Kriminalgeschichte

Arwed Imiela: Der Blaubart von Fehmarn

Arwed Imiela: Der Blaubart von Fehmarn

Arwed Imiela: Der Blaubart von Fehmarn

Eckard Gehm/shz.de
Fehmarn
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Der Prozess vor dem Lübecker Landgericht: Arwed Imiela scherzt mit seinen Verteidigern, Uwe Becher und Karin Pohl-Laukamp.  Foto: dpa/shz.de

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Er war ein Mann, den die Frauen liebten – weltgewandt, charismatisch und charmant. Als „Blaubart von Fehmarn“ ist Arwed Imiela in die deutsche Kriminalgeschichte eingegangen. Vier Frauen, die der Astrologe in seinen Bann schlagen konnte, ermordete er – um von ihrem Geld zu leben.

An einem frostigen Tag im Dezember 1969 hebt Hans Grunst auf der Ostsee-Insel Fehmarn eine Ludergrube aus. 100 Mark bekommt der Tankwart dafür vom Pächter des Jagdreviers, Arwed Imiela. Mit einer Ludergrube locken Jäger Wild an, und Imiela erklärt, er wolle Nerzkadaver auslegen, um Füchse zu fangen. Doch in Wirklichkeit war die  Grube nie dafür gedacht. Vier Monate später stehen Ermittler der Kripo vor dem Erdloch im Morast. Sie haben zwei Frauenleichen freigelegt: Zwei Rümpfe, ohne Köpfe, Arme und Hände, nur ein Paar Füße wird gefunden. Es sind die sterblichen Überreste von Urte Evels (19) und deren Mutter Ilse (47).

Imiela machte bundesweit Schlagzeilen – als Blaubart von Fehmarn

Arwed Imiela, damals 40 Jahre alt, sitzt zu dieser Zeit in Lübeck in Haft. Mit gefälschten Unterschriften hatte er versucht, das Vermögen von Ilse Evels auf sein Konto zu übertragen. Doch die Sparkasse hatte sich quer gestellt und Anzeige erstattet. Mit dem Fund der Leichen geht es für Imiela nun nicht mehr länger allein um versuchten Betrug, sondern um Mord. Und schnell wird klar, dass bereits 1968 zwei Frauen verschwunden sind, die zu ihm auf die Insel gezogen waren. Arwed Imiela macht bundesweit Schlagzeilen, die Zeitungen nennen ihn den „Blaubart von Fehmarn“ – so wie der König aus dem Märchen, der seine Frauen getötet hat.

Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen vierfachen Mordes

Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen vierfachen Mordes. Es kommt zu einem der spektakulärsten Mammutprozesse der 1970er Jahre mit 52 Verhandlungstagen, 250 Zeugen werden gehört,  20 Sachverständige legen Gutachten vor. Es ist ein reiner Indizienprozess, zudem fehlt von den beiden mutmaßlichen Mordopfern aus dem Jahr 1968 jede Spur.

Wie konnten dem Blaubart von Fehmarn vier Frauen, jeweils Mutter und Tochter, zum Opfer fallen? Arwed Erich Imiela, so sein vollständiger Name, am 7. Oktober 1929 unweit von Köslin in Westpommern geboren, hatte eine schwere Kindheit. Als er sechs Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden. Obwohl seine Lehrer es empfahlen, durfte er nach der Volksschule er nicht aufs Gymnasium. Der Stiefvater misshandelte ihn, in Berlin, wo der leibliche Vater lebte, begann Imiela schließlich eine Ausbildung bei der Stadtverwaltung.

Mit Schwarzmarkt-Papieren baute Imiela sich eine neue Existenz auf

In den Nachkriegsjahren besuchte er seine Tante, die noch in Köslin lebte. Imiela wurde von Polen aufgegriffen und in ein Arbeitslager gesteckt, aus dem er nach einem Jahr fliehen konnte. Alle Versuche, danach seine Verwaltungslehre fortzusetzen, scheiterten. Kriegsversehrte hatten nun Vorrang. Imiela versuchte sich erfolglos als Schriftsteller und begann, auf dem Düsseldorfer Schwarzmarkt zu handeln, wo er sich, gerade einmal 17 Jahre alt, mit falschen Schwarzmarktpapieren eine neue Existenz aufbaute. Er hieß nun Detlev-Klaus Holm-Menhardt, war nicht 1929, sondern 1921 geboren, hatte Abitur und war angeblich bereits Junglehrer.

