Jobmesse in Flensburg

500 Schüler treffen an der Kurt-Tucholsky Schule auf ihre potenziellen Arbeitgeber

500 Schüler treffen auf ihre potenziellen Arbeitgeber

500 Schüler treffen auf ihre potenziellen Arbeitgeber

Gunnar Dommasch/shz.de
Flensburg
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Das Audi-Zentrum war einer von 57 Betrieben, die sich bei der Jobmesse vorstellten. Foto: Gunnar Dommasch/shz.de

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57 Betriebe aus der Region stellten sich an der Kurt-Tucholsky-Schule den Fragen der Schülerinnen und Schüler – und versuchten um Nachwuchs zu werben.

Ausnahmezustand an der Kurt-Tucholsky-Schule. Alle Klassenräume belegt, weit über 500 Schülerinnen und Schüler aktiv, aber kein Unterricht. Stattdessen hatten 57 Betriebe und Einrichtungen aus der Region dort ihr Portfolio aufgefächert. Im Rahmen von „Kurts Last-Minute-Jobmesse“ informierten sie über Praktika, Ausbildungsplätze und Studienangebote.

Nicht nur theoretisch in Form von Vorträgen und Gesprächen, sondern auch ganz praktisch „zum Anfassen“ und interaktiv. Bei Robbe & Berking etwa durfte man als Oberflächenbeschichter Bestecke versilbern - wenn auch nicht im umgangssprachlichen Sinne, sondern ganz real, um das Material robuster zu machen.

Von Autos über Klimatechnik bis Orthopädie

Das Audi-Zentrum AZF lockte mit Luxus und Emotionen. „Junge Menschen lieben teure Autos“, weiß Mitarbeiter Marc Werner. So durften diese sich die Funktion einen Motors erklären lassen oder sich an einer Scheibenreparatur versuchen. Die Firma „Alcatherm“ gab einen Einblick in Kälte- und Klimatechnik sowie in das hochaktuelle Thema Wärmepumpen. „Viele wissen gar nicht“, so Janne Petersen, „was Kälte eigentlich ist.“ Im echten Norden eher ungewöhnlich...

Andere wiederum schnippelten am Stand von Orthopädie Wagner an halbfertigen Schuhen herum oder ließen sich bei der DRK-Akademie die Pflege von Babys (bis hin zu bedürftigen älteren Menschen) zeigen. Besonders reizvoll war der Blick in eine mögliche Zukunft durch VR-Brillen bei der Jugend-Berufsagentur Flensburg (jba).

Mit erfreulichem Feedback seitens der Firmen, deren Anzahl sich gegenüber der Premiere vom Vorjahr mehr als verdoppelt hatte.

Die Resonanz der Jugendlichen hingegen muss man als eher zurückhaltend betrachten, wenn man den Aussagen vieler Anbieter Glauben schenkt. Liegt es daran, dass erst vor wenigen Tagen die Ausbildungsmesse „Vocatium“ auf dem Campus stattgefunden hat, zu der es einige Schnittmengen gab?

Viele Jugendliche noch immer ohne Lehrstelle – und ohne Plan

Nur bedingt, meint Schulleiter Martin Feddersen. Besonders in den 9. und 10. Klassen gebe es viele, die immer keine Lehrstelle gefunden hätten. „Sie sind nicht orientiert, haben keinen Plan B, sie stehen ohne etwas da.“ Das gelte besonderes für diejenigen, die es am bittersten nötig hätten. Dabei sei bei fast allen Gewerken großer Bedarf vorhanden - auch kurzfristig „Aber eine handwerkliche Ausbildung will keiner mehr machen.“

Beate Simon sieht das genauso: „Am liebsten wollen sie ewig zur Schule gehen. Das ist vertrautes Terrain.“ Dabei biete man den Jugendlichen mit der Messe so viel anschauliches Material - direkt vor ihrer Tür. Sie könnten sich direkt einen Praktikumsplatz sichern. „Dazu müssen sie ja noch nicht einmal das Klassenzimmer verlassen.“

Experten beobachten mangelnde Motivation

Die Tendenz zu mangelnder Motivation beobachten die Pädagogen bereits seit einigen Jahren; die Pandemie habe sich als zusätzlicher Katalysator erwiesen. Doch es gibt auch ermutigende Signale – dann etwa, wenn Zukunftsperspektiven aufgezeigt und angenommen, wenn Vorstellungsgespräche vereinbart werden oder ein Ausbildungsplatz besetzt wird. „Last minute“, wie der Name der Messe schon nahelegt. Denn viele Betriebe, die normalerweise ein Jahr im Voraus planen, sind bereit, spontan zu reagieren. Wie beim Audi-Zentrum. „Wir könnten zusätzliche Plätze schaffen“, betont Marc Werner.

Als lehrreich und informativ empfinden Anne und Emma, beide 16 Jahre alt, die Jobmesse. Die eine will im medizinischen Bereich unterkommen, die andere bei der Bundespolizei. „Das klingt spannend.“ Die 17-jährige Mette dagegen kann sich vorstellen, auf Lehramt zu studieren. Die Messe sei eine „coole Sache, auch weil man nirgendwo extra hinfahren muss“.

Perspektiven müssen entwickelt werden

Was aber ist mit jenen, die keine Perspektive entwickeln? „Die zu erreichen ist eine zentrale Aufgabe“, stellt Schulleiter Feddersen klar. Die Gesellschaft sei an dieser Situation nicht unschuldig. „Jeder bekommt alles – ohne Anstrengung.“ Schule dagegen verlange etwas. Das müssten die Jugendlichen erst verinnerlichen. „Dazu bedarf es auch einer engen Kooperation mit der Wirtschaft“, ergänzt seine Messe-Organisatorin. Und verweist darauf, dass der größte Einfluss immer noch von Müttern und Vätern ausgehe. Der Besuch von Elternabenden aber sei stark rückläufig. Kein gutes Zeichen. „Schule, sagt Beate Simon, „kann nicht alles übernehmen.“

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