Runder Geburtstag

Glühende Gary-Cooper-Anhängerin feiert ihren 100.

Glühende Gary-Cooper-Anhängerin feiert ihren 100.

Glühende Gary-Cooper-Anhängerin feiert ihren 100.

Tondern/Tønder
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Gertrud Claussen in ihrer gemütlichen Stube. Foto: Brigitta Lassen

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Gertrud Claussen, Tondern, hat eine Vorliebe für den britisch-amerikanischen Schauspieler und trug sogar einen Ring mit seinem Bild. Im Jahre 1981 heiratete sie heimlich, während an der Westküste Sturmflut war.

Nur das Sehen bereitet Gertrud Claussen aus Tondern mittlerweile Probleme. Ansonsten ist die rüstige Rentnerin topfit und kann wohl ohne Umschweife als Lebenskünstlerin bezeichnet werden. Am Mittwoch, 30. Dezember, feiert sie ihren 100. Geburtstag.

Die Corona-Pandemie hat die Planung der Feier, die ursprünglich im Ballumer Schleusenkrug hätte stattfinden sollen, restlos auf den Kopf gestellt. Es musste mehrfach umdisponiert werden, und die Gästeschar wird nun auf ein Minimum dezimiert.

Auch Weihnachten wird nicht wie sonst bei ihrer Enkelin Eike in Baurup (Bovrup) gefeiert. Dafür kommt ihre Tochter Annemarie aus Marstrup mit Ehemann und dem Weihnachtsessen zu ihr in das gemütliche Reihenhaus am Plantagevej in Tondern, wo sie seit 2003 wohnt. Doch Weihnachten ein bisschen vorfeiern darf man, und so fuhr sie dann am 23. Dezember zu ihrer Enkelin.

Stets freundlich, zufrieden, lächelnd und schlagfertig meistert sie den Alltag, gut unterstützt von ihrer Tochter Erna in Tondern. Die Corona-Pandemie kann ihr nicht viel anhaben. Sie schüttelt dem Besucher sogar die Hand und geht mit ihrer Tochter einkaufen. Mit Maske versteht sich.

Walzer, Polka und Tango

Sie liebte es, Walzer, Polka und Tango zu tanzen. Und die lebhafte Jubilarin hatte noch eine andere Leidenschaft: Sie war glühende Anhängerin des amerikanischen Schauspielers Gary Cooper. Der Mann hatte es ihr sogar so stark angetan, dass sie einen Ring mit seinem Bild trug.

Heute lacht sie über diese Schwärmerei zu diesem Mann, der 19 Jahre vor ihr zur Welt kam. Geheiratet hat sie aber nach ihrer Scheidung von Matthias Petersen – aus der Ehe gingen die beiden Töchter hervor – den Viehhändler Jacob Claussen. Not hat die Familie während des Zweiten Weltkriegs erlebt. „Wir hatten genug zu essen. Wir hatten ja Kühe und Schweine im Hinterhof“, erzählt Gertrud Claussen. Außerdem konnte sie nähen und hat für ihre Töchter auch Kleidung aus Papierfasern genäht.

Frikadellen mit Haferflocken

Gertrud Claussen – mit vollem Namen heißt sie Gertrud Minna Olga – ist in ihrer Familie, zu der neben den beiden Töchtern sechs Enkel und neun Urenkel zählen, auch für ihre Kochkunst bekannt. Sogar die Kinder ihrer Enkel können erkennen, ob es die Frikadellen von Olde sind oder nicht. Enttäuscht wird kommentiert, wenn es nicht die von ihr zubereiteten Fleischklöße gibt.

Als kleinen Tipp verrät Gertrud Claussen, dass sie anstelle von Brotbrösel Haferflocken für die Frikadellenproduktion nimmt. Kürzlich hat sie gleich 85 Stück produziert, die bei ihrer Geburtstagsfeier im engsten Familienkreis serviert werden.

Die Frikadellen von Gertrud Claussen lieben alle in der Familie. Foto: privat

Gertrud Claussen wurde zwar in Jels geboren, wuchs aber in Rapstedt (Ravsted) mit vier Geschwistern auf, die drei mittleren sind verstorben. Mit ihrem jüngsten Bruder Dieter in Norwegen hat sie noch regen Kontakt. Mit ihren Enkeln und Urenkeln telefoniert sie per Handy und kann auch Kurzbescheide (Sms) schreiben. Auch am Computer – wenn auch ohne Internet ausgestattet – sitzt die rüstige Dame und spielt Spiele oder schaut sich Bilder an.

