Frauentag

Frauen in der Minderheit in der Minderheit

Frauen in der Minderheit in der Minderheit

Frauen in der Minderheit in der Minderheit

swa/cvt
Apenrade/Aabenraa
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Die Nordschleswigerin Seite 1
„Die Nordschleswigerin“ – unsere „Erstausgabe“ zum Internationalen Frauentag. Foto: DN

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Zum Internationalen Frauentag erscheinen wir gedruckt und im Internet als „Die Nordschleswigerin“. Doch, obwohl Frauen bei uns im Haus mit 17 zu 15 in der Mehrheit sind, besteht auch bei uns die tägliche Leitung derzeit nur aus Männern. Im Rest der Minderheit ist das ähnlich. Grund genug, Frauen zu Wort kommen zu lassen: Läuft da was falsch?

Zum Internationalen Frauentag lassen wir fünf Nordschleswigerinnen zum Zustand der Gleichstellung zwischen Frau und Mann in der deutschen Minderheit zu Wort kommen. Während sich die Volksgruppe national und international für die Gleichstellung von autochthonen Minderheiten und für Vielfalt einsetzt und das Engagement von Frauen ausdrücklich begrüßt, werfen  Zahlen aus der Minderheit Fragen auf:  In den Verbänden sind es noch immer hauptsächlich Männer, die den Ton angeben.

„Die vorhandenen Strukturen wurden von Männern für Männer gemacht und eignen sich darum nur bedingt für Frauen und deren Bedürfnisse und Anliegen. Frauen fühlen sich häufig in diesen Strukturen oder gar an deren Spitzen nicht wohl“, sagt zum Beispiel die Übersetzerin Marieke Heimburger aus Tondern.  

„Wir in der deutschen Minderheit in Dänemark sollten als Vorbild für andere Minderheiten in Europa dienen“, findet die Schülerin Ekaterina Khristoforova aus Apenrade, und die SP-Parteisekretärin Ruth Candussi meint: „Die heutigen Machtstrukturen, die den Rahmen bilden für die politische Arbeit, für das Treffen von Entscheidungen und die Organisation der Gesellschaft sind nicht mehr zeitgemäß. Sie entsprechen nicht dem Bild der heutigen Gesellschaft und schließen demnach große Teile dieser aus, Entscheidungen mitzutreffen.“

Claudia Knauer, Ruth Candussi, Marieke Heimburger, Ekaterina Khristoforova, Hannelore Holm und Kirsten Bachmann Foto: Archiv: DN

Sechs Fragen – fünf Frauen

Claudia Knauer ist Leiterin des Deutschen Büchereiverbandes und lebt in Apenrade. Ruth Candussi (Apenrade) ist Parteisekretärin der Schleswigschen Partei. Marieke Heimburger ist Übersetzerin aus Tondern. Ekaterina Khristoforova ist Schülerin am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig in Apenrade. Hannelore Holm ist  erste Vorsitzende des Sozialdienstes in Sonderburg und Kirsten Bachmann sitzt für die Schleswigsche Partei im Stadtrat der Kommune Sonderburg. Die Fragen stellte Sara Wasmund.

 

Frauentag

Der 8. März trägt viele Namen: Internationaler Frauentag, Weltfrauentag, Internationaler Frauenkampftag (in Dänemark gebräuchlich) oder auch Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden.
Sein Ursprung ist deutsch-dänisch: 1910 schlug die deutsche Sozialistin Clara Zetkin auf einer Konferenz in Kopenhagen einen Kampftag für das Wahlrecht der Frauen vor. 1911 wurde er dann erstmals begangen, in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz. Im nationalsozialistischen Deutschland war er von 1933 bis 1945 verboten, stattdessen wurde der Muttertag  in den Vordergrund gerückt. Das Feiern des  8. März wurde zu einem  Zeichen des Widerstands.

 

Erlebst du in deinem Alltag in Nordschleswig Nachteile oder Vorteile, weil du eine Frau bist?

Claudia Knauer: Weder noch würde ich sagen. Mir wird kein roter Teppich ausgerollt – warum auch –, aber es be-handelt mich auch keiner, als gehörte ich zu einer unterbelichteten Minderheit.

