Rückblick
Ingrid Brase Schloe – literarische Spurensuche
Ingrid Brase Schloe – literarische Spurensuche
Ingrid Brase Schloe – literarische Spurensuche
Rainer Iwersen hat mithilfe des nordschleswigschen Autors H. E. Sørensen eine Übersicht über die Werke der kürzlich verstorbenen Ingrid Brase Schloe zusammengestellt.
H. E. Sørensens Buch „Alle de skjalde. Litteraturen i Sønderjylland og Sønderjylland i litteraturen" (herausgegeben von Historisk Samfund for Sønderjylland og Sprogforeningen, Apenrade/Aabenraa 2015), enthält auch deutsche Autoren und Autorinnen der Vor- und Nachkriegszeit.
Sørensen versucht darin unter anderem eine Einschätzung des literarischen Werks Ingrid Brase Schloes, das er als Überwindung der historischen und nationalen Aspekte der deutschsprachigen Literatur in Nordschleswig versteht.
Im Mittelpunkt ihrer literarischen Reflexionen stehen nach Sørensens Meinung allgemein menschliche Verhältnisse, konkrete Lebensbedingungen und die Einbeziehung natürlicher Umweltsituationen, wobei immer wieder tief in den Topf literarischer Allegorien gegriffen wird. Es ist schwer vorstellbar, dass Sørensen alle Veröffentlichungen Ingrid Brase Schloes vorgelegen haben, hat sie doch Texte aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen und Zeitabschnitten in ihren Veröffentlichungen dargeboten.
Eine vielseitige Autorin
Sie war eine Frau mit vielerlei Interessen, auf die der Begriff Autorin nur bedingt zutrifft, da sie zugleich gestaltende Künstlerin, Chorsängerin, Wanderfreundin, Vorstandsmitglied verschiedener Vereine, Deutsch-, Dänisch- und Plattdeutschschnackerin, Hundeliebhaberin, Gartenfreundin, Ruderin, zum Erwerb ihres Lebensunterhaltes auch Lehrerin und bis zum Schluss ihres Lebens Leserbriefschreiberin war.
Die dem Schreibenden vorliegenden elf Bücher und Texthefte beginnen 1986 mit dem Heft „Gesang der Pharisäer-Amsel“ (Tingleff/Tinglev 1986). Amsel und heimatliche Natur stehen im Mittelpunkt dieser Texte, in denen aber auch schon deutlich auf Umweltschäden in Wald und Flur hingewiesen wird.
Die singenden Möwen
In „Vom Möwenmann Johann“ (Tingleff/Tinglev 1988) sind Strand, Sommer, Fisch und Wasser die ersten bestimmenden Themen. Möwen kreischen nicht, sie singen, was dann auch umgehend im „Lied vom Möwenmann Johann“ umgesetzt wird. In „Fortschritt im (Apenrader) Hafengelände“ zeigt sich die kritische Haltung gegenüber einem ausufernden ökonomischen Streben, symbolisiert in Bauten aus Stahl und Beton.
Als eines von Ingrid Brase Schloes bedeutendsten Büchern sieht H. E. Sørensen die „Grenzlanddrosseln“ (Hamburg, 1989) an, eine Sammlung von kurzen Geschichten, historischen Stoffen und Gedichten.
Neben anderen vermitteln vor allem die „Jeppe-Geschichten“ einen humorvollen Eindruck der nordschleswigschen Sprachen-Landschaft: Deutsch in der Schule, „Sønderjysk“ zu Hause, „Rigsdansk“ in der Öffentlichkeit gegenüber Fremden. Die sprachliche Sensibilität der agierenden Kinder und der wahrnehmenden Autorin sprechen hier für sich.
„Eselsohren auf Mallorca"
Radierungen von Werner Ohmsen begleitet Ingrid Brase Schloe mit Texten nach einem ausgedehnten Aufenthalt auf Mallorca („Eselsohren auf Mallorca", Ingrid Brase Schloe/Werner Ohmsen, Hamburg 1990). Begegnungen mit einfachen Menschen, Traditionen, Sichtweisen, die auch den mallorquinischen Schriftsteller Jaume Vidal berühren, stehen neben den detailversessenen, schlicht schönen Radierungen Ohmsens. Details, menschliche Feinheiten, fein beobachtet, werden poetisch verdichtet oder auch in Kontrast zur heutigen „Nutzung“ Mallorcas gesetzt.
