Deutsches Museum Nordschleswig

Ausstellung zeigt: So jubelte die deutsche Minderheit den Besatzern zu

Ausstellung zeigt: So jubelte die deutsche Minderheit den Besatzern zu

Ausstellung: So jubelte die Minderheit den Besatzern zu

Sonderburg/Sønderborg
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Aufnahmen wie diese werden in der neuen Ausstellung zu sehen sein, die das Deutsche Museum Nordschleswig derzeit in Sonderburg vorbereitet. Foto: Sara Eskildsen

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Als Nazi-Deutschland am 9. April in Dänemark einmarschierte, feierten Teile der Bevölkerung diesen Vorgang. Das Deutsche Museum in Sonderburg beleuchtet in einer neuen Ausstellung, warum die deutsche Minderheit die einmarschierenden Truppen 1940 begrüßte.

„In Andenken an den Einmarsch unserer herrlichen Wehrmacht am 9. April 1940“ – mit diesen einleitenden Worten hielt ein Mitglied der deutschen Minderheit aus Stollig den Einzug der deutschen Besatzer am 9. April fest. Fundstücke wie diese sichert Museumsleiter Hauke Grella derzeit haufenweise.

Denn zusammen mit dem Archiv Nordschleswig stellt er gerade eine Ausstellung zusammen, die sich mit dem 9. April befasst. Jenem Tag 1940, an dem die deutsche Wehrmacht in Dänemark einmarschierte und das Land besetzte.

Ausstellung zeigt die Haltung der Minderheit 1940

Die Ausstellung eröffnet im Frühjahr 2023 und wird zeigen, wie große Teile der deutschen Minderheit in Nordschleswig den Einzug der deutschen Truppen begrüßten – und bejubelten.

Die Aufgabe von Museumsleiter Hauke Grella ist es, anhand von Bild- und Textmaterial zu zeigen, wie die deutsche Besatzungsmacht von der deutschen Minderheit willkommen geheißen wurden – und warum.

Hauke Grella mit Archivmaterial: Die Sonderausgaben der deutschen und der dänischen Presse zum Einmarsch der deutschen Truppen Foto: Sara Eskildsen

Wie kam es zur Idee, den 9. April 1940 in einer Ausstellung aufzuarbeiten?

„Wir haben dazu intern einiges an Fotomaterial gefunden, auch von Angehörigen der deutschen Minderheit, wo direkt der 9. April privat oder halb dienstlich fotografiert und festgehalten wurde. Beispielsweise, wenn man in der NSDAP Nordschleswig aktiv war. Das ist eine Masse an Fotos geworden.“

Bilder, die man öffentlich noch nie gesehen hat

Zum Teil Bilder, die man öffentlich sicherlich so noch nie gesehen hat, sagt Grella. „Wir haben Fotos aus Osterhoist reinbekommen, die man noch nie gesehen hat. Aber auch Fotos aus Apenrade und Tondern, die zeigen, wie die Wehrmacht durch die Straßen zieht und von Teilen der deutschen Minderheit jubelnd empfangen wird, auch mit gewissen Grüßen.“

Deutsche Truppen am 9. April 1940 am Apenrader Strand Foto: Sara Eskildsen

Die Fotos zeugen von Paraden der deutschen Jungenschaft Nordschleswig in den Straßen der Städte, von Maschinengewehren auf Pferdewagen bei Hadersleben (Haderslev), der Kavallerie am Stadtstrand von Apenrade (Aabenraa) oder einem Auflauf der Schleswigschen Kameradschaft vor dem alten Rathaus.

Freudenparaden entlang der Landstraßen

„Das waren alles Leute aus der deutschen Minderheit, die ein Fest gefeiert haben“, stellt Hauke Grella mit Blick in die Alben fest.

„Die Soldaten aus Deutschland werden zum Teil auch komisch geguckt haben, als sie nach Dänemark einmarschierten und dann mit Freudenparaden entlang der Landstraßen und in den Städten begrüßt wurden!“

Moderne und alte Kriegsausstattung wurden beim Einmarsch nach Dänemark kombiniert: Das Foto zeigt eine Schnellfeueranlage auf einem Pferdewagen. Foto: Sara Eskildsen
Die „Nordschleswigsche Zeitung“ brachte zum 9. April eine Sonderausgabe unter dem Titel „Dänemark unter deutschem Schutz“. Foto: Sara Eskildsen

Die Ausstellung soll vor Augen führen, wie unterschiedlich die Besatzung in Nordschleswig erlebt und empfunden wurde. „Zum einen die dänische Mehrheitsbevölkerung, für die sich der schlimmste Albtraum abzeichnet. Verhaltene Mienen. Menschen, die nicht genau wussten, was jetzt kommt“, stellt Grella fest.

