Grenzland

Flemming Meyer: Minderheiten sollten gegen Nationalismus aktiv sein

Flemming Meyer: Minderheiten sollten gegen Nationalismus aktiv sein

Meyer: Minderheiten sollten gegen Nationalismus aktiv sein

Schafflund
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Flemming Meyer freut sich mit 68 Jahren auf ein etwas ruhigeres Leben als während der vergangenen elf Jahre als Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Foto: Lars Salomonsen / SSW

Nach elf Jahren im Schleswig-Holsteinischen Landtag ist der SSW-Landesvorsitzende ab 1. August Pensionär. Der Spitzenpolitiker der dänischen Minderheit warnt: „Nach weitgehender Gleichstellung dürfen wir nicht träge werden.“

An seinem letzten Arbeitstag vor dem Ausscheiden als Abgeordneter des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) aus dem Schleswig-Holsteinischen Landtag hat Flemming Meyer im Interview mit dem „Nordschleswiger“ die wichtige Rolle der Minderheiten im Grenzland nicht nur für die deutsch-dänische Grenzregion, sondern auch deren Rolle bei der Abwehr neuer nationalistischer und populistischer Tendenzen in Europa betont.

Kein Nationalist

„Ich bin als Mitglied der dänischen Minderheit sehr national geprägt. Aber meine dänische Identität hat nichts mit Nationalismus zu tun“, so der langjährige Vorsitzende der Partei der dänischen Minderheit. „Wir als Minderheiten sind auch vom Erstarken von Parteien wie der AFD berührt. Manche wollen uns in einen Topf mit solchen Parteien werfen, die ja ein europaweites Phänomen sind“, so Meyer. „Die Minderheiten sollten ein Gegengewicht gegen diese Gruppen bilden.

Ich bin überzeugt, dass die dänische Kultur gut für mich ist, aber ich respektiere doch, dass mein Nachbar eine andere Position hat. Die Nationalisten wollen etwas, das ihrer Meinung nach gut für alle ist“, so der Landtagsabgeordnete a. D., der daran erinnert, dass im Landtag in Kiel in früheren Jahrzehnten rechte Parteien wie NPD und DVU stets politische Eintagsfliegen waren. „Das waren aber typisch deutsche Gruppierungen. Heute haben wir es bei AFD und auch Dänischer Volkspartei mit einem europäischen Phänomen zu tun“, so seine Einschätzung.

AFD in Grenzregion weniger stark

Er vermutet, dass die AFD im deutschen Landesteil Schleswig auch wegen der Erfahrungen der Bevölkerung in einer Grenzregion weniger populär geworden ist als in Holstein. „Ich glaube auch, dass das Bewusstsein in der breiten Bevölkerung für die Region, gefördert durch eine gute Ausstattung mit Bibliotheken und anderen kulturellen Einrichtungen auch als Ergebnis des jahrzehntelangen Wettstreits zwischen deutschen und dänischen Einrichtungen, rechtspopulistische Tendenzen bremst“, so der Politiker, der sich nach seinem Rückzug aus dem anstrengenden Landtagsalltag auf ruhigere Zeiten in seinem Heimatort Schafflund freut.

Mehr Zeit für Oldtimer-Traktor

„Ich habe ja auch ein Motorrad, und ich werde mit meinem roten Ferguson-Traktor zu Oldtimrtreffen fahren. Ich suche auch noch nach einem dänischen Oldtimer, einem Bukh-Traktor“, berichtet Meyer. Er räumt ein, dass ihn in den lvergangenen Jahren die oft langen Sitzungen und vor allem die vielen Fahrten nach und von Kiel geschlaucht haben. „Ich habe gespürt, dass es einem auch physisch nicht mehr so leicht fällt, auch wenn man mehr möchte“, räumt er ein und erinnert daran, dass die Landtagsarbeit mehr als ein Vollzeitjob ist.

Vertrauen in Nachfolger

Er sei froh, dass er jetzt die Entscheidung getroffen habe, sein Mandat niederzulegen und betont: „Ich kenne meinen Nachfolger Christian Dirschauer und weiß, dass er tüchtig ist und es besser machen kann als ich. Ich werde die gute Kameradschaft in der eigenen Fraktion vermissen. Ich habe auch viele Freundschaften im Landtag geschlossen.“

 

Flemming Meyer unterstreicht, dass der SSW seine Regierungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat. Foto: Finn Salomonsen / SSW

 

Wichtig sei für ihn aus der Zeit im Landtag die Erkenntnis, dass der SSW seine Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen konnte. „Wir haben auch gezeigt, dass wir Politik nicht nur für die Minderheit, sondern zum Vorteil der gesamten Bevölkerung machen können“, so seine Einschätzung.

 

SSW geht wieder in Regierung

Und eines ist für ihn klar: „Wir werden es als SSW wieder machen. Vielleicht in einer anderen Konstellation als während der fünf Jahre in der Regierung mit SPD und Grünen. Das hängt von der Situation ab.“ Doch trotz der guten Zusammenarbeit auf politischer Ebene, die den Forderungen der dänischen Minderheit nach Gleichstellung entgegengekommen sind, mahnt Flemming Meyer gerade auch die eigene SSW-Anhängerschaft: „Es besteht die Gefahr, dass wir zu satt werden. Nach weitgehender Gleichstellung dürfen wir nicht träge werden. Der Wind kann sich wieder drehen.“

Etwas Gegenwind ganz gut

Und er fügt hinzu: „Etwas Gegenwind hält die eigenen Reihen wohl auch zusammen.“ Dabei ist er froh, dass die heutigen, jüngeren Generationen nicht so aufgewachsen sind wie er selbst in Zeiten deutsch-dänischer Gegensätze. „Deutsch war für uns das Feindbild. Beim Sport, beim Handball haben wir immer gegen die Deutschen gehalten. So ist das nicht mehr. Auch nicht bei meinen eigenen Kindern.“ Wichtig sei es für die Minderheit, sich auf neue Zeiten einzustellen und die eigene Kultur und Sprache auch ohne Druck von außen zu pflegen. Ganz besonders getroffen haben ihn in den vergangenen Monaten die Grenzsperrungen zwischen Dänemark und Deutschland. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr der Volksabstimmungen und der Grenzziehung 1920. 

Grenzsperrungen tun weh

„Das tut richtig weh. Die ganze Grenzregion leidet unter den Einschränkungen. Das ist keine Sache, die sich auf den Tourismus beschränkt. Die Grenze war längst von der Trennungslinie zum Bindeglied geworden. Seit 1920 waren wir nördlich und südlich der Grenze zu Randgebieten geworden, mit besonders hohen Arbeitslosenzahlen von Nordfriesland bis nach Flensburg vor wenigen Jahren. „Zwischen Boom-Bereichen wie der dänischen Dreiecksregion und Hamburg hatten wir gerade begonnen, mit der engen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit die gute Lage des Grenzlandes besser zu nutzen. Das ist einfach mal so dicht gemacht worden, ohne dass man Begründungen aus Sicht des medizinischen Einsatzes gegen die Corona-Ausbreitung sehen kann“, stellt der Politiker fest.

Er sei sehr enttäuscht, dass die vielen Jubiläumsveranstaltungen zum Grenzjubiläum ausgefallen sind. Aber immerhin hätten die vielen Fernsehproduktionen über das Grenzland und dessen besondere Geschichte einschließlich der Minderheiten in Deutschland und Dänemark das Interesse für die gemeinsame Region gestärkt.

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Marle Liebelt Hauptredaktion
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