Am Computer spielt die bald 100-Jährige Spiele und schaut sich Bilder an. Foto: privat

Aus eigenem Antrieb meldete sie sich für einen Platz im Tageszentrum in Richtsens Pflegeheim an. Ihr gefiel es so gut, dass sie dort heute dreimal in der Woche von 9-12 Uhr den Vormittag verbringt. „Wir schnacken, schälen Äpfel und machen Grütze daraus, machen Blumen- und Adventsgestecke, gehen spazieren, legen die vielen Geschirrtücher des Heims zusammen oder backen“, zählt sie einige der Aktivitäten auf. Dort wurde ihr Geburtstag am 23. Dezember auch gefeiert.

 

Beim Apfelschälen im Tageszentrum des Pflegeheims Foto: privat

Ihre Unternehmungslustigkeit hat sich Gertrud Claussen bis ins hohe Alter bewahrt. Sie liebte es zu verreisen. Ihr im Jahre 1992 verstorbener Mann hatte keine Lust dazu. Daher fand sie in ihrer Nachbarin Hanni Brendel eine Reisebegleiterin. Die beiden waren zur Kur in Karlsbad, waren in Breslau, wo ihr Vater geboren war, und sie reiste 1986 als Mitglied mit der Nordschleswigschen Musikvereinigung nach Frankreich. Oder mit der Familie vor 52 Jahren zur Hochzeit ihres Bruders in Norwegen. Mit 92 Jahren äußerte sie den Wunsch auf einen Tivoli-Besuch. Ihr Wunsch wurde erfüllt.

Berufstraum erfüllte sich nicht

Für einen anderen Traum galt dies nicht. Gertrud Claussen wäre sehr gerne Lehrerin geworden. Besonders Mathematik lag ihr. Ihr Lehrer in Rapstedt, Arthur Lessow, hatte bei den Eltern eine Fortsetzung des Schulbesuches empfohlen. Aber als älteste Tochter musste Geld verdient werden. Für Schule gab es bei fünf Kindern kein Geld.

 So kam sie früh als junges Mädchen in den Haushalt und erinnert sich noch gut an eine etwas hysterische Chefin, die einen wahren Putzfimmel hatte. 1940 zog sie nach Tondern und lebte 50 Jahre an der Strucksallee. 21 Jahre servierte sie in der Kantine des Tonderner Krankenhauses, bis sie in Frührente ging. Viele Jahre arbeitete die große Blumenfreundin auch im Vorstand des Sozialdienstes Tondern mit.

Ich war schon fast 20 Jahre alt, und mein kleiner Bruder war als Nachzügler erst eben zur Welt gekommen. Das fand ich sehr spannend.

Gertrud Claussen

Als eine ganz besondere schöne Weihnacht ist ihr das Fest 1940 in Erinnerung geblieben. „Ich war schon fast 20 Jahre alt, und mein kleiner Bruder war als Nachzügler erst eben zur Welt gekommen. Das fand ich sehr spannend."

Pigeonäpfel gehören für sie zum Fest wie der Weihnachtsbaum. „Meine Großeltern auf Alsen hatten einen riesigen Garten. Dort hatten sie auch einen Baum mit diesen Äpfeln. Daher stehen Pigeonäpfel immer auf der Einkaufsliste zu Weihnachten".

Heimliche Hochzeit bei Sturmflut

Gertrud Claussen hat Witz und lacht noch heute über eine Überraschung, die sie ihrer Familie 1981 bereitete. Es war Sturmflut, und sie hielt sich mit ihrem damaligen Lebensgefährten Jacob in Brørup auf, wo das Paar oft den Viehmarkt besuchte. Die Familie wusste nichts und machte sich Sorgen. Die beiden schauten sich in Brørup nicht nur Rinder an, sondern heirateten heimlich, nachdem sie schon 25 Jahre ein Paar gewesen waren.  Über die Hochzeit wurde die Familie erst informiert, als Gertrud Claussen ihren 61. Geburtstag mit ihren Angehörigen feierte.

Großes Fest wird nachgeholt

Für Gertrud Claussen ist es keine Last, 100 Jahre alt zu werden. Morgens kommt die Heimhilfe auf Wunsch der Tochter, „obwohl ich das leicht selber schaffen kann“, lacht die bald 100-Jährige. Sie kann alle Tiefen des Lebens zum Besten wenden und denkt stets immer erst an andere. Am 30. Dezember denkt die Familie aber nur an ihre Mutter, Schwiegermutter, Oma und Uroma, die sie alle von Herzen lieben. Ein großes Geburtstagsfest mit allen soll zu einem späteren Zeitpunkt gefeiert werden.

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