Handball

Als Lars Christiansen die SG Flensburg-Handewitt ins Glück warf

Als Lars Christiansen die SG Flensburg-Handewitt ins Glück warf

Lars Christiansen warf die SG Flensburg-Handewitt ins Glück

Jannik Schappert/shz.de
Flensburg
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Legendäres Siegerfoto: Mit ramponierten Anzügen posieren die SG-Spieler am Rastplatz Lottorf. Foto: Goos (Archiv)/shz

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Der 13. April 2003 nimmt einen besonderen Platz in der SG-Geschichte ein. An jenem Tag vor 20 Jahren gewann der Handball-Bundesligist seinen ersten nationalen Titel – der mächtig gefeiert wurde, ramponierte Anzüge inklusive.

Als der Wurf von Lars Christiansen in letzter Sekunde die Torlinie überquert, brechen bei der SG Flensburg-Handewitt und ihren Fans am 13. April 2003 alle Dämme. Die Spieler stürmen auf Christiansen zu, der von Ersatztorwart Frode Scheie einen Kuss auf den Mund verpasst bekommt.

Auf den Rängen der Hamburger Color Line Arena liegen sich die Menschen, die es mit der SG halten, in den Armen. Neutrale Handball-Fans staunen über das Finale furioso. Die SG hat TuSEM Essen nach Verlängerung mit 31:30 besiegt – und ist zum ersten Mal Pokalsieger.

Der erste DHB-Pokal-Sieg

„Das war ein Brustlöser für den Verein. Dieser erste Titel im Pokal war eine Stufe höher einzuordnen als die internationalen Titel“, sagt Jan Fegter 20 Jahre später. Er war damals Kapitän der SG und hatte zuvor die Europapokal-Triumphe 1997, 1999 und 2001 miterlebt. National aber haftete der Ruf als „Ewiger Zweiter“ am Club aus Flensburg. Torwartlegende Jan Holpert sagt:

„Dieser besondere Tag bedeutete eine große Erleichterung für alle, die jahrelang für die SG die Knochen hingehalten haben – Spieler, Fans, Sponsoren und Ehrenamtliche.“

Auch an jenem 13. April droht die SG, kurz vor dem großen Ziel zu scheitern. Sie verspielt eine 24:20-Führung, es steht 30:30 in der Verlängerung, Essen hat den Ball. Ein Pass auf den angegangenen Kreisläufer Dmitri Torgowanow kommt nicht an. Foul? Die Pfeifen der Schiedsrichter Lemme/Ullrich bleiben stumm.

Lars Christiansen hat eine „coole Schnauze“

Der Ball landet bei Holpert, der sich mit einem verletzten Fuß durch das Finale schleppt. „Alle waren überrascht, nur Lars rannte los“, erinnert er sich. Christiansen bleibt nach Holperts Pass eiskalt und wirft die SG ins Glück – per lässigem Leger über Chrischa Hannawald hinweg. „Für mich war das ein sicherer Wurf, der mich ausgezeichnet hat“, sagt Christiansen. Fegter meint: „Keiner außer Lars hätte so eine coole Schnauze gehabt in dem Moment.“

„Ich kann das gar nicht in Worte fassen“, sagt Holpert direkt nach dem Spiel. Für den Verein ist der Pokalsieg im letzten Jahr unter Trainer Erik Veje Rasmussen und mit Kapitän Fegter eine Erlösung.

Mit ramponierten Anzügen im Deutschen Haus

Dementsprechend hemmungslos feiern „Traktor“ Joachim Boldsen, Lars Krogh Jeppesen, Sören Stryger, Christian Berge, Andrej Klimovets, Marcin Lijewski und der Rest der Mannschaft. Als die Erlösten spätabends am Deutschen Haus in Flensburg ankommen, wo mehr als 1000 Fans bis tief in die Nacht mit ihnen feiern, sind ihre Anzüge völlig ramponiert. Zuvor war ein legendäres Siegerfoto am Rastplatz Lottorf entstanden.

„Vom Ausstatter gab’s Ärger“, schmunzelt Holpert, der den Ursprung der Zerstörungswut am eigenen Outfit in Skandinavien verortet. Fegter pflichtet ihm bei: „Ich schiebe die Aktion auf Lars Krogh, der war außer Rand und Band im Bus.“

In der Presse wird Christian Berge als Ideengeber genannt.

Weg mit dem Image als „Ewiger Zweiter“

„Ich verspreche, das wird nicht der letzte Titel sein“, tönt Christiansen an jenem Abend. Im Jahr 2003 allerdings schon. Trotz herausragender 57:11 Punkte wird die SG in der Bundesliga nur Vizemeister hinter dem TBV Lemgo (62:6). „Die haben eine überragende Saison gespielt, das war schon demoralisierend“, denkt Holpert zurück.

Neues Futter für die verspottende SG-Bezeichnung „Vizewitz“? Nur für den Moment. Im Folgejahr entledigt sich Flensburg mit dem Double aus Meisterschaft und Pokal endgültig dem Image als „Ewiger Zweiter“.

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