Von der Urgroßmutter bis zum Urgroßenkel, dem schon erwähnten „Jeppe“, spannen sich geschichtliche, familiär weitergesponnene Erzählungen, Kriegs- und kurze Reiseberichte, Gedichte sowie Brauchtumsgeschichten in dem Buch „Moin Oldemor. Geschichten und Geschichtliches aus Nordschleswig“, Hamburg 1991.
Jeppe stellt die Verbindung zwischen Alltag und Politik her: „Oldefar (Urgroßvater), warum sagst du so ärgerlich: Wir haben nur noch fünftausend deutsche Stimmen? Das ist doch laut, wenn die alle auf einmal singen.“
Norddeutsche Kurzgeschichten
In den „Mönkeberger Sprotten. Norddeutsche Kurzgeschichten, Hamburg 1992“ berührt Ingrid Brase Schloe besonders die 1930er Jahre ihres Geburtsortes Mönkeberg bei Kiel und geht in Orts- und Familiengeschichten auch zeitlich vor und zurück, wenn die Mönkeberger selbst vorgestellt werden.
Schon ein Jahr später widmet die Autorin ein weihnachtliches Buch („Winterlicht, Weihnachtslieder im Grenzland", Aabenraa 1993) dem Chor der Musikvereinigung Nordschleswig und ihrem Leiter Peter von der Osten.
Schreibende Kollegen waren eingeladen, eigene Beiträge zu dieser Veröffentlichung beizusteuern. Hans Christian Lassen liefert eindrucksvolle Bilder dazu. Rezepte und Liedertexte runden dieses traditionsreiche Buch ab, das neben Gedichten auch eine Reihe von Ingrid Brase Schloes bearbeiteten Nis-Puk-Geschichten enthält.
Sprachliche Vielfalt
Die sprachliche Vielfalt tritt dann noch einmal in den Vordergrund in dem plattdeutschen Büchlein „Inloscheert in Omas Pangschon för Deerten“, Apenrade 1998 (hochdeutsch: „Einlogiert in Omas Tierpension“). Gewidmet ist dieser durch die Autorin selbst illustrierter Band dem Enkel Hubert und seiner Familie.
Zeichnungen, Collagen, Drucke – Tiere in der Umgebung des Hauses füllen fast jede Seite und lassen die dazugehörenden kurzen Texte in den Hintergrund treten. Die grafische Gestaltung ist vielleicht kein ästhetischer Genuss, aber sie spiegelt die Dominanz der Tiere in „Omas Tierpension“ wider.
Poetische Mosaikstückchen
Im Mittelpunkt zweier weiterer Veröffentlichungen stehen die Enkel Ingrid Brase Schloes. Dabei entstehen aber keine Familienbücher, die für den privaten familiären Gebrauch gedacht sind, sondern poetische Mosaikstückchen auf Deutsch, Dänisch und Plattdeutsch.
In dem Band „Engel. Enkel sind Engel, Nienburg 1999“, das durch Barockengel der Kirchen von Tingleff, Apenrade und Hornslet sowie textspezifische Grafiken gestaltet ist, wird die Sicht der Großmutter auf die Enkel, deren Umwelt und Zukunft literarisch verarbeitet, unter anderem auch in Küchenliedern, die zur Melodie „Sabinchen war ein Frauenzimmer“ gesungen werden können.
Frösche und Wanderziele
In dem Büchlein „Frösche im Schloss Brunlund", Apenrade/Tingleff 2002, drehen sich Geschichten und Gespräche mit den Enkeln um das Schloss und seine Geschichte. Von der Großmutter angeregt, werden die Kinder in den Bann der historischen Begebenheiten gezogen.
Zwölf Wanderziele des Heimatwanderclubs für Nordschleswig wurden von den Mitgliedern ausgewählt und von Ingrid Brase Schloe so beschrieben, dass man sich sofort auf den Weg machen möchte, es den Clubmitgliedern nachzutun.
Mit Bildern von Hans Christian Lassen und Jes Fr. Jessen sowie einem Aquarell der Autorin wird der größte Teil des Buches „Wandern und dann mit Sturzhelm in die 80“ (Tinglev 2005) gestaltet. Da, wo die Autorin mit 80 Jahren anscheinend das Fahrrad vorzieht, gibt es vorwiegend Gedichte und schnelle Zeichnungen – der Geschwindigkeit angepasst.