Naturschutz

Kommunaler Lapsus: Politik beschließt Schadensbegrenzung

Kommunaler Lapsus: Politik beschließt Schadensbegrenzung

Kommunaler Lapsus: Politik beschließt Schadensbegrenzung

Hadersleben/Haderslev
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Am Damm neben dem einstigen Krankenhaus entsteht gegenwärtig ein privates Pflegeheim. Foto: Ute Levisen

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Die technische Verwaltung der Kommune Hadersleben pflegt einen eigenwilligen Umgang mit dem Naturschutzgesetz. Auf der Baustelle für das Pflegeheim am Damm sind Anlagen auf einem Areal errichtet worden, das nach Paragraf 3 geschützt ist. Dennoch hatte die Verwaltung eine Bauerlaubnis erteilt – und die Politik darüber lange im Ungewissen gelassen.

Der Technische Ausschuss sah sich auf einer außerordentlichen Sitzung in dieser Woche genötigt, Schadensbegrenzung zu betreiben, da der Kommune ansonsten millionenhohe Schadenersatzforderungen drohen.

Baustelle im Naturschutzgebiet

Im September soll das private Seniorenheim in bester Lage neben dem einstigen Krankenhaus am Damm bezugsfertig sein. Wie der Technische Ausschuss erst kürzlich erfuhr, sind ein Teil der Gebäude sowie eine Feuerwehrzufahrt auf einer Fläche errichtet worden, die nach Paragraf 3 des Naturschutzgesetzes als geschützt gilt. Dabei handelt es sich um ein Areal von etwa 3.200 Quadratmetern.

Das Prekäre in diesem Fall: Die technische Verwaltung erteilte bereits im Januar des Vorjahres eine Baugenehmigung – und dies wohl wissend, dass ein Teil der künftigen Baustelle gewissermaßen unter Naturschutz steht.

Anwalt sieht keine mildernden Umstände – im Gegenteil

Ein verschärfender Umstand ist, dass die Kommune gerade einmal fünf Monate zuvor, im Sommer 2020, eine externe Firma mit einem Screening des naturschön gelegenen Gebiets am Damm beauftragt hatte. Dessen Botaniker kam zu dem Schluss, dass fast die gesamte Fläche am einstigen Krankenhaus Schutzstatus genießt.

Die technische Verwaltung erteilte dem Bauherrn, Danske Diakonhjem, zwar eine Sondergenehmigung – allerdings nur vom Küstenschutzparagrafen 16 des Naturschutzgesetzes – und nur für eine Gartenanlage.

Für eine Gartenanlage des Bauherrn innerhalb der Küstenschutzlinie erteilte die Kommune eine Ausnahmegenehmigung, nicht aber für die übrige geschützte Fläche auf der Baustelle. Foto: Ute Levisen

Auf der übrigen Baufläche buddelten die Bagger weiter.

Erst im September des Vorjahres fiel bei einer Analyse von Luftaufnahmen der Baustelle auf, dass diese teilweise auf geschützter Fläche liegt. Anstatt den damaligen Technischen Ausschuss umgehend zu informieren, geschah – nichts.

Schadensbegrenzung auf Dringlichkeitssitzung

Auf einer außerordentlichen Sitzung des neuen Ausschusses für Technik und Klima einigten sich dessen Mitglieder in dieser Woche in einer Dringlichkeitssitzung darauf, den Fauxpas mit einer Ausnahmegenehmigung zu legalisieren – und darauf, dafür tief in die kommunale Kasse zu greifen: Ansonsten könnten Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe auf die Kommune zukommen. Zu diesem Schluss kommt ein von der Kommunalverwaltung beauftragter Rechtsanwalt im März dieses Jahres.

Sein juristisches Fazit ist deutlich: Es gibt dringenden Handlungsbedarf. Als „besonders problematisch“ bezeichnet der Jurist den Umstand, dass die Kommune eine Baugenehmigung erteilt hatte, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Bericht der Botaniker bereits vorlag. Dieser Umstand wiederum erhöhe das Risiko, schlussfolgert der Anwalt, dass die Kommune im Falle eines Falles regresspflichtig sei.

Der Ausschussvorsitzende Carsten Leth Schmidt bezeichnet die Sachbearbeitung in diesem Fall als peinlich. Er stellt Maßnahmen in Aussicht, womit kommunales Versagen dieses Ausmaßes in Zukunft verhindert werden könnte. Foto: Ute Levisen

Ausschusschef: „Peinlich!“

„Das ist schon peinlich“, räumt der Ausschussvorsitzende Carsten Leth Schmidt von der Schleswigschen Partei ein: „Der Ausschuss ist erst wenige Monate in neuer Besetzung im Amt, Gleiches gilt für die neue Direktorin der Technischen Verwaltung. Und dann das!“

Der Ausschuss hatte vor zehn Tagen von dem Lapsus erfahren.

Wie es zu diesem „Versehen“ kommen konnte, ist bis heute nicht geklärt. Nichtsdestotrotz berechtigt ein kommunales Versagen dieses Kalibers die Kommune, zu einem finanziellen Ausgleich beizutragen, heißt es weiter in dem Schreiben des Anwaltsbüros.

Die Politikerinnen und Politiker des Ausschusses verordneten daher eine Art kommunalen „Ablass“ und beschlossen, für das Versagen ihrer Verwaltung politisch Buße zu tun, indem sie auf einer anderen Fläche Ersatz für die zerstörte Natur schaffen. Vorgesehen ist ein Areal in kommunalem Besitz mit einer Größe von einem Hektar am Ribe Landevej, unweit vom Fiskesøen.

„Da es sich laut Screening nicht um seltene Naturwerte handelt, die zerstört worden sind, können wir uns damit begnügen, das Dreifache des zerstörten Naturareals andernorts zu ersetzen“, erläutert der Vorsitzende.

Die Kosten für die Ersatznatur sollten nach einer ersten Einschätzung der Verwaltung zwischen rund 700.000 und 3 Millionen Kronen liegen. Die Verwaltung hatte in ihrer Empfehlung an den Ausschuss zunächst das Zehnfache der Fläche für Ersatznatur veranschlagt.

Lichtjahre daneben

Diese Empfehlung wiederum sei Lichtjahre von dem entfernt, worauf sich der Ausschuss letztendlich geeinigt habe, sagt der Vorsitzende: „Wir haben uns nach intensiven Recherchen auf Faktor 3 geeinigt. Wäre das Ganze von Anfang an regelkonform gelaufen, hätten wir uns mit 50 Prozent zusätzlicher Ersatzfläche begnügen können“, erläutert Leth Schmidt.

Zufrieden zeigt er sich – trotz aller Ungemach – damit, dass sich die Mitglieder seines Ausschusses auf einen Kompromiss einigen konnten.

Verhandlung über Naturpflege

Demnächst stehen Verhandlungen an zwischen Naturschutzverband, Ornithologen-Verein, Kommune und Bauherrn über die Pflege der künftigen Ersatznaturfläche, deren Kosten der Bauherr übernehmen muss. Die Kommune stellt ihrerseits die Ersatzfläche zur Verfügung.

Vor einigen Jahren hatte die Kommune Hadersleben schon einmal mit ihrer Handhabung des Naturschutzparagrafen 3 für Schlagzeilen gesorgt: Damals ging es um die Pläne eines privaten Investors für Wohnhäuser an der Förde in Starup – mitten im Naturschutzgebiet.

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