Schifffahrt
Baggerschiff zerstört Stromleitung: Angeklagte schweigen
Baggerschiff zerstört Stromleitung: Angeklagte schweigen
Baggerschiff zerstört Stromleitung: Angeklagte schweigen
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Beim Schiffstransport durch den Hamburger Hafen schlägt ein 63 Meter hoher Bagger gegen eine Hochspannungsleitung. Der Strom fällt aus, und der Schaden ist hoch. Vor Gericht argumentiert der Verteidiger des Kapitäns, sein Mandant sei gar nicht ...
Drei Jahre nach der Beschädigung einer Hochspannungsfreileitung im Hamburger Hafen durch ein Baggerschiff hat am Montag ein Prozess um den folgenschweren Unfall begonnen. Drei Männer im Alter von 79, 56 und 53 Jahren sind vor dem Amtsgericht wegen fahrlässiger Gefährdung des Schiffsverkehrs angeklagt. Der 79-Jährige soll der Kapitän eines Schleppverbands gewesen sein, der am 7. Januar 2020 einen Raupenbagger vom Reiherstieg, einem Seitenarm der Elbe, nach Blankenese bringen sollte. Die beiden jüngeren Angeklagten sollen als Lotsen mitgefahren sein. Die Angeklagten hätten nicht auf die Höhe des Kranauslegers geachtet, der 63 Meter über dem Wasserspiegel aufragte, erklärte die Staatsanwältin. Sie hätten die Höhe auf lediglich 40 Meter geschätzt.
Kurz vor der Durchfahrt vom Reiherstieg zur Rethe, einem anderen Seitenarm der Elbe, schlug der Kranausleger gegen die Freileitung und durchtrennte sechs der acht Leitungsseile mit einer Spannung von 110 Kilovolt. Das habe zu einem mehrstündigen Stromausfall im Stadtteil Wilhelmsburg geführt. Der Schaden belief sich auf 687.000 Euro, davon allein 600.000 an der Freileitung. Zudem seien bei dem Unfall drei weitere Männer an Bord - zwei Lotsenanwärter und ein Mitarbeiter des Baggerunternehmens - gefährdet worden. Teile der Leitung seien auf das Deck gefallen, außerdem hätte der Lichtbogen-Überschlag die Männer verletzen können.
Laut Anklage hätten die Beschuldigten vor Fahrtantritt die Gesamthöhe des Schleppverbands überprüfen müssen. Die Lotsen hätten während der Fahrt auf die Freileitungen achten müssen. Der Transport des Baggers durch den Hafen sei ein Standardvorgang, erklärte ein Gerichtssprecher. Wenn der Kranausleger auf 30 Grad abgesenkt sei, könne das Schiff mit dem Bagger problemlos alle Durchfahrten passieren. Der Schleppverband bestand aus einem Schlepper, der Hubinsel «Simone» und einem Schubboot. Der Bagger befand sich auf der Hubinsel, einer Plattform mit absenkbaren Beinen.
Die Angeklagten wollten sich zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern. Der Verteidiger des 79-Jährigen stellte einen Beweisantrag, um die genaue Funktion seines Mandanten zu klären. Aus der Vernehmung eines Zeugen vom Schlepperunternehmen werde hervorgehen, dass sein Mandant gar nicht der Schiffsführer gewesen sein könne, erklärte der Anwalt. Der Verteidiger des 53-jährigen Angeklagten kritisierte, dass die Staatsanwaltschaft die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Lotsen nur mangelhaft ermittelt habe.
Zu seinen persönlichen Verhältnissen sagte der 79-Jährige, er arbeite nur ab und zu noch als Schiffsführer, weil seine Rente nicht reiche. Er habe alle dafür notwendigen Papiere. «Suchen Sie mal jemanden, der überall fahren kann!», sagte er an die Adresse des Richters. Allerdings habe er im Winter keine Lust zum Arbeiten, weil es morgens und früh am Abend dunkel sei. Der Unfall geschah gegen Mittag. Auf die Frage nach seinem Alter sagte der 79-Jährige: «Jetzt muss ich erstmal rechnen.» Er sei 1943 geboren. «Ich werde im nächsten Jahr 80.»
Auf dem Weg nach Blankenese hätte der Schleppverband auch unter der Köhlbrandbrücke hindurchfahren müssen, was nur Schiffe mit einer Maximalhöhe von rund 50 Metern können. Die Durchfahrtshöhen im Hamburger Hafen verändern sich mit Ebbe und Flut. Bei der Freileitung komme hinzu, dass sie sich durch den Strom erwärme und ausdehne. Auch die Außentemperatur habe einen Einfluss, erläuterte Richter Arno Lehmann nach der Verhandlung.
In der Vergangenheit haben immer wieder Binnenschiffe Brücken im Hamburger Hafen gerammt. Ende Januar vergangenen Jahres war ein Baggerschiff während einer Sturmflut gegen die Freihafenelbbrücke gestoßen. Die Brücke war danach vier Monate für die Reparatur gesperrt.