Hoffnung trifft auf Albtraum

„Und auf der anderen Seite große Teile der deutschen Minderheit, die diesem Tag ja voller Hoffnung entgegengesehen hatten. Die auf die Wiedervereinigung mit Deutschland gehofft hatten. Im Grunde genommen dachte man: Jetzt ist es so weit. Diese ganze Hoffnung, die man nach 1920 aufgebaut hatte. Das ist das Extreme an diesem Tag, und das wollen wir in der Ausstellung zeigen. Einerseits die hoffnungsvolle Erwartung: Gehören wir bald wieder zu Deutschland? Und auf der anderen Seite der dänischen Bevölkerung die Befürchtung und die negativste Erwartung: Werden wir jetzt Teil von Deutschland?“

Auch die dänische Presse, hier „Jydske Tidende“, berichtete in Sonderausgaben über den Einmarsch. Foto: Sara Eskildsen

Die Ausstellung wird den zeitlichen Verlauf des Tages darstellen. Sie beinhaltet Foto-Elemente und einordnende Texte. „Wir haben auch einige schriftlichen Erinnerungen von Mitgliedern der deutschen Minderheit, davon werden wir Zitate zeigen.“

Außerdem gibt es Einblicke, wie die „Nordschleswigsche Zeitung“ und die dänische Zeitung „Jydske Tidende“ über den Einmarsch der deutschen Truppen berichtete. „Objektiv war die Berichterstattung damals sicherlich nicht“, stellt Grella fest.

Sonderausgabe: „Dänemark unter deutschem Schutz“

So veröffentlichte die „Nordschleswigsche Zeitung“ damals eine Sonderausgabe unter dem Titel „Dänemark unter deutschem Schutz“. „So hat man das ganze damals verkauft“, erläutert der Museumsleiter.

Die Volksabstimmung empfand man, mit den unterschiedlichen Abstimmungsregeln, in der deutschen Minderheit als ungerecht. Die Frage der Grenze war ein sehr, sehr verfestigtes Thema innerhalb der deutschen Minderheit. All das führte dazu, dass der 9. April so war, wie er war.

Hauke Grella, Museumsleiter

Die Ausstellung thematisiert auch die Frage, warum ein großer Teil der Minderheit die Besatzung begrüßte. Warum man sich 20 Jahre nach der Grenzziehung weiterhin nicht zu Dänemark gehörig fühlte.

„Dieser Kontext ist enorm wichtig. 1940 gab es die deutsche Jungenschaft und die deutsche Mädchenschaft schon sechs, sieben Jahre. Die haben ja nicht nur Geländespielchen gemacht und am Lagerfeuer gesessen. Die sind ideologisiert worden, und zwar regelmäßig. Immer im Hinterkopf: dass man eigentlich gerne wieder Teil von Deutschland sein möchte. Wir thematisieren die Beweggründe dahinter. Warum wurden die Besatzer so begrüßt? Diese Erklärung, warum sich die Minderheit an diesem Tag so verhalten hat, ist enorm wichtig.“

Hauke Grella bei der Arbeit. Mit Hilfe des Archivs Nordschleswig und der ehrenamtlichen Mitarbeitenden stellt er derzeit das Material für eine Ausstellung über den 9. April 1940 zusammen. Foto: Sara Eskildsen

Warum war die deutsche Minderheit in Nordschleswig so offen und empfänglich für Nationalsozialisten?

„Da gab es viele Faktoren. Zum einen war die wirtschaftliche Lage nicht die Beste. Extreme wirtschaftliche Krisen, die auch auf Nordschleswig einwirkten. Man spürte die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges. Man spürte den Zusammenbruch der bestehenden Strukturen durch die Volksabstimmung 1920 und die Wiederangliederung Nordschleswigs an Dänemark. Außerdem das Politische: Man war es nicht gewohnt, Teil einer Demokratie zu sein. Die Volksabstimmung empfand man, mit den unterschiedlichen Abstimmungsregeln, in der deutschen Minderheit als ungerecht. Die Frage der Grenze war ein sehr, sehr verfestigtes Thema innerhalb der deutschen Minderheit. All das führte dazu, dass der 9. April so war, wie er war.“

Eröffnung im Frühjahr 2023

Es wird das erste Mal sein, dass man sich innerhalb der deutschen Minderheit so intensiv und öffentlich mit dem 9. April auseinandersetzt, so Grella.

Die Ausstellung wird im Vorfeld des 9. Aprils 2023 eröffnen und in einem Raum im ersten Stock des Neubaus zu sehen sein.

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