Abschieds-Interview

Sechs Jahre im Stadtrat – ein Rückblick

Sechs Jahre im Stadtrat – ein Rückblick

Sechs Jahre im Stadtrat – ein Rückblick

Sonderburg/Sønderborg
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Dieter Jessen am 22. Dezember bei seinem letzten Wortbeitrag im Sonderburger Stadtrat. Für ihn und zehn weitere Mitglieder war es die letzte Stadtratssitzung als gewählte Abgeordnete, am 1. Januar 2022 nimmt das neu gewählte Kommunalparlament die Arbeit auf. Foto: Stephan Kleinschmidt

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Sechs Jahre lang hat Dieter Jessen im Sonderburger Stadtrat die Lokalpolitik mitgestaltet, zum Ende des Jahres scheidet er aus dem Kommunalparlament aus. Im Interview blickt der 67-Jährige auf seine Zeit als Stadtratspolitiker zurück.

Du bist 2015 für die Schleswigsche Partei und Bodil Matzewska in den Stadtrat nachgerückt. Wie überraschend kam das damals für dich?
„Ich war ja nur der zweite Suppleant. Gisela Weber Mezghani hatte den Posten der ersten Stellvertreterin, war beruflich aber sehr eingespannt und konnte daher nicht. Ich erinnere mich daran, dass Stephan (Kleinschmidt, d. Red.) mich anrief und sagte, dass ich möglicherweise in den Stadtrat nachrücken würde. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Mein erster Gedanke galt Bodil, die erkrankt war und aus dem Stadtrat ausscheiden würde. Sie hatte ihre Arbeit sehr gut gemacht und hatte große Kompetenzen in den Ausschüssen für Soziales, Gesundheit und Kinder und Jugendliche. Wir befanden uns damals im Sommer 2015 auf einer Radtour auf dem Ochsenweg, und ich begann, mir Gedanken zu machen. Ich fand, wer A sagt, muss auch B sagen, und im Grunde war das eine Aufgabe, die ich sehr gerne übernehmen wollte. Also habe ich mich darangemacht, Tagesordnungen und Protokolle der Ausschüsse durchzulesen, um mich vorzubereiten. Am 2. September 2015 nahm ich dann zum ersten Mal an einer Stadtratssitzung teil.“

Plötzlich Stadtratspolitiker ­– warst du gut vorbereitet auf die Arbeit?
„Mitarbeiter aus der Verwaltung haben mich gut eingearbeitet. So konnte ich unter anderem alle Wohngemeinschaften für betreutes Wohnen in Sonderburg besuchen und die Bewohner und Angestellten kennenlernen. Das war sehr gut, denn im Sozialausschuss und im Behindertenrat haben wir ja unter anderem dafür Politik gestaltet. Wo mir rückblickend wahrscheinlich etwas gefehlt hat, war die technische Seite der Verwaltungsarbeit. Neue Stadtratsmitglieder nehmen an einem Kursus teil, bei dem sie Grundlagen über Richtlinien und Prozedere der Verwaltungsarbeit lernen. Ich habe das dann im Laufe der Arbeit gelernt.“

Oft sind es die kleinen Dinge, an denen wir etwas ändern können, wo wir Sachen und Umstände verbessern können. Aber die kleinen Dinge sind für die Betroffenen oft die großen Dinge.

Dieter Jessen, scheidender Stadtratspolitiker

Wo konntest du als Mitglied in einem Ausschuss oder als Teil des Behindertenrats mit deiner Arbeit einen Unterschied für die Bürgerinnen und Bürger der Kommune machen?
„Im Kontakt zu Menschen mit Behinderungen oder deren Angehörigen hört man, welche Wünsche es gibt und wo im Alltag Herausforderungen und Probleme sind. Mir ist dadurch beispielsweise aufgefallen, dass nicht alle öffentlichen Gebäude gut zugänglich und nutzbar sind, wenn man Behinderungen hat. Beispielsweise im Anbau neben dem Rathaus oder sogar auch im Haus der Freiwilligen in der Perlegade. In den Budgetverhandlungen konnten wir dieses Thema mit aufnehmen. Nun untersucht die Verwaltung, wo es in kommunalen Einrichtungen Zugangsbarrieren gibt. Oft sind es die kleinen Dinge, an denen wir etwas ändern können, wo wir Sachen und Umstände verbessern können. Aber die kleinen Dinge sind für die Betroffenen oft die großen Dinge.“

Wie viel Zeit hast du für deine Stadtratsarbeit aufgewendet?
„In den Wochen mit Ausschusssitzungen waren das zwischen 12 und 18 Stunden pro Woche. Ich bin immer gut vorbereitet in die Sitzungen gegangen und habe mich mit der Tagesordnung und den Details beschäftigt. Ich habe auch mal einen Urlaubstag von der Arbeit genommen, um mich ordentlich vorzubereiten.“

Bekommt man als Mitglied im Stadtrat und im Ausschuss Geld?
„Es gibt für beides eine Aufwandsentschädigung. Das beinhaltet auch die vier Themensitzungen im Jahr, bei denen der gesamte Stadtrat über bestimmte Bereiche informiert wird, wo man redet und diskutiert. Das habe ich immer als sehr wertvoll empfunden, weil man quer durch die Parteien den Austausch sucht.“

Im Sonderburger Rathaus hat Dieter Jessen die Lokalpolitik mitgeprägt. Foto: Sara Eskildsen

