Leitartikel
„Deutsche Politik auf dänischem Holzweg?“
Deutsche Politik auf dänischem Holzweg?
Deutsche Politik auf dänischem Holzweg?
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Autorin Marle Liebelt sieht in Entwicklungen der deutschen Politik eine Annäherung an die politischen Verhältnisse in Dänemark. Deutschlandweite Proteste gegen Rechts zeigen nun aber, dass der dänische Weg nicht zu sein scheint, was die Mitte in Deutschland wirklich will.
Wer die politischen Entwicklungen der vergangenen Monate in Deutschland verfolgt, mag sich an der einen oder anderen Stelle vielleicht an die politischen Verhältnisse hierzulande erinnert fühlen.
Rechte Linke
Da wäre zum Beispiel das Bündnis Sahra Wagenknecht, das sich von der Partei „Die Linke“ abgespalten hat und bei der deutschen Bevölkerung und Presse doch für ein wenig Kopfzerbrechen sorgte. Denn die bislang bekannt gewordenen Inhalte des Bündnisses entsprechen so gar nicht den Gepflogenheiten deutscher Parteien, die sich bislang stets klar auf reiner Rechts-Links-Skala verorten ließen.
Das Bündnis der ehemaligen Linken-Politikerin verspricht eher eine linke Wirtschaftspolitik, gepaart mit einer rechten Migrations- und Asylpolitik. Ein Phänomen, das man in Dänemark längst kennt und das erfolgversprechend zu sein scheint. Schließlich hat Mette Frederiksens Sozialdemokratie ihren Wahlerfolg bei der Folketingswahl 2019 nicht zuletzt ihrer restriktiven Migrations- und Asylpolitik zu verdanken.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht könnte es aktuell auf 7 Prozent bringen, sollte es bei der Bundestagswahl antreten. Das ist das Ergebnis des vor einer Woche veröffentlichten Sonntagstrends, den das Meinungsforschungsinstitut INSA wöchentlich für die „Bild am Sonntag“ erhebt. Laut dem aktuellen „ZDF“-Politbarometer kommen die meisten Stimmen für das Bündnis von Anhängerinnen und Anhängern der Linken sowie der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD), die mit 10,3 Prozent der Mandate durchaus Schlagkraft im Bundestag hat.
Dänemarks Linke ist schon lange rechts
Rechtspopulisten konnten im November 2022 auch im Folketing ihre Plätze sichern. Allerdings kommen die einzelnen Parteien, wie etwa die Dänische Volkspartei (DF), die Neuen Bürgerlichen (NB) oder auch die Dänemarkdemokraten (DD) allein nicht auf dieselbe Größe wie die AfD im Bundestag.
Zusammengenommen finden die rechten Parteien sowie rechte Politik generell durchaus Anklang bei der wahlberechtigten Bevölkerung in Dänemark. Dabei sind sie jedoch nicht unbedingt auf die rechten Parolen von Populisten angewiesen. Denn die Wählerinnen und Wähler, die wesentlichen Inhalten rechter Parteien zustimmen – etwa einer restriktiven Migrations- und Asylpolitik, kommen auch bei den gemäßigten Parteien der Mitte auf ihre Kosten.
Wäre das was für Deutschland?
Haben das auch die Regierungsparteien in Deutschland für sich entdeckt? „Wir müssen in großem Stil abschieben“ sind ungewohnt klare Worte für den Bundeskanzler Olaf Scholz und einen Sozialdemokraten. Einlösen soll dieses Versprechen ein am vergangenen Freitag verabschiedetes Gesetz, das Abschiebungen erleichtern soll.
Das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz sieht unter anderem eine Anhebung der Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage vor, erleichtert Razzien, und Abschiebungen müssen in der Regel nicht mehr angekündigt werden. Ein ungewohnt hartes Vorgehen für ein Regierungsbündnis, das mit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und den Grünen immerhin aus zwei Mitte-Links-Parteien und der Freien Demokratischen Partei (FDP) besteht.
Das ist gemeint, wenn sich der gesellschaftliche Diskurs nach rechts verschiebt. Es wird angenommen, mit einer Orientierung an rechten Ideen der vermeintlichen Stimme des Volkes zu entsprechen.
Was will das Volk?
Aber ist der dänische Weg auch in Deutschland der richtige? Deutschlandweite Massenproteste gegen Rechts der vergangenen Tage deuten darauf hin, dass das nicht der Fall ist.
Ausgelöst wurden die Proteste durch die Veröffentlichung von correctiv.org-Recherchen zu einem geheimen Treffen von Rechtsextremen – darunter AfD-Abgeordnete –, die einen Masterplan zur massenhaften Deportation von Menschen mit Migrationsgeschichte schmieden.
Zu Tausenden gehen die Menschen in Deutschland dieser Tage auf die Straße, um sich nicht nur gegen die AfD, sondern gegen rechte Politik zu positionieren. Und letztlich zeigt das: Ihr Weg ist nicht der dänische.