Bis 1952 ging das gut, Imiela hatte sogar zweimal unter falschem Namen geheiratet. Doch dann wurde er verhaftet – wegen fortgesetzten Betruges. Sein Schwindel mit der Schwarzmarkt-Identität flog auf, er wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Im Gefängnis entdeckte Imiela die Astrologie und wurde zum Frauenflüsterer

Im Knast entdecke Imiela sein Faible für die Astrologie und legte den Grundstein für seine spätere Karriere als „Frauenflüsterer“. Er absolvierte die Prüfung des Deutschen Astrologen-Verbands und durfte sich fortan „Diplom-Astrologe“ nennen. Nach seiner Entlassung erstellte er mit Hilfe einer Lochkartenmaschine Massenhoroskope, von deren Verkauf er gut leben konnte. Es war der Wendepunkt seines Lebens: Nach 17 Jahren Ehe ließ sich Imiela von seiner zweiten Frau scheiden, mit der er in Niedermarsberg im Sauerland gelebt hatte, und wurde zu vierfachen Mörder.

Für seine Horoskope, die überwiegend Frauen auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens anforderten, mussten sie ihm umfangreiche Auskünfte geben. So wusste er, wo Geld zu holen war. Er traf sich mit Annemarie Schröder (47), Frau eines Frankfurter Kaufmanns, die nach ihrer Scheidung sehr wohlhabend war und in einer Villa in Langen bei Frankfurt lebte. Dort zog der Astrologe 1968 ein. Als ein Lebensberater – auch in Vermögens- und Anlagefragen.

„Bist du für Herrn Imiela noch interessant, wenn kein Geld mehr da ist?“

Bald darauf verkaufte Annemarie Schröder die Villa und zog zu Imiela nach Fehmarn, der dort im Dörfchen Marienleuchte einen Bungalow und eine Jagdpacht gemietet hatte. „Er ist ein toller Mann. Ich bin ihm völlig erlegen“, soll sie zu ihrem Frauenarzt gesagt haben. Auch Mutter Anna-Maria Kieferle  (75) gab ihr Haus in Geislingen auf und folgte der Tochter auf die Ostsee-Insel.

Die Mutter aber misstraute dem Astrologen, der von ihr 106.000 Mark verlangte, angeblich um ihr auf Fehmarn ein schönes Haus zu bauen. Als die Tochter Ende 1968 zur Kur in Österreich war, schrieb die Mutter ihr einen Brief, den sie aber nicht abschickte, sondern unter der Matratze des Bettes versteckte. Sie warnte Annemarie: „Bist du für Herrn Imiela noch interessant, wenn kein Geld mehr da ist?“ Ihre Klarheit auf die Sicht der Dinge dürfte ihr Todesurteil gewesen sein.

Für die Leichen bestellte er Heiligabend eine große Tiefkühltruhe

Mutter Anna-Maria Kieferle wurde zuletzt im Dezember 1968 gesehen, ist seitdem spurlos verschwunden. Was und wie es passiert ist, konnte nie geklärt werden. Fakt ist: Imiela hatte es kurz vor Weihnachten sehr eilig mit einer großen Tiefkühltruhe. Noch Heiligabend bestellte er sie bei der Burger Elektrofirma Überall, wenige Stunden später wurde sie geliefert. In einem Interview sagte Emmi Überall: „Er hatte angeblich so viele Hasen geschossen.“

Ein Kaffetrinken am 1. Weihnachtsfeiertag, zu dem Imiela sich mit den beiden Frauen bei der Familie von Tankwart Hans Grunst angekündigt hatte, sagte er ab, weil die Damen Heiligabend überraschend abgereist seien. „Wir haben sie nie wieder gesehen“, erinnert sich Ingrid Grunst.

Warf Imiela die zerteilten Leichen von der Fehmarnsundbrücke?

Annemarie Schröder aber war von der Kur nach Fehmarn zurückgekehrt. Wie Imeila ihr die Abwesenheit der Mutter erklärte, ist unklar. Sie hat noch einige Zeit gelebt, mit Imiela sogar noch ein Jägerfest besucht. Die Kripo geht aber davon aus, dass auch die Tochter in dem Bungalow ermordet und wie ihre Mutter von Imiela für einen leichteren Abtransport zerteilt wurde. Die Leichenteile dürfte er dann zunächst in der Tiefkühltrue eingefroren und später irgendwo auf der Insel verscharrt oder im Meer versenkt haben. Die Polizei ermittelte Zeugen, die gesehen hatten, wie er in der „tatkritischen Zeit“ mit seinem Auto auf der Fehmarnsundbrücke hielt und etwas herunterwarf.

Kurz nach den beiden Morden kündigte Imiela den Mietvertrag für den Bungalow und versuchte, alle Hinweise auf die Existenz der beiden Frauen zu vernichten, als deren Generalbevollmächtigter in Geldfragen er sich nun ausgab. Imiela machte ein Feuer unweit des Bungalows, in dessen Asche Polizisten später die Metallecken von Koffern fanden, dazu Stäbe eines Korsetts. Die große Tiefkühltruhe und den Horoskop-Automaten transportierte eine Hamburger Spedition ab.

Bei der zweiten Begegnung fragte er: Wollen Sie meine Frau werden?

In einem Hochhaus in Reinbek bei Hamburg mietete Arwed Imeila eine neue Wohnung – mit acht Zimmern und mehreren Balkonen. Noch während er sich einrichtete, lernte er Ulrike Roland (24) kennen, die ein Gast mitgebracht hatte, nachdem Imiela zum Hasenessen geladen hatte. Ulrike Roland war beeindruckt von dem Diplom-Astrologen, von seiner stattlichen Erscheinung und vor allem von seiner zurückhaltenden, höflichen Art. Es irritierte sie auch nicht, als Imiela sie bereits bei der zweiten Begegnung fragte, ob sie ihn heiraten wolle. Jahre später schilderte Ulrike Roland die Situation so: „Er frage ganz unvermittelt: Sagen Sie mal, können Sie sich eigentlich vorstellen, meine Frau zu werden. Ich habe ganz spontan Ja gesagt.“ Die Verlobung wurde offiziell am 24. Februar 1969 gefeiert.

Ulrike Roland zog in die Hochhauswohnung, in der Imiela ein Portrait der ermordeten Annemarie Schröder aufgehängt hatte. Imiela erklärte, das Gemälde zeige seine bei einem Autounfall tödlich verunglückte Verlobte „Angélique“. In den Schränken der Hochhauswohnung entdeckte Ulrike Roland etliche Kleider der Dahingeschiedenen und trugt auch einige davon.

Tante und Cousine seiner Verlobten als neue Opfer im Visier

Schnell hatte Imiela das Vermögen seiner beiden ersten Mordopfer fast vollständig ausgegeben. Da passte es, dass er über seine Verlobte Ulrike deren Tante und Cousine aus Celle kennenlernte. Tante llse Evels war wohlhabend, weil sie nach dem Unfalltod ihres Mannes Zahlungen von Versicherungen erhalten hatte. Arwed Imiela witterte Geld und besuchte Ilse und Urte Evels fortan regelmäßig, ohne dass seine Verlobte davon wusste. Mutter und Tochter erlagen beide schnell dem Charme des Astrologen und Urte begann, für Imiela zu schwärmen. Der bot dem erst 19 Jahre alten Mädchen die Verlobung an, sprach von Hochzeit.

Mutter Ilse Evels riet er, ihr Reihenhaus in Celle zu verkaufen und das Geld gewinnbringend anzulegen. Ilse Evels stellte Imiela eine Generalvollmacht aus und ließ ihn künftig ihre Geldangelegenheiten regeln. Um zu verhindern, dass seine Verlobte weiter Kontakt zu Tante und Cousine hielt, behauptete er, von Ilse Evels erfahren zu haben, dass Ulrike mehrere Liebschaften unterhalte und zweifelte ihre Moral an.

„Da hat Imiela ganz bewusst einen Keil zwischen uns getrieben“, sagte Ulrike Roland später. Der Kontakt sei abgebrochen. „Er hat es dann ganz geschickt gemacht und gesagt, ob es nicht ganz gut wäre, wenn wir uns vielleicht für kurze Zeit trennen, er hätte sowieso geschäftlich etwas vor.“

Für die Morde musste die Verlobte ausziehen

Ulrike Roland stimmte widerstrebend zu, musste im Herbst 1969 alles zusammenpacken, was ihr in der Hochhauswohnung in Reinbek gehörte, und wieder zu ihren Eltern ziehen. Ilse Evels hatte unterdessen ihr Reihenhaus verkauft, um mit der Tochter bei ihrem künftigen Schwiegersohn in Reinbek zu leben. Nachbarn erzählte Ilse Evels, man würde nach der Hochzeit auf Weltreise gehen. Imiela ließ das Reihenhaus leerräumen und verbrannte, angeblich im Auftrag von Mutter und Tochter, persönliche Dinge wie Bilderalben im Garten.