Ruth Candussi: Weder noch. Ich habe in meinem alltäglichen Leben in Nordschleswig keine Nachteile erlebt und auch keine eigentlichen Vorteile außer in den eher klischeehaften Situationen, wo es heißt „Ladies first“ …

Marieke Heimburger: Nein, ich erlebe weder das eine noch das andere. Was nicht heißen muss, dass sie nicht vorhanden wären. Der Mensch gewöhnt sich an vieles und bemerkt auf Dauer nicht mehr alles.

Ekaterina Khristoforova: Ich schließe im Sommer die 3g an dem DGN ab, und bis jetzt habe ich in Nordschleswig im Zusammenhang mit meinem Geschlecht keine Nachteile erlebt. Ein Vorteil, den ich jedoch sehr zu schätzen gelernt habe, ist, dass man das Gefühl hat, dass man in die nordschleswigsche Gemeinschaft gehört und ernstgenommen wird, egal ob man Mann oder Frau ist.

Hannelore Holm: Nein, weder Vor- noch Nachteile. Das Verhältnis ist ausgeglichen und liberal.

Kirsten Bachmann: Nein, nicht besonders.

Auf welches Problem willst du heute am Internationalen Frauentag hinweisen?

Claudia Knauer: Dass Frauen immer für das Emotionale zuständig sein sollen, dabei können Männer das genauso gut.

Ruth Candussi: Auf ungleichen Lohn für gleiche Arbeit. In vielen Branchen verdienen Frauen immer noch weniger als ihre männlichen Kollegen für die gleiche Arbeit.

Marieke Heimburger: Mein Steckenpferd ist der sensible Umgang mit der Sprache. Auch wenn viele es nicht hören oder wahrhaben wollen: Frauen sind in vielen Bereichen der deutschen Sprache unsichtbar. Sprache und Wirklichkeit bedingen einander, darum muss an beidem gearbeitet werden.

Ekaterina Khristoforova: Wir in der deutschen Minderheit in Dänemark sollten als Vorbild für andere Minderheiten in Europa dienen. Mit Hinblick auf die Gleichberechtigungsfrage, sowohl national als auch in den Minderheiten, sind viele Nationen leider hinterher, wobei wir sie als fortgeschrittene Minderheit als ein gutes Beispiel auf den richtigen Weg lenken können.

Hannelore Holm: Das Problem ist ganz klar: Junge Mädchen werden ins Ausland verheiratet. Der Bedarf, hier zu handeln, ist groß, die Diskriminierung von ausländischen Frauen ist ein allgegenwärtiges Problem. Beispielsweise im Gym sehe ich Mädels mit Kopftüchern. Die Verschleierung von jungen Frauen, die dann nach außen transportieren, sie hätten das selbst so gewählt und somit ihrer Selbstbestimmung beraubt werden. Das ist aber halt die Kultur.

Kirsten Bachmann: Dass wir leider mehr und mehr junge Mädchen und Frauen haben, die psychisch belastet sind. Es fängt leider schon in den Teenagerjahren an und wenn den Mädchen nicht geholfen wird, kann es sie noch viele Jahre verfolgen. Wir müssen uns mehr für die mentale Gesundheit einsetzen.

Bezeichnest du dich als Feministin?

Claudia Knauer: Klar, warum nicht. Frauen sind gleichberechtigt. Das ist noch immer nicht allen klar. Bis es so weit ist, muss dafür eingestanden werden. Das tun Feministinnen. 

Ruth Candussi: Nein, das nicht. Ich habe aber durchaus meinen Fokus auf die Position der Frauen in der Gesellschaft gerichtet.

Marieke Heimburger: Da ich althergebrachte Geschlechterordnungen hinterfrage, für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Frauen und gegen Sexismus jeder Art bin, kann ich mich wohl als Feministin bezeichnen, ja.

