10 Jahre Minderheitenpädagogik

Neue Wege bei der Spracherziehung

Neue Wege bei der Spracherziehung

Neue Wege bei der Spracherziehung

Nordschleswig/Sønderjylland
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Schüler der 3. Klasse der Deutschen Schule Hadersleben sangen vor der Sprachenkonferenz Lieder auf Deutsch und Dänisch. Foto: Gwyn Nissen

Früher hieß es in den Institutionen der deutschen Minderheit immer: „Sprich Deutsch". Die Wissenschaft ist seitdem aber klüger geworden – auch wenn es in der Minderheitenpädagogik noch viel zu erforschen gibt.

10 Jahre Institut

Das Institut für Minderheitenpädagogik am UC Syd in Hadersleben wurde vor zehn Jahren gegründet.

Neben dem UniversityCollege in Hadersleben waren der Deutsche Schul- und Sprachverein für Nordschleswig (damals unter Schulrat Claus Diedrichsen) und Dansk Skoleforening for Sydslesvig (damals unter Anders Molt Ipsen) Mitbegründer.

Sprachen lernen und in Minderheiteninstitutionen lehren, das geht heute anders als früher. Davon konnten sich Donnerstag 160 Teilnehmer bei der Konferenz zur Minderheitenpädagogik überzeugen. Die Veranstaltung fand anlässlich des 10. Geburtstages des Instituts für Minderheitenpädagogik am UniversityCollege Syd in Hadersleben/Haderslev statt.

Über 160 Teilnehmer, darunter viele Lehrkräfte aus den deutschen Schulen in Nordschleswig sowie Pädagogen aus den Kindergärten der Minderheit, ließen sich von international anerkannten Forschern inspirieren. Auch viele Kollegen der dänischen Minderheit südlich der Grenze waren bei den Vorträgen und Workshops mit dabei.

Junge Leute aus Mehrheit und Minderheit kommen heute durch das Internet, die Globalisierung und multikulturelle Gesellschaften mit viel mehr Sprachen in Verbindung als früher. Außerdem steckt eine ganze Wissenschaft dahinter, wie Sprachen und wie Minderheitenkinder am besten lernen.

Wichtig für unsere Arbeit

„Der Einblick unserer Lehrkräfte und Pädagogen in die Interkulturalität und Mehrsprachigkeit ist sehr wichtig für unsere Arbeit", sagt Anke Tästensen, Schulrätin des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig (DSSV).

Außerdem sei der wissenschaftliche Zugang heute eine Voraussetzung für die praktische Arbeit und Umsetzung. „Das ist genau, was wir brauchen für unseren Alltag mit den Kindern und den speziellen Herausforderungen als Minderheit."

Bereits Donnerstag wurde die Theorie in Workshops in die Praxis verwandelt, doch der DSSV werde ebenfalls mit dem Thema „Sprache" weiterarbeiten, unter anderem bei der kommenden Dienstversammlung der Lehrkräfte im Februar.

„Da werden die Dinge, die wir heute in Erfahrung gebracht haben, eine große Rolle spielen, denn Sprache ist ein wichtiger Bestandteil und die Basis unserer schulischen Aufgabe", sagte Tästensen.

Neue Sprach-Erkenntnisse

In ihrer Kindheit hieß es noch: „Sprich Deutsch" als einzige Antwort darauf, wie Sprache gelernt werden musste. „Wir haben heute wieder gezeigt bekommen, dass das nicht der Weg ist, sondern dass wir offen sein müssen im Umgang mit der Sprache und dass wir auf die Kinder und deren Sprachenverhältnisse eingehen müssen. Dass wir sie dabei unterstützen, die deutsche Sprache zu lernen, ist klar", erklärt die Schulrätin.

Darüber hinaus setze die Minderheit sich heute anders zusammen als früher – mit nordschleswigschen, rein dänischen und deutschen Familien, aber auch mit Kindern anderer Nationalitäten.

„Für mich ist es wichtig, dass die Natürlichkeit der Sprachen beibehalten und keinem etwas aufgezwungen wird. Es soll Spaß machen, Sprachen zu lernen", sagte Anke Tästensen. „Eine Konferenz wie diese gibt uns Ideen mit nach Hause, wie wir in Zukunft damit umgehen."

