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Start-up mit Kanzlei im Kinderzimmer

Start-up mit Kanzlei im Kinderzimmer

Start-up mit Kanzlei im Kinderzimmer

Ösby/Øsby
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Jonas Schultz Thygesen ist seit der Vorwoche selbstständig. Foto: Ute Levisen

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Jonas Schultz Thygesen aus Ösby steht am Anfang einer gänzlich neuen Erfahrung: Seit ein paar Tagen ist er zum ersten Mal selbstständig. Im Kinderzimmer seines Sohnes hat der Rechtsanwalt und frühere Bürgerberater der Kommune Hadersleben seine Anwaltskanzlei eröffnet: „Irgendwo muss man ja anfangen“, sagt er lachend.

Mit 40 Lenzen steht Jonas Thygesen aus Ösby am Anfang einer neuen Karriere. In der vergangenen Woche hat er von einer Festanstellung in der renommierten Anwaltskanzlei „Buch“ in Hadersleben den Sprung in die Selbstständigkeit auf dem flachen Land gewagt.

Urvertrauen in das eigene Bauchgefühl

Er vertraue da ganz seinem Bauchgefühl, sagt der dreifache Familienvater: „Ich möchte noch einmal etwas Neues aufbauen – von Grund auf.“

 

In den heimischen vier Wänden hat der 40-Jährige seine Kanzlei eingerichtet. Foto: Ute Levisen

Dabei hat Jonas Thygesen schon so einiges aufgebaut, seit er und seine Frau Anna vor nunmehr 13 Jahren frisch vom Studium in Aarhus nach Hadersleben zogen.

Den letzten Schliff im Hinblick auf die Rechtswissenschaft erhielt der junge Anwalt damals in der Kanzlei „Ret & Råd“, wo er sich auf das Gesellschaftsrecht spezialisiert hatte.

Erster Bürgerberater der Kommune

Einige Jahre später, 2014, stellte das damalige Kommunalparlament Jonas Thygesen als ersten Bürgerberater der Kommune ein – und es war damals an ihm, diese neuartige Funktion in die Praxis umzusetzen. 2016 avancierte Thygesen zum Chef der kommunalen Rechtsabteilung: „Es waren schöne Jahre“, sagt er heute rückblickend: „Die Kommune ist ein guter Arbeitgeber gewesen.“
 

Der Jurist genießt die Aussicht auf das flache Land von Ösby. Foto: Ute Levisen

Dreimal im Vaterschaftsurlaub – und keinmal bereut

Auch im Rathaus hielt es Thygesen nur einige Jahre lang. Er tauschte die sichere Festanstellung im öffentlichen Sektor gegen eine Tätigkeit in der freien Wirtschaft, als Anwalt der Kanzlei „Buch“, aus.

In den Jahren dazwischen konnte sich Thygesen als Familienvater im dreifachen Vaterschaftsurlaub frei entfalten, als er mit den drei Kindern des Paares, die heute im Alter von 6, 8 und 12 Jahren – und somit aus dem Gröbsten heraus sind.

„Ich habe den Vaterschaftsurlaub nie bereut“, betont Jonas Thygesen, der bekennender Familienmensch ist.

 

Gewehr bei Fuß

Vorsitzender des Haderslebener Schützenvereins, Pfadfinderleiter, Fußballtrainer und Vorsitzender des Anwohnervereins der kleinen Ortschaft Ösby, herrlich gelegen zwischen Hadersleben und Aarösund, ist er auch noch. Alles ehrenamtlich, versteht sich. Als der Kasernenstandort Hadersleben vor Jahren im Rahmen der Verhandlungen über den Wehretat – wieder einmal – auf der politischen Kippe stand, ja, da stand Thygesen als Vorstandsmitglied des Fördervereins „Kasernens Venner“ „Gewehr bei Fuß“.

 

Eine Bresche für den Dorfladen

Derart „kampferprobt“ schlug Jonas Schultz Thygesen inmitten der Energiekrise im Vorjahr mit der Dorfgemeinschaft von Ösby eine Bresche für den kleinen Kaufmannsladen der Ortschaft, der es wegen der himmelhohen Preise schwer hatte, über die Runden zu kommen: Der Anwohner verloste unter anderem Geschenkkarten und trug somit seinen Teil zum Umsatz des kleinen Dorfladens bei.

Seine Kanzlei richtet der Familienvater vorerst in Sohnemanns Zimmer ein, wie er sagt: „Erst mal schauen, wie sich die neue Selbstständigkeit anlässt.“
 

Jeden Tag Action: Der Alltag der Familie ist streng getaktet. Foto: Ute Levisen

Getakteter Familienalltag

Seine Stammkunden hat der 40-Jährige, der sich – unter anderem – auf Immobilienverträge und Verträge für Bauunternehmen fokussiert, nach Ösby mitgenommen.

Obwohl er seine Kanzlei vorerst in den eigenen vier Wänden betreibt, bangt er keineswegs um seine Arbeitsruhe. Das Chaos bleibt draußen: Der Alltag der fünfköpfigen Familie ist durchgetaktet, wie ein Kalender in der heimeligen Küche zeigt.

Von Küche und Stube aus hat die Familie einen herrlichen Blick auf die noch kargen Felder, die die Sonne an diesem wunderschönen Tag in gleißendes Licht getaucht hat. Auf der Fensterbank räkelt sich genüsslich die Familienkatze.
 

Die Sammlung von Gesetzestexten, den Karnov, hat Thygesen auch noch als Papierausgabe, obwohl dieser inzwischen online zu haben ist. Foto: Ute Levisen

Hausmeister auf dem Haderslebener Ness-Camino

Diese Aussicht wird Jonas Thygesen genießen können, wenn er sich in Zukunft mit Paragrafen und Verträgen zu Hause, in Ösby, auseinandersetzt.

Dann ist da noch der Camino, die große Pilgerroute über das Haderslebener Ness, zu deren Geburtshelfern Thygesen gehört.

Von der Vorstandsarbeit dort habe er sich inzwischen zwar zurückgezogen – nicht aber von der Arbeit: Thygesen betreut als „Camