Knivsbergfest 2023

Knivsberg-Geschichte lockt Besucher aus Braunschweig an

Knivsberg-Geschichte lockt Besucher aus Braunschweig an

Knivsberg-Geschichte lockt Besucher aus Braunschweig an

Knivsberg /Knivsbjerg  
Zuletzt aktualisiert um:
Hauke Grella
Der Leiter des Deutschen Museums Nordschleswig, Hauke Grella, bringt Interessierten die Geschichte des Bergs und der Deutschen Minderheit näher. Foto: Ute Levisen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Sebastian Knauer ist extra aus Braunschweig angereist, um das Knivsbergfest zu besuchen. Er ist einer der Teilnehmenden der geschichtlichen Vorträge, die das Deutsche Museum Nordschleswig anbietet. Leiter Hauke Grella stellt sich in der Gedenkstätte Fragen zur Identität der Minderheit. Er sieht Zugezogene als Chance und spricht von einer „schleswigschen Identität“.

Wie sehr die Minderheit auch außerhalb von Nordschleswig interessiert, sieht man an Sebastian Knauer. Er ist schon am frühen Morgen aus Braunschweig aufgebrochen, um das Knivsbergfest zu besuchen. „Ich interessiere mich für Minderheiten und Sprachminderheiten, weshalb ich heute um 3 Uhr aufgestanden und hergefahren bin“, sagt er. Nach einem früheren Besuch im Deutschen Museum Nordschleswig, habe er im „Nordschleswiger“ vom Fest gelesen und entschieden herzukommen. „Was ich besonders gut finde, ist, dass es hier auch um Inhalte geht und nicht wie bei deutschen Volksfesten ums Essen und Trinken allein.“ Das Knivsbergfest sei vergleichbar mit dem Kutztown Festival, dem Volksfest der Pennsylvaniadeutschen in den USA, sagt er. 

 

Sebastian Knauer ist einer von rund zehn Teilnehmenden bei der ersten von drei geschichtlichen Führung an diesem Sonnabend, die Hauke Grella als „Appetizer“ bezeichnet. Der Leiter des Deutschen Museums Nordschleswig will den Interessierten einen kleinen Einblick geben. Pünktlich um 12 Uhr geht es in Richtung Bergspitze. Oben angekommen, lauschen die Teilnehmenden Grellas Ausführungen.   Warum das Museum die Führungen anbietet? „Weil es viele Zugezogene in Nordschleswig gibt. Früher konnte man Wissen über de
Sebastian Knauer (Mitte) reiste extra aus Braunschweig zum Knivsbergfest an. Foto: Ute Levisen

Sebastian Knauer ist einer von rund zehn Teilnehmenden bei der ersten von drei geschichtlichen Führung an diesem Sonnabend, die Hauke Grella als „Appetizer“ bezeichnet. Der Leiter des Deutschen Museums Nordschleswig will den Interessierten einen kleinen Einblick geben. Pünktlich um 12 Uhr geht es in Richtung Bergspitze. Oben angekommen, lauschen die Teilnehmenden Grellas Ausführungen. 

Warum das Museum die Führungen anbietet? „Weil es viele Zugezogene in Nordschleswig gibt. Früher konnte man Wissen über den Knivsberg voraussetzen. Das ist heute nicht mehr so, und daher wollen wir hier aktiv werden“, sagt Grella, der am Ende der Tour den Zeitrahmen massiv sprengt. Auch, weil es immer wieder Fragen gibt und in der Gedenkstätte eine kleine Diskussion über die Minderheit und die Identität entbrennt. 

Hauke Grella
Museumsleiter Hauke Grella. Foto: Ute Levisen

Vom Bismarckturm in die Gedenkstätte

Zunächst erzählt Grella über die Entstehungsgeschichte des heutigen Knivsbergfestes. So habe es 1893 ein erstes deutsches Volksfest auf der Insel Kalvø gegeben, die man von der Bergspitze sogar sehen kann. „Weil es damals kaum Medien gab, in denen man seine Gesinnung zeigen konnte, war ein großes deutsches Volksfest eine gute Möglichkeit.“

1894 gab es dann das erste Fest auf dem Knivsberg, der zuvor von der eigens gegründeten Knivsberggesellschaft gekauft wurde. Schon 1895 wurde das Fundament für den Bismarckturm gelegt. Wegen hoher Kosten wurden Spenden gesammelt. Einer der Spender war der Schriftsteller und Journalist Theodor Fontane, der die Region als Kriegsberichterstatter kennenlernte. 

„Früher standen auf dem Berg keine Bäume“, sagt Grella. Der fertiggestellte Turm war 1901 mit seinen 46 Metern Höhe weithin sichtbar, sogar bis zur Insel Alsen. Auch die Inschriften „Wir Deutschen fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt“ und auch der schleswig-holsteinische Wahlspruch „Up ewig ungedeelt“ zierten den Turm. „Letzterer wurde versucht umzudeuten, aber das hat vermutlich hier niemand verstanden“, so Grella. 

Mit dem Versailler Vertrag 1919 und der anstehenden Volksabstimmung 1920 sei den Menschen in Nordschleswig klar gewesen, dass sie wohl künftig zu Dänemark gehören werden, sagt Grella. Daher wurde aus Sorge, die Bismarck-Statue könnte in dänische Hände fallen, diese noch 1919 abtransportiert. „Ein Zeichen, dass man das Resultat der Volksabstimmung bereits wusste“, schlussfolgert er.