Ekaterina Khristoforova: Laut der Definition kämpfen Feministen aktiv gegen geschlechtliche Ungleichstellung und v. a. dafür, dass die Rechte und Interessen von Frauen gefördert werden können. Persönlich versuche ich, bewusst  aktiver für diese Sachen zu kämpfen, denn ich kann mich der Idee gut anschließen. Ich finde es wichtig, dass die Frauen zumindest die Möglichkeit haben, im sozialen Leben die gleichen Rollen zu spielen wie Männer. Gegenmeinungen dazu und die alten Geschlechterrollen sind mittlerweile veraltet. 

Hannelore Holm: Ich bin keine Feministin, aber emanzipiert. Mit dem Begriff Feministin sollte man, finde ich, vorsichtig umgehen. Der Begriff an sich hat für mich einen negativen Charakter, auch die „Me-too“-Debatte ist mir eine Nummer zu scharf. Eine radikale Feministin ist ganz bestimmt keine emanzipierte Frau, die Emanzipation ist viel wichtiger als der Feminismus. Ein Mann darf keine Angst haben, sich alleine mit einer Frau in einem Raum aufzuhalten. Auch die Rechte der Männer sind wichtig und dürfen ihnen nicht genommen werden.

Kirsten Bachmann: Schwer zu sagen. Ich setze mich sehr für die Gleichberechtigung ein, weil es mir am Herzen liegt, dass jeder in dem Umfeld aktiv sein kann, wo seine Interessen sind.

Was schätzt du am Frau-Sein?

Claudia Knauer: Dass ich kein Mann bin. Gerade die jungen Männer haben heutzutage auch eine schwere Last zu tragen mit all den divergierenden Ansprüchen an sie.

Ruth Candussi: Dass man die Dinge oftmals nuancierter sieht.

Marieke Heimburger: Ich finde es großartig, dass ich schwanger sein und zwei Kindern das Leben schenken konnte.

Ekaterina Khristoforova: Die Gemeinschaft mit anderen Mädchen und Frauen, und vor allem das Gefühl von Girlpower – ich schätze, dass Mädchen genauso stark, mutig und klug sein können wie Jungs.

Hannelore Holm: Ich bin so geboren, und ich habe das mein ganzes Leben lang geschätzt. Ich habe mich immer wohlgefühlt, jedoch gab es vor ca. 25 Jahren eine Zeit, in der ich das Gefühl hatte, noch mehr Mann sein zu müssen als mein männlicher Vorgänger. In meiner Zeit als stellvertretende Schulleiterin dachte ich, ich müsste mich noch mehr profilieren und männlicher sein, als ich es eigentlich war, um Erwartungen zu erfüllen. Das würde ich heute so nicht mehr machen, denn es ist gut, die Dinge auch von der weiblichen Seite zu betrachten.

Kirsten Bachmann: Alles. Ohne, dass es kitschig ist. Sie kleiden sich anders, denken anders und suchen Lösungen durch Kooperation und Harmonie.

Die Nordschleswigerin
Auch keine Lösung – aber ein Hingucker: Am 8. März erscheinen wir erstmals als „Die Nordschleswigerin“. Foto: Cornelius von Tiedemann

Es gibt in Dänemark weiterhin weniger Frauen als Männer in Politik und auf Führungsebene. Was ist deiner Meinung nach der Grund dafür?

Claudia Knauer: Weil Männer Männer nachziehen und keiner gerne freiwillig Macht abgibt, und weil Frauen nicht laut genug ,Hier’ rufen, wenn es um Führungspositionen geht.

Ruth Candussi: Es ist ein strukturelles Problem. Die heutigen Machtstrukturen, die den Rahmen bilden für die politische Arbeit, für das Treffen von Entscheidungen und die Organisation der Gesellschaft sind nicht mehr zeitgemäß. Sie entsprechen nicht dem Bild der heutigen Gesellschaft und schließen demnach große Teile dieser aus, Entscheidungen mitzutreffen. U. a. auch Frauen. Als jemand, der selber in einer politischen Organisation tätig ist, höre ich immer wieder von Frauen, dass die Art, wie die politische Arbeit organisiert ist und wie sie praktiziert wird, ihnen widerspricht und es ihnen nicht möglich macht, daran teilzunehmen. Dennoch habe ich Lust zu sagen, dass sich Frauen aus ihrer Komfortzone herausbewegen und in der politischen Arbeit engagieren sollten. Sie sollten sogar ausdrücklich darauf bestehen, dies tun zu können, denn nur so kann der Druck entstehen, den es bedarf, die Strukturen zu ändern.

