die Schülerbeförderung und den Linienverkehr eingesetzt sind, zehn von insgesamt 30 Autos, die bisher durch das Projekt eFarming zugelassen sind und auch einige Privatleute, die sich nach der Eröffnung der Tankstelle Pkw mit Brennstoffzellen angeschafft haben", zählt André Steinau auf.

Der Wasserstoff-Verantwortliche von GP Joule geht davon aus, dass die Flotte, die mit grünem Windstrom fährt, aber bald deutlich wachsen wird. Auch weil neue Modelle am Start seien. BMW wolle bis Ende des Jahres eine Wasserstoff-Variante des X5 auf den Markt bringen, bei Opel werde es in absehbarer Zeit einen Kleintransporter und bei Renault einen Sprinter mit diesen Emissionsfreien Antriebstechnik geben.

Zudem könnten auch Lkw in Niebüll und auch in Husum bereits mit Wasserstoff betankt werden. Dies sei derzeit bundesweit erst an neun Standorten möglich, zwei davon liegen in Nordfriesland. Auch eine Fahrschule hätte bereits Interesse bekundet.

Tankfüllung reicht für 600 Kilometer

Förderanträge gebe es auch für zehn weitere Busse. „Wir würden uns freuen über ein Taxi-Unternehmen. Diese Branche würde perfekt zu unserer Reichweite passen, selbst eine längere Fahrt nach Hamburg wäre kein Problem“, sagt André Steinau.

Wie läuft denn der Tankvorgang ab? „Genauso wie bei Autos mit Verbrenner-Motoren. Griff zur Zapfpistole, dann noch auf einen Knopf drücken und schon geht es los“, sagt der Experte. In vier Minuten würde eine Reichweite von rund 600 Kilometern getankt. Durch automatisierte Zahlungssysteme sei die Tankstelle an sieben Tagen die Woche 24 Stunden lang geöffnet.

Bei den Kosten für eine Tankfüllung habe der Wasserstoff in den meisten Fällen einen Vorsprung gegenüber Diesel oder Super erreicht – die 600 Kilometer bekommt man für knapp 50 Euro. An sich könnte heute also jeder ein Wasserstoff-Auto fahren und so einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten? „Ganz klar ja, bereits jetzt gibt es bundesweit 91 Tankmöglichkeiten. Ich lege mit meinem Wagen regelmäßig auch lange Strecken zurück", sagt André Steinau.

Car-Sharing für Wasserstoff-Autos

Ob Firmen oder Privatleute – jeder könne vor allem in Nordfriesland bereits jetzt auf Wasserstoff umstellen, betont der Experte. Kapazitäten seien in ausreichendem Maß vorhanden. Die Menge, die in Niebüll schon jetzt an einem Tag vertankt werden könnte, fließt derzeit innerhalb eines ganzes Monats in Fahrzeuge mit Brennstoffzellen.

Um den Einstieg in die innovative Antriebstechnik zu erleichtern, soll am Standort Niebüll im Laufe des Sommerhalbjahres ein Car-Sharing-Angebot für Wasserstoff-Autos eingerichtet werden. Um für die neue Antriebstechnik zu werben, sind in diesem Jahr mehrere Aktionstage geplant, auch auf dem Marktplatz in Niebüll.

Niebüll sei auch deshalb das perfekte Beispiel für eine Sero-Emmissions-Tankstelle, weil es dort auch die beiden leistungsstärksten Grünstromladesäulen für E-Autos in Nordfriesland gibt. „Die werden gut genutzt, auch von Urlaubern auf dem Weg nach oder von Sylt", sagt André Steinau.

Erstmals eine komplette grüne Wertschöpfungskette

Wie kommt der Wasserstoff zur Tankstelle im Ostring? Durch – mit Blick auf die Mobilität – die bundesweit erste komplett mit grünem Wasserstoff aufgebaute Wertschöpfungskette. Regional erzeugte Windenergie wird durch das Verfahren der Elektrolyse in Bosbüll zu Wasserstoff veredelt.

Dieser wird in mobile Speichercontainer abgefüllt und per Lkw zur Tankstelle in Niebüll transportiert. Dort wird der Wasserstoff nochmals höher verdichtet, danach können Pkw, Lkw und Busse betankt werden. Durch das Projekt eFarm könnten schon heute 1.200.000 Liter Diesel pro Jahr ersetzt werden.

Und es sollen bald noch mehr werden, auch durch zwei weitere Wasserstoff-Tankstellen in Nordfriesland in Langenhorn und in Westerland auf Sylt. „Die Förderanträge dafür haben wir gerade Ende Januar gestellt", sagt André Steinau.

Durch das rasante Wachstum wird das Projekt eFarm auch zur Job-Maschine. Vor ein paar Monaten arbeiteten dafür noch 22 Menschen, derzeit bereits 36, bis Ende des Jahres sollen es gerne 60 sein.

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