Landtagswahl 2022

Aus der „Herzkammer“ der dänischen Minderheit: Christian Dirschauer will Familien stärken

Christian Dirschauer will Familie

Christian Dirschauer will Familien stärken

SHZ
Flensburg
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Zweite Stimme für den SSW: Man habe sich bewusst für diese Kampagne entschieden, sagt Christian Dirschauer. In seinem Flensburg möchte er aber schon auch gern ein Kreuz bei der Erststimme... Foto: Michael Staudt / SHZ

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Der dreifache Familienvater und pflegende Angehörige denkt sozial und sieht Vorbilder im skandinavischen Wohlfahrtsstaat. Auch für die Gesundung der Flensburger Förde will er sich weiterhin einsetzen.

Sie kommen wie gerufen: Bevor Christian Dirschauer sein Wahlkreisbüro in der Norderstraße 78 betritt, grüßt ihn ein älteres Paar nebenan auf Dänisch und hält einen Smalltalk mit dem Landtagsabgeordneten des SSW.

Wie in einem Drehbuch einer Fernseh-Doku aus der Nachbarschaft guckt im Laufe des Gesprächs ein Herr vorbei, der um ein Wahlprogramm bittet. Kaffee und Kuchen kommen vom Lykke Café von gegenüber und werden manchmal sogar persönlich gebracht.

Später winkt der SSF-Generalsekretär freundlich durch die Scheibe und steckt der Geschäftsführer des SSW im Landtag seinen Kopf durch die Tür. Und schließlich nimmt ein Rentner Platz, der im Wahlkampf helfen möchte.

Die Norderstraße: „Herzkammer“ der dänischen Minderheit

So geht es zu im Wahlkreisbüro in der Norderstraße. Christian Dirschauer hat sich die Arbeit hier in der „Herzkammer“ der dänischen Minderheit, wie er sagt, genau so gewünscht. Offene Türen, kurze Wege, Kommunikation.

An der Norderstraße mag er den Charme, die Mischung, die Vielfalt, die Kultur und Cafés. Dass hier das Herz der Minderheit pulsiert, kann er leicht belegen: vom Aktivitetshuset über Flensborghus mit Sydslesvigsk Forening (SSF) bis hin zur Dänischen Zentralbibliothek. Der 40-Jährige spricht von einem Gefühl von Zuhause und nennt das Viertel „unseren dänischen Kiez“.

Vom Personalrat zum Personalleiter bei der Stadt Flensburg

Dabei hätte er sich vor fünf Jahren noch in der Roten Straße fotografieren lassen, verrät der Flensburger. Aber 2017 war er noch im Rathaus beschäftigt und schon seit Jahren freigestellter Personalrat der Stadt Flensburg. 2018 wechselte der Diplom-Verwaltungswirt die Seiten und wurde Chef der Personalabteilung.


Im August 2020 rückte Christian Dirschauer für Flemming Meyer in den Kieler Landtag nach. „Ich hab's nicht bereut“, sagt er. Er sei oft danach gefragt worden. Doch der Wechsel von einem, „der Gesetze ausführt, zu jemandem, der Gesetze macht“, den betrachtet der SSW-Mann als Riesenchance.

Seit einem Vierteljahrhundert ist der 40-Jährige Mitglied in der Partei. Im Herbst 2021 wurde er zum Vorsitzenden des SSW gewählt.

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Als Neuling im Landtag habe er sich zwar erstmal durch zahllose Akten wühlen müssen, doch kann Dirschauer schon erste Erfolge melden.

Stolz berichtet er vom SSW-Antrag, der dazu führte, dass der Flensburger Verein Lichtblick dauerhaft mit 110.000 Euro jährlich unterstützt wird. Der Verein zur Suizidprävention in der Norderstraße setzt einen Schwerpunkt auf das Beratungsangebot für betroffene Kinder und Jugendliche.

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Das Soziale ist Dirschauer und seinem SSW ein Anliegen. Seine Knirpse sind vier, fünf und sieben Jahre alt. Außerdem sei er pflegender Angehöriger, erklärt der Familienvater, der seinen Vater und die hochbetagte Großmutter betreut.

Wenn Bürgernähe nicht so ein abgegriffenes Wort wäre – hier liegt sie auf der Hand: Dirschauers Familienkontext und das damit zusammenhängende Netzwerk lassen ihn bei vielen Themen aus erster Hand reden und handeln. „Ich stehe mitten im Leben“, so verortet er sich selbst.

Er beobachtet eine zunehmende psychische Belastung vieler Menschen in dieser Zeit, nicht nur im Fahrwasser einer Pandemie, aber auch. Das lässt den Landespolitiker für eine Stärkung von Kindern und Jugendlichen und ihrer Familien plädieren, etwa durch ein Erholungsprogramm.


Ein weiteres großes Thema für ihn ist die Pflege. Seit vielen Jahren herrsche Pflegenotstand, stellt er fest. „Und der größte Pflegedienst wird oft nicht gesehen: Das sind die pflegenden Angehörigen.“ Auch sie bedürften dringend der Entlastung, beispielsweise durch mehr Kurzzeit-Pflege und Lohnersatzleistungen.

Wenn Familienmitglieder ihre Arbeitszeit für die Pflege reduzieren, sei auch die Gefahr der Armut nicht mehr fern. Es gebe verschiedene Maßnahmen, über die man hier nachdenken könnte. „Man kann viel von skandinavischen Ländern lernen“, sagt das Mitglied der dänischen Minderheit, dessen „Ururgroßeltern 1920 schon dänisch gestimmt haben“. Ihm liegen besonders benachteiligte Gruppen am Herzen, die regelmäßig übersehen würden, wie zum Beispiel Rentner beim Energiepaket.

Dass der SSW als Anwalt des Landesteils wichtig bleibe, könne man an der Ansiedlungsstrategie sehen. Keine einzige Maßnahme berücksichtige den Landesteil Schleswig, beklagt der Landespolitiker.

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„Generationenaufgabe“: Sanierung der Förde

„Für Flensburg wünsche ich mir, dass das Thema Förde angegangen wird“, ergänzt Christian Dirschauer. Überdüngte Äcker, Plastikmüll und Munitionsreste sowie die Muschelfischerei (nur noch auf dänischer Seite) schadeten Muschelbänken und Seegraswiesen, weiß der 40-Jährige. Er hat im Landtag unter anderem einen Bericht auf den Weg gebracht. Dirschauer strebt ein grenzüberschreitendes Programm zur Sanierung der Förde an und ahnt: „Das ist eine Generationenaufgabe.“

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Als Teil einer nur dreiköpfigen Landtagsgruppe muss man sich zwangsläufig breit aufstellen, erklärt der Politiker und betont: „Ich möchte gern weitermachen.“ Angesichts der Umfragen ist er zuversichtlich und hat auf Listenplatz 3 gute Chancen. Auch wenn die Kampagne des SSW auf die Zweitstimmen setzt, so wünscht sich der Flensburger in seiner Stadt natürlich auch die Erststimme.

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