Wie hast du die Stimmung im Stadtrat erlebt?
„Als sehr gut. Es gibt eine gute Zusammenarbeit. Natürlich wird in den Stadtratssitzungen zu bestimmten Themen auch mal was Kritisches gesagt. Aber nach den Sitzungen essen wir immer zusammen und reden miteinander. Wir gehen nicht nach Hause und sind böse aufeinander. Das habe ich immer als ein gutes Miteinander empfunden.“

Was hältst du von der neuen, breiten Konstellation im Sonderburger Stadtrat?
„Ich freue mich für Stephan, dass es ihm gelungen ist, sein Ziel zu verfolgen und eine breite Konstituierung zu erzielen. Man ist sich einig über viele Punkte, und ich denke, dass man durch die getroffene Absprache eine gute Zusammenarbeit haben wird. Ich werde das natürlich mit Interesse verfolgen – und die Tagesordnungen meiner alten Ausschüsse abonnieren.“

Dieter Jessen mit seiner Lebensgefährtin Kirstin Kristoffersen vor der Kirche in Schwabstedt Foto: Privat

 

Bei der Seniorenratswahl bist du in den Seniorenrat gewählt worden. Dadurch wirst du mit einigen der Stadtratskollegen weiter zusammenarbeiten – in welcher Form?
„Der Seniorenrat trifft sich regelmäßig mit dem Ausschuss für Soziales, ich meine, das ist einmal im Jahr. Der Seniorenrat selbst trifft sich etwa achtmal im Jahr – am 10. Januar kommen wir zusammen, damit sich der Rat konstituiert.“

Wie blickst du nach sechs Jahren im Stadtrat auf deine Arbeit zurück? Bist du zufrieden mit dem, was du erreicht hast?
„Ein großer Teil der Arbeit besteht daraus, in den Ausschüssen gemeinsam zu diskutieren. Dort findet man heraus, welche Richtung man einschlagen will. Daher ist es nicht so einfach zu sagen: Das und das habe ich erreicht. Vieles kommt aus der Zusammenarbeit und wird im Kleinen diskutiert. Im Gespräch mit den Menschen kann man als Stadtratsmitglied auch gut erläutern, wie die Verwaltung funktioniert. Und warum Dinge manches Mal länger dauern, weil man alle Richtlinien einhalten muss. Als Stadtratsmitglied habe ich öfter Mails oder Anrufe von Bürgern erhalten, die auf etwas aufmerksam gemacht haben.“

Gibt es konkrete Projekte, wo du weiterhelfen konntest?
„Beispielsweise gab es einen Mann aus Alnor, der darauf hingewiesen hat, dass sich ältere Menschen kaum über die Ampel an der Kreuzung Sildekule trauen, weil die grüne Phase so kurz ist. Das habe ich direkt in die Verwaltung weitergeleitet – und die Grünphase für Fußgänger wurde verlängert. Und in meiner Nachbarschaft in Brunsnis gibt es einen Platz, Sandkulen, wo man mit dem Zelt für eine Nacht übernachten kann. Da die nächste Toilette 500 Meter weit weg liegt, wird die Natur oft als Toilette benutzt, womit die Nachbarn nicht zufrieden sind. Mein Vorschlag, vor Ort eine Toilette einzurichten, ist im zweiten Anlauf im Budget 2022 mitgekommen. Für eine Toilette bei Brunsnis am Gendarmenpfad sind 100.000 Kronen abgesetzt worden. Konkret kann ich mich auch an ein Schlagloch bei Rinkenis erinnern, das immer wieder aufbrach und feucht wurde. Darauf wurde ich angesprochen, und nachdem ich das untersucht hatte, habe ich ein Foto von dem Loch gemacht und eine Beschreibung über die App „Giv et praj“ an die Kommune geschickt. Und tatsächlich – kurz darauf wurde ein ganzes Stück Asphalt rund um das Loch ausgebessert. Die App können aber alle nutzen, um die Kommune auf Misstände hinzuweisen. Das ist ein richtig gutes Werkzeug.“

Dieter Jessen
Dieter Jessen nach der Wahl 2017, als er erneut für die Schleswigsche Partei im Sonderburger Stadtratssaal Platz nahm. Foto: Karin Riggelsen

Am 31. Dezember endet dein Amt als Stadtrat. Was machst du mit all der Zeit, die du nun übrig hast?
„Ich bin Kassierer in vier Vereinen, das nimmt einiges an Zeit in Anspruch. Ansonsten freue ich mich über mehr Zeit für Spaziergänge und Radtouren, das hat in diesem Jahr eigentlich schon ganz gut geklappt. Gartenarbeit in Iller Strand und in Schwabstedt, wo Kirstin (Kristoffersen, d. Red.) Pastorin ist, gehört sicher auch dazu. Ich bin oft gefragt worden, ob ich nach Hamburg ziehe, wo Kirstin gewohnt hat. Aber nein, ich werde zwar öfters in Schwabstedt sein, wo Kirstin nun Pastorin ist, behalte mein Haus in Iller Strand aber.“

 

Was machst du an Silvester?
„Eigentlich wollten wir nach Hestehave zur Tochter, aber das Enkelkind hat Corona. Daraus wird also nichts. Kirstin hat zwei Gottesdienste am 31. Und dann fahren wir nach Iller Strand. Auf meine Zeit im Stadtrat werde ich gerne zurückblicken. Das war eine Zeit, die ich bestimmt nicht missen möchte.“

 

 

 

 

 

 

 

 

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