Statt 30-Millionen-Euro Maßnahme

Altlastsanierung Wikingeck: Keine Chance für günstige Alternative?

Altlastsanierung Wikingeck: Keine Chance für günstige Alternative?

Altlastsanierung: Keine Chance für günstige Alternative?

SHZ
Schleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Die rote Halle im Schatten des Wikingturms soll nach den Plänen der Sanierer abgerissen werden - auf Kosten der Eigentümer. Foto: Joachim Pohl / SHZ

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Anlieger des Wikingecks machen sich stark für eine Alternative bei der Beseitigung der Altlast im Boden. Sie sei sofort umsetzbar, billiger und belaste die Bewohner weniger. Doch der Kreis lehnt das ab.

Es wird noch lange dauern, bis die Sanierung des seit Jahrzehnten verunreinigten Bodens unter dem Wikingeck beginnt. Knapp 30 Millionen Euro sind für die Beseitigung des mit diversen Giftstoffen belasteten Materials veranschlagt. Doch die Sanierung wirft ihre Schatten voraus: So spürt die Firma Renz, die dort eine Halle besitzt und diese vermietet, schon jetzt die finanziellen Folgen – weil Mieter sich rechtzeitig um Alternativen bemühen und kündigen. Die Halle muss abgerissen werden, damit der darunter liegende Boden ausgekoffert und abtransportiert werden kann.


Dabei gäbe es eine Alternative, die deutlich kostengünstiger ist und keinen Abriss von Häusern erfordert. Das jedenfalls behaupten betroffene Anlieger und Vertreter der Firma Geobality aus Hamburg. Deren Generalbevollmächtigter Kurt Maass hat Anfang September in einem Schreiben an Landrat Wolfgang Buschmann erläutert, wie das so genannte In-Situ-Verfahren funktioniert. In situ bedeutet vor Ort, und das ist auch schon die Quintessenz dieser Alternative: Anstatt das belastete Erdreich auszukoffern, zu sichern, abzutransportieren, gegebenenfalls zwischenzulagern und am Ende entweder zu verbrennen oder auf einer Sondermülldeponie zu lagern, wird das Gift vor Ort beseitigt.


Dies geschieht durch die Behandlung des Bodens mit Mikroorganismen und Mineralien wie Bentonit, Aktivkohle, Zeolithe oder Ton. Geobality habe bereits einen Laborversuch mit Material vom Wikingeck vorgenommen. Dabei sei die Belastung von 8200 Milligramm Giftstoffen (PAK, Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) pro Kilo Material binnen einer Woche auf Werte von 880 bis höchstens 1780 Milligramm zurückgegangen.

Geobality schlägt vor, die Mikroorganismen mit einer speziellen Technik der Firma Sensatec (TSE-Technologie) in den Boden einzubringen. Dabei wird eine dickflüssige Mischung mit sehr hohem Druck in den Boden gepresst und dort verteilt, und das an vielen Stellen. Maass führt in seinem Schreiben an, dass dieses Verfahren bereits erfolgreich bei der Sanierung von Kokerei- und Gaswerk-Standorten zum Beispiel in Duisburg, Senftenberg, Rinteln und Stockach angewendet wurde.


Für das Ehepaar Renz, das die große Halle auf der Wiking-Halbinsel betreibt, wäre das In-Situ-Verfahren eine große Erleichterung. Im Wissen um das Gift im Untergrund haben Claudia und Norbert Renz die Halle 1995 nicht mit einer massiven Sohle aus Beton, sondern mit einem Ringfundament und einem gepflasterten Boden errichtet, den man aufnehmen kann. Gemeinsam mit Geobality schlagen sie nun vor, auf ihrem Grundstück einen Feldversuch mit dem In-situ-Verfahren zu machen – auf eigene Kosten.