Der Konrektor an der Deutschen Schule Hadersleben, Piet Schwarzenberger (rechts), im Gespräch mit Dr. Georg Gombos von der Alpen Adria Universität in Klagenfurt. Foto: Gwyn Nissen

Subjektive Erfahrungswerte nur begrenzt gut

Alexander von Oettingen, Prorektor am UC Syd, stimmt dem zu. Die Theorie sei wichtig, damit eigene Erfahrungen oder Gefühle der Mitarbeiter nicht vorherrschend seien. Subjektive Erfahrungswerte seien nur begrenzt gut.

„Deswegen müssen wir uns auch weiterhin die Fragen stellen: Was sind die Unterschiede in den Lernprozessen in den Minderheiteninstitutionen, verglichen mit anderen Einrichtungen, und wie lernen Kinder und Jugendliche in den Minderheiteninstitutionen.

Eine wichtige Frage sei in dem Zusammenhang laut von Oettingen – selbst aus der dänischen Minderheit in Südschleswig –, dass die Institutionen der Minderheiten nicht nur eine Bedeutung für die Kinder hätten, sondern auch für die Minderheit selbst: „Wir betrachten unsere Schulen fast schon als eine Selbstverständlichkeit, aber dem ist nicht so, und ich brauche den Minderheiten nicht zu sagen, was es bedeutet, Schulen zu verlieren oder zu schließen."

Zweisprachigkeit ein Mehrwert

Dr. Georg Gombos von der Alpen Adria Universität in Klagenfurt stellte die „ewige" Sprachen-Frage: Ist Zweisprachigkeit ein Mehrwert (1+1=3), oder kann man zwei Sprachen gleich schlecht (1+1 ist weniger als zwei).

„Wir treffen bei der Zweisprachigkeit immer noch auf Ängste und Verunsicherung", sagte Gombos.

Die Forschung zeige indes eine Reihe von Tendenzen bei Zweisprachigen, unter anderem verbesserte Lernfähigkeit. Dies sei laut Gombos zwar kein Naturgesetz, aber immerhin habe die Forschung auch keine Nachteile der Zweisprachigkeit bewiesen.

    

Professor Michael Byram – der in den 80'ern die Sprachsituation in der deutschen Minderheit in Nordschleswig studierte – und Camilla Hansen, Leiterin des Instituts für Minderheitenpädagogik am UC Syd. Foto: Gwyn Nissen

Lernen, Nordschleswiger zu sein

Michael Byram von der Universität in Durham, England, gab wichtige Einblicke in das Verständnis von Kulturen und wie sie entstehen. Kultur sei ein Verb, zitierte Byram seinen Kollegen Brian Street, denn bei der Kultur gehe es darum, was Leute tun.

Wie also lerne man die Kultur der deutschen Minderheit in Nordschleswig und Nordschleswiger zu sein. „Die deutsche Minderheit ist ja nicht da, um Deutschland zu vertreten, sondern hat schon ihr eigenes Alleinstellungsmerkmal", meinte Byram.

Die eigenständige Minderheitenkultur lerne man über Familie, Freunde und Gruppierungen sowie Kindergarten und Schule. Die Minderheiten seien sich darüber sehr bewusst, meint der englische Professor. Sowohl im deutschen Schulverein in Nordschleswig als auch südlich der Grenze bei der dänischen Minderheit sei dies in den Satzungen verankert.

Die Schulen und Kindergärten schaffen die Möglichkeit, die Schüler sowohl in die deutsche als auch in die dänische Sprach- und Kulturwelt einzuführen, heißt es zum Beispiel beim DSSV.

 

Dr. Petra Daryai-Hansen von der Universität Kopenhagen. Foto: Gwyn Nissen

Mehrere Sprachen einsetzen

Sprachen lernen heißt heute mehrsprachig denken und zwischen den Sprachen Brücken bauen – auch im Unterricht. Dr. Petra Daryai-Hansen von der Universität Kopenhagen hatte eine Reihe von Beispielen mitgebracht, wie das Sprachenlernen gefördert werden kann. Nicht als Ersatz für den klassischen Sprachenunterricht, sondern als Ergänzung, um Sprache interessanter zu machen.

Kinder und Jugendliche sollen für sich entdecken, dass sie sprachlich mehr draufhaben als sie denken. Im Unterricht werden die englische, deutsche und dänische Sprachen kombiniert – oder gar fremde Sprachen wie Isländisch, Spanisch und Japanisch. Dabei würden die Schüler bei den Fremdsprachen viele Gemeinsamkeiten erkennen.

In einem von der A.-P.-Møller-Stiftung geförderten Projekt haben Hansen und ihre Mitarbeiter multilinguales Unterrichtsmaterial entwickelt.

 

 

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