Der Transport in einem schwedischen Bahnwaggon kostete Bismarck seinen Kopf. Der Wagen war für die sieben Meter hohe Statue zu kurz. Über Umwege landete das Standbild in Ascheffel, wo es seit 1930 auf dem Aschberg steht. 

Der Turm sei der dänischen Bevölkerung ein „Dorn im Auge“ gewesen, sagt Grella. Widerstandskämpfer, deren Namen man heute kennt, haben den Turm im August 1945 gesprengt. „In den Wirren nach dem Krieg hatte niemand Interesse daran, die Täter zu strafrechtlich zu verfolgen.“

Knivsbergfest 2023
Amira Wenzel und Kerstin Gosch waren bei der geschichtlichen Tour von Hauke Grella (links) dabei. Foto: Ute Levisen

„Wollen unser Wissen vervollständigen“

Zwei, die angeregt den Ausführungen Grellas lauschen, sind Kerstin Gosch und Amira Wenzel. Ihre Tochter gehe in Apenrade auf das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig, sie selbst sei aus Südschleswig, erzählt Kerstin Gosch. Ihre Mutter sei 1920 in Hadersleben geboren. „Ich habe im Vorfeld viel gelesen und möchte gerne mein Wissen vervollständigen.“ Für Amira Wenzel, die gerade ihren Abschluss macht, hat die Geschichte eine große Bedeutung. Die Minderheit sei heute so vielfältig, sagt sie.

In der Gedenkstätte gibt Grella einen kurzen Abriss über die Entstehung. Am 18. August 1962 wurde die Gedenkstätte eingeweiht. Sie besteht aus zwölf Tafeln, entsprechend den Kriegsjahren, auf denen die Jahreszahl und bei den Kriegsfreiwilligen des Zweiten Weltkriegs die Namen der Gefallenen und Vermissten festgehalten sind. Ein Stein erinnert daran, dass die Gedenkstätte früher als „Ehrenhain“ bezeichnet wurde. Weil Holocaust und Kriegsverbrechen jedoch nichts mit Ehre zu tun haben, ist es heute eine Gedenkstätte. „Der Stein gehört aber zur Geschichte“, sagt Grella. 

Schon bei der Einweihung haben einige Familien Gefallener eine namentliche Erwähnung abgelehnt, weshalb heute auf den Tafeln Namen fehlen. Seit den 1990er Jahren wurden Namen auf den Gedenktafeln entfernt, weil sich hinter einigen Kriegsverbrecher verbergen. Gerichtsurteile haben zur nachträglichen Entfernung von fünf Namen geführt. Und auch bei weiteren Namen ist unsicher, ob die Gefallenen nicht auch Kriegsverbrecher waren, sagt Grella. Dies ließe sich aber nur schwer rekonstruieren, weil im Archiv oftmals die Aufzeichnungen nicht ausreichen.

Der Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) lässt allerdings nur Namen entfernen, wo durch Gerichtsurteile deutlich wird, dass derjenige Kriegsverbrechen begangen hat. „Unser Ziel ist es daher, eine Vermittlungsstätte einzurichten. Die Geschichte zu löschen, ist der falsche Weg“, meint Grella. „Es ist nicht meine Aufgabe zu verurteilen. Aber die Geschichte zu erhalten ist wichtig.“

Sebastian Knauer
Sebastian Knauer (links) lauschte gespannt Hauke Grellas Ausführungen. Foto: Ute Levisen

Ich habe im Vorfeld viel gelesen und möchte gerne mein Wissen vervollständigen.

Kerstin Gosch, Teilnehmerin an der geschichtlichen Führung

Zugezogene als Chance für die Minderheit

Dann entbrennt eine kleine Diskussion darüber, wie Minderheit in der Geschichte definiert wurde. Für Grella gebe es einige Marker, Traditionen, wie das Ostereiersuchen. „Etwas klassisch Deutsches, was in Dänemark niemand macht“. Auch sei es interessant, dass viele, die sich zur Minderheit bekannt haben, Sønderjysk sprachen und nicht Deutsch. In den 30er Jahren habe eine Umfrage gezeigt, dass 50 Prozent zu Hause Dänisch sprechen. „Bei vielen war es vermutlich Sønderjysk“, sagt Grella.

Zuzügler sind eine Chance.

Hauke Grella, Leiter des Deutschen Museums Nordschleswig

Und dann habe es bei vielen den lang gehegten Wunsch nach der Wiedervereinigung gegeben. Die Volksabstimmung habe dann eine Entscheidung für eine Seite erzwungen. „Hier war das Ergebnis absehbar, daher gab es auch keinen so immensen Wahlkampf“, sagt Grella. 

Angesichts der vielen Zuzüglerinnen und Zuzügler in Nordschleswig gehe für ihn die Tendenz heute eher in Richtung einer „schleswigschen Identität“. Er käme damit gut klar, sagt Grella. Zwar bleibe die Identitätenfrage immer wichtig, aber durch mehr Zugezogene in Schulen und Vereinen verschiebe sich alles. „Zuzügler sind eine Chance.“

Mehr lesen

Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Das Knivsbergfest: Fantastisch reicht doch“