Leitartikel

„Venstre wackelt weiter“

Venstre wackelt weiter

Venstre wackelt weiter

Nordschleswig/Kopenhagen
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Bei der Partei Venstre laufen dem Parteichef Uffe Ellemann-Jensen die erfolgreichsten Folketingskandidatinnen und -kandidaten davon. Doch auch die deutsche Minderheit in Nordschleswig ist vom neuesten Abgang betroffen, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Was haben diese Folketingsmitglieder der Partei Venstre gemeinsam?

Lars Løkke Rasmussen 40.745 persönliche Stimmen bei der Folketingswahl 2019.

Inger Støjberg 28.420.

Tommy Ahlers 26.420.

Karsten Lauritzen 18.335.

Ellen Trane Nørby 13.477.

Kristian Jensen 10.759.

Britt Bager 10.490.

Sie haben alle ihre Partei verlassen, beziehungsweise angekündigt, dass sie zum Ende der Wahlperiode – spätestens im Juni 2023 – nicht mehr kandidieren.

Dem „neuen“ Vorsitzenden von Venstre, Jakob Ellemann-Jensen, laufen die Topscorer davon. Von den sieben erfolgreichsten Stimmenschluckern der Wahl 2019 sind fünf nun weg. Die jüngste Hiobsbotschaft erreichte den Parteichef am Wochenende, als Ellen Trane Nørby ihr Karriereende bekannt machte.

Für Ellemann-Jensen kommt nach dem internen Ärger bei Venstre einfach keine Ruhe ins Team. Das ist den Wählerinnen und Wählern gegenüber ein schlechtes Signal und lässt sich in diesen Monaten an den Meinungsumfragen ablesen: Zwar holt der blaue Block immer mehr zum roten Regierungsblock von Mette Frederiksen (Soz.) auf, doch im bürgerlichen Lager haben die Konservativen von Søren Pape Poulsen (17 Prozent) nun einen deutlichen Vorsprung auf Venstre (13 Prozent).

Was Ellemann-Jensen gut ein Jahr vor der nächsten Wahl braucht, ist Zusammenhalt und ein starkes Team mit Persönlichkeiten, die etwas reißen können. Doch obwohl der Ärger mit dem Ausstieg von Løkke Rasmussen, Jensen und Støjberg ad acta gelegt worden ist, wackelt Venstre weiter.

Natürlich werden sich andere Kandidatinnen und Kandidaten auf die Positionen der alten Garde stellen, doch die 150.000 Venstre-Wählerinnen und -Wähler werden sich neu orientieren müssen – und könnten aus diesem Grund für die Partei ganz verloren gehen.

Doch nicht nur für Jakob Ellemann-Jensen und seine Partei ist das Karriereende von Ellen Trane Nørby unglücklich. Auch in der deutschen Minderheit in Nordschleswig ärgern sich die Verantwortlichen, ist die erfahrene Venstre-Politikerin doch immer eine sichere Anlaufstelle gewesen, wenn Probleme auftauchen.

Auch hier gilt, dass andere Folketingspolitikerinnen und -politiker ihr nachfolgen werden, doch es ist schon wertvoll gewesen, jahrelang eine Fürsprecherin der Minderheit in zentralen Machtpositionen zu haben. Mit der Sonderburgerin steigt eine enge Vertraute der Minderheit aus der Landespolitik aus.

Die Spitze der deutschen Minderheit weiß natürlich über solche Machtverschiebungen und mehr oder weniger gewollte Abschiede in der Politik bestens Bescheid, und setzt aus eben diesem Grund auch auf eine breite Zusammenarbeit mit allen Parteien im Folketing.

Eine kluge Strategie, aber deshalb wird Ellen Trane Nørby der Minderheit auf Christiansborg dennoch fehlen.

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