Politik

Die AfD kandidiert überall in Schleswig-Holstein – außer in Flensburg

Die AfD kandidiert überall in SH – außer in Flensburg

Die AfD kandidiert überall in SH – außer in Flensburg

Ove Jensen/SHZ
Flensburg/Flensborg
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Jan Petersen-Brendel ist Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Flensburg-Schleswig. Dazu, warum seine Partei in Flensburg praktisch unsichtbar ist, äußert er sich nicht. Foto: Gero Trittmaack/SHZ

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Die AfD selbst äußert sich nicht dazu, warum sie keine Kandidaten für die Ratsversammlung aufgestellt hat. Vertreter anderer Parteien haben aber eine Vermutung.

Kandidaten von elf verschiedenen Listen stehen auf dem Stimmzettel, wenn am 14. Mai 2023 in Flensburg eine neue Ratsversammlung gewählt wird. Das sind so viele wie in kaum einer anderen Stadt in Schleswig-Holstein. Eine der inzwischen größten Parteien in Deutschland aber fehlt: die AfD.

In allen anderen Kreisen und kreisfreien Städten tritt die AfD bei der Kommunalwahl an. Nur Flensburg bleibt ein weißer Fleck auf der Landkarte – wie übrigens auch schon vor fünf Jahren.

Woran liegt das? Warum bekommt die Partei hier keinen Fuß auf den Boden? Eine Nachfrage beim AfD-Kreisverband liefert keine Antwort. Einen Kreisverband Flensburg gibt es ohnehin nicht. Es gibt lediglich einen Kreisverband „Flensburg-Schleswig“, deren Vorstandsmitglieder, soweit sie öffentlich in Erscheinung treten, alle im Umland wohnen, also im Kreis Schleswig-Flensburg.

Vorsitzender ist Jan Petersen-Brendel aus Wanderup. Er hat immerhin einen gewissen Bezug zu Flensburg: Er betreibt in der Stadt eine Kfz-Werkstatt. Auf eine Nachfrage von shz.de zum Thema reagiert er zwar, antwortet aber nicht auf die Frage, warum die AfD in Flensburg nicht antritt, und möchte außerdem mit dem, was er stattdessen schreibt, nicht zitiert werden.

Auch zur Landtagswahl kein AfD-Kandidat aus Flensburg

Im Januar hatte der Kreisverband Flensburg-Schleswig mit einem öffentlichen Facebook-Aufruf nach Kandidaten für den Schleswiger Kreistag gesucht. Für die Flensburger Ratsversammlung gab es einen solchen Aufruf nicht.

So bleibt die AfD in Flensburg unsichtbar. Auch für die Landtagswahl im vergangenen Jahr hatte die Partei im Wahlkreis Flensburg-Stadt keinen heimischen Kandidaten, sondern stellte mit Pieter Hoogeveen einen Mann aus Nordfriesland auf.

Dabei gibt es in Flensburg durchaus Wähler der AfD. Nicht besonders viele, aber auch nicht weniger als in anderen vergleichbaren Städten in Schleswig-Holstein. Bei der Landtagswahl 2022 holte die Partei 3,6 Prozent, bei der Bundestagswahl 2021 waren es 5,4 Prozent.

Andere Parteien mit aktuell deutlich weniger Wählerpotenzial haben es geschafft, eine Liste für die Ratsversammlung aufzustellen, die „Basis“ (1,5 Prozent bei der Landtagswahl) ebenso wie „Volt“ (0,5 Prozent bei der Landtagswahl).

Simone Lange: „Aktiver Protest schon 2016“

Woran also scheitert die AfD? Auch wenn Jan Petersen-Brendel dazu nichts sagt – Vertreter anderer Parteien haben ihre Theorien. Ex-Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) erinnert sich noch gut daran, wie die AfD im Jahr 2016 einmal versuchte, einen Kreisverband Flensburg zu grünen. „Der aktive Protest dagegen hat schlussendlich diese Gründung verhindert und damit auch verhindert, dass die AfD in Flensburg Strukturen aufbauen konnte.“

Ist also die Flensburger Zivilgesellschaft so stark engagiert gegen Tendenzen, die als rechtspolulistisch oder rechtsextrem wahrgenommen werden, dass Mitglieder der AfD fürchten, dass sie dem öffentlichen Druck nicht standhalten, wenn sie zur Kommunalwahl antreten?

Der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen sieht es jedenfalls ähnlich: „Ich glaube, dass Flensburg seit vielen Jahren durch breite gesellschaftliche Netzwerke systematisch und hart dafür gekämpft haben, dass unsere Stadt bunt bleibt und nationalistische und faschistische Parteien keinen Platz haben.“

Andreas Rothgaenger, der Fraktionschef der Wählergemeinschaft „Wir in Flensburg“ in der Ratsversammlung, sieht einen wichtigen Grund in der „offenen, wenig dogmatischen Gesellschaft“ in Flensburg. „Bei uns will niemand zu den Ewiggestrigen gehören.“ Auch die CDU-Landtagsabgeordnete Uta Wentzel spricht vom“ guten Miteinander der Kulturen bei uns in der Grenzregion“ und einer „gebildeten, interessierten und entspannten Bevölkerung“.

2018 begründete die AfD ihre Nicht-Kandidatur

Als die AfD vor fünf Jahren auch schon auf eine Kandidatur in Flensburg verzichtete, gab es übrigens noch Parteivertreter, die sich dazu öffentlich äußerten. Der damalige Kreisvorsitzende für Flensburg-Schleswig, Frank Hansen, der die AfD inzwischen längst verlassen hat, nannte als Grund ein „politisches Klima, in dem Bürger sich nicht trauen, offen für ihre Meinung einzustehen, da sie Repressionen befürchten“. Sein Nachfolger Lambert Gatzen, inzwischen ebenfalls aus der AfD ausgetreten, sprach von „Anfeindungen der Antifa in Flensburg“, die es schwer machen würden, öffentlich in Erscheinung zu treten.

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