Ilse und Urte Evels wurden nach ihrem Umzug nie wieder lebend gesehen. Die Kripo geht davon aus, dass Imiela beide in der Hochhauswohnung in Reinbek getötet und dann nach Fehmarn gebracht hat. Nach vier Wochen erklärte Imiela Ulrike Roland, die Trennung auf Probe sei beendet. In die Hochhauswohnung in Reinbek zurückgekehrt, entdeckte sie einiges, was nach ihrer Überzeugung der Tante gehörte, einen Barschrank beispielsweise. Imiela, der behauptete, er sei nun der Vermögensverwalter von Ilse Evels, erklärte, er habe der Tante die Sachen abgekauft, da diese mit ihrer Tochter zu einer Weltreise aufgebrochen sei.

Kripo-Beamte verhinderten die Flucht nach Südamerika

Um das Effektendepot von Ilse Evels im Wert von 150.000 auf sein Konto zu übertragen, schrieb Imiela im Namen von Ilse Evels die Sparkasse Celle an. Doch die stellte sich quer, forderte, Ilse Evels möge bitte persönlich erscheinen. Imiela schaltete einen Anwalt ein, die Bank erstattete Anzeige bei der Polizei.

Im April 1970 standen Kripo-Beamte aus Celle vor dem Hochhaus in Reinbek. Die Beamten durchsuchten Imielas Wohnung und als sie wieder abrückten, stand der Astrologe mit seiner Verlobten plötzlich vor ihnen. „Wir wollten eigentlich nur Wäsche tauschen und dann weiter nach Schweden“, erzählte Ulrike Roland es später. Tatsächlich hatte Imiela wohl seine Flucht geplant, in seinem Wagen entdeckten die Kripo-Beamten Tickets, von Stockholm aus sollte es nach Südamerika gehen. Hätten die Beamten das Hochhaus nur zehn Minuten früher verlassen, Imiela wäre ihnen entwischt.

Tankwart führte die Ermittler zu der Ludergrube mit den Leichen

So klickten die Handschellen. Anfangs wurde gegen Imiela nur wegen Betrugsverdachts ermittelt. Auf der Suche nach Beweisen, stießen die Beamten im Handschuhfach seines Autos auf eine Kleiderbürste mit dem Reklame-Aufdruck einer Aral-Tankstelle auf Fehmarn. Für weitere Ermittlungen fuhren die Polizisten auf die Ostsee-Insel, trafen dort Tankwart Hans Grunst. Der erzählte ihnen, dass der „Millionär“ jeden Freitag auf die Insel komme, in schicken Sportwagen und immer in Frauenbegleitung. Während er das Auto betankte, habe seine Frau Imiela mit Kaffee und Mettwurstbrötchen versorgt. Am Ende des Gespräches erzählte Grunst den Beamten von der Ludergrube, die er für Imiela ausgehoben hatte – und zeigte sie ihnen.

„An diesen Händen klebt kein Tropfen Blut, so wahr ich Arwed Imiela heiße“

Nur zwei Spatenstiche tief entdeckten die Ermittler die sterblichen Überreste von Urte und Ilse Evels. Im Oktober 1972 begann der Prozess vor dem Landgericht Lübeck, acht Monate später, am 24. Mai 1973 fiel das Urteil: Lebenslänglich wegen Mordes aus Habgier. Imiela bestritt alle Vorwürfe. „An diesen Händen klebt kein Tropfen Blut, so wahr ich Arwed Imiela heiße“, rief er im Gerichtssaal.

Mit gefälschten Briefen versuchte Imiela, aus der Haft freizukommen

Imiela wurde in die Justizvollzugsanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel gebracht. Bis zuletzt versuchte er immer wieder freizukommen. So schrieb er einen Brief, der von Annemarie Schröder stammen sollte. Ihr tue es leid, heißt es darin, Arwed Imiela im Gefängnis zu wissen, wo sie doch gar nicht umgebracht worden sein, sondern im Ausland lebe. Eine Frau, die Imiela im Gefängnis besuchte, hatte den Brief aus der JVA geschmuggelt und in England eingeworfen. 

Imiela starb im Gefängnis an Herzversagen

Imiela kam nie wieder auf freien Fuß. Am 3. Juni 1982 starb er in der JVA Hamburg-Fuhlsbüttel an Herzversagen und wurde anonym auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt. Bis zuletzt legte er kein Geständnis ab. Seine Verlobte Ulrike Roland ist 2021 im Alter von 75 Jahren verstorben. Auch auf ihre Ermordung hatte er sich offenbar vorbereitet. Darauf deuten Unterlagen hin, die Imiela zusammengetragen hatte und die Indizien und Motive für einen Selbstmord geliefert hätten.

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