Marieke Heimburger: Die vorhandenen Strukturen wurden von Männern für Männer gemacht und eignen sich darum nur bedingt für Frauen und deren Bedürfnisse und Anliegen. Frauen fühlen sich häufig in diesen Strukturen oder gar an deren Spitzen nicht wohl. Genauso häufig wissen Männer aber auch immer noch, wie dafür zu sorgen ist, dass sie möglichst unter sich bleiben.

Ekaterina Khristoforova: Beispielsweise merke ich schon, dass in der Jugendpartei „junge Spitzen“ der Anteil an Frauen bzw. Mädchen wesentlich kleiner ist als der Anteil an Jungs/Männern. Ich würde aber nicht behaupten, dass es an einer ungleichen Behandlung liegt – nach meinem Empfinden werden die Frauen/Mädchen, die gerne teilnehmen wollen, auch herzlich gerne dazu eingeladen. Natürlich ist diese Fragestellung auf einer nationalen Ebene schwieriger zu beurteilen. In der Politik werden die Kandidaten logischerweise wegen ihrer Ideologien und persönlichen Erfahrungen gewählt, deshalb müsste man in der Realität dafür sorgen, dass das Interesse für die Beteiligung dafür unter den Frauen mehr verbreitet wird, und dass man es normalisiert, als Frau einen Beruf auf Führungsebene einzunehmen.

Hannelore Holm: Ich bin nicht sicher, dass das stimmt. Es gibt weibliche Parteivorsitzende, auch hier im Stadtrat sitzen zwei Frauen. Natürlich gibt es dort auch viele Männer. Ich sehe dort jedoch eine positive Entwicklung, und es gibt viele tüchtige Frauen, die sich für solche Positionen bewerben. Es gibt immer Personen, die das können, wie Helle Thorning zum Beispiel.

Kirsten Bachmann: Es liegt nicht so in den Genen und ich glaube, viele Frauen lernen später als Männer, sich für eine Sache politisch einzusetzen. Zu dem Zeitpunkt sind dann schon viele Männer aktiv.

„Feierst“ du den Internationalen Frauentag?

Claudia Knauer: Nein.

Ruth Candussi: Nicht mit ausdrücklichen Handlungen, aber ich freue mich jedes Jahr wieder, dass es ihn gibt und dass er markiert wird, und mir gefällt vor allem der dänische Ausdruck dafür, wo er internationaler KAMPFtag der Frauen heißt.

Marieke Heimburger: Normalerweise nicht, nein. Dieses Jahr verfolge ich aber z. B. mit freudigem Interesse das Engagement meiner 19-jährigen Bonustochter, die am 8. März in Santiago de Chile für die Rechte der Frauen auf die Straße gehen wird. Ich unterstütze sie in diesem Vorhaben, sehe mir die Demos aber aus gebührendem Abstand an.

Ekaterina Khristoforova: Ja, für mich hat der Tag große Bedeutung. Ich bin mit der russischen Gewohnheit aufgewachsen, dass der Feiertag gleichzeitig der nationale Muttertag ist, weswegen ich seit Langem diesen Tag gemeinsam mit meiner Familie gefeiert habe. Außerdem empfinde ich im Laufe der letzten Jahre auch den Internationalen Frauentag als wichtiges Element in der Geschichte von dem Kampf um die Gleichberechtigung. Dieser Tag kann weiterhin hoffentlich die Tatsache, dass sich die Lage vieler Frauen über die Jahre verbessert hat, ordentlich feiern – gleichzeitig aber auch bei Bedarf zu weiteren Verbesserungen motivieren.

Hannelore Holm: Ich feiere ihn nicht in dem Sinne, nehme aber am Nachmittag an einer Veranstaltung zum Internationalen Frauentag teil. Es ist schon ein wichtiger Tag für mich.

Kirsten Bachmann: Ich gehe zu einem Vortrag mit einer Freundin.

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Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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