Weiterlesen: Wikingeck in Schleswig: Kreis schreibt Sanierung aus, Beginn erst 2023

Den Abriss der Halle wollen sie möglichst vermeiden. Aus gutem Grund: Vor dem Bau der Halle hat Norbert Renz eine Erklärung unterschrieben, in der er seine Bereitschaft bekundet, die Halle auf eigene Kosten zu demontieren, wenn dies für die Sanierung des Untergrunds erforderlich sein sollte. Aus Sicht des Kreises Schleswig-Flensburg, der die Sanierung verantwortet, ist dies jetzt der Fall. Aus Sicht Renz' nicht, so lange man nicht versucht hat, eine andere, die Anlieger weniger stark belastende Sanierungsmethode anzuwenden. „Es wäre Wahnsinn, die kostenfreie Möglichkeit eines Testfeldes auszuschlagen“, sagt Claudia Renz.


Zudem hatte Renz 1995 den alten kontaminierten Bootsschuppen, ein Überbleibsel der alten Teerpappenfabrik Erichsen & Menge, auf eigene Kosten abgebaut und als Sondermüll entsorgt. Seit die Sanierungspläne konkret sind, schläft das Ehepaar nicht mehr gut. „Unsere Existenz ist bedroht“, befürchtet Claudia Renz, „unsere Altersversorgung sind die Mieteinnahmen aus Halle und Bootssteg.“ Erste Mieter haben zu Ende des Jahres gekündigt, der Hauptmieter zum Sommer 2022.

Ehepaar Renz muss die Halle auf eigene Kosten demontieren

Die finanziellen Regelungen sind nicht zum Vorteil der Eheleute Renz. Sie müssen die Halle auf eigene Kosten demontieren, können versuchen, sie an einen Selbstabholer zu verkaufen. Eine Entschädigung ist nicht vorgesehen. Zudem werden sie an den Kosten der Sanierung beteiligt – „in Höhe des Wertzuwachses des Grundstücks durch die Sanierung“, so Renz. Einfach gesagt: Sie haben am Ende der Sanierung ein sauberes Grundstück und Schulden in Höhe des Grundstückswertes, der jetzt aufgrund der Belastung auf 0 geschätzt wird. Ob sie mit diesen finanziellen Rahmendaten in einigen Jahren einen Kredit bekommen, um eine neue Halle oder etwas anderes zu errichten, wissen Claudia und Norbert Renz nicht.


Der Kreis lehnt das vorgeschlagene In-situ-Verfahren ab, weil es aus seiner Sicht nicht zielführend und Erfolg versprechend sei. „Ein vollständiger Abbau der vorhandenen Kontaminationen ist nicht möglich“, so Thorsten Roos, Leiter des Umweltamtes des Kreises. Eine In-Situ-Sanierung sei bereits vor Aufstellung des Sanierungsplans geprüft und von zwei Gutachtern 2007 und 2019 als unrealistisch eingestuft worden. Roos weiter: Seitens der unteren (Kreis Schleswig-Flensburg) und oberen Bodenschutzbehörde (Land Schleswig-Holstein, Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume) werde dieses Verfahren für diesen Standort als nicht geeignet bewertet. „Daher ist auch der vorgeschlagene Feldversuch keine Option, zumal ein solcher Versuch sich über einen sehr langen Zeitraum hinziehen würde, um überhaupt verwertbare Ergebnisse liefern zu können.“

Zur Begründung verweist Roos auf die Dekontamination im Untergrund mit „sehr komplexen Schadstoff-Zusammensetzungen und hohen Schadstoffbelastungen in Verbindung mit heterogenen Untergrundverhältnissen und den in diversen Aggregatzuständen (Teeröl in Phase, zähflüssiges Teer, Pechbruchstücke, großflächige zusammenhängende feste Pechschichten) vorhandenen Teerrückständen.“

Allerdings steht noch ein weiteres Gutachten eines unabhängigen Ingenieurbüros aus, das auch alle aktuellen Technologien miteinbeziehen werde.

Mehr lesen

EU

EU überarbeitet Schengener Grenzkodex: Enttäuschung im Grenzland

Apenrade/Aabenraa Künftig soll bei der Einführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter anderem die Verhältnismäßigkeit geprüft werden, doch dafür dürfen Grenzkontrollen in Zukunft von den Staaten im Schengenraum noch länger aufrechterhalten werden. Die Parteisekretärin der Schleswigschen Partei, Ruth Candussi, und die Grenzlandpolitiker Rasmus Andresen und Stefan Seidler sind deshalb enttäuscht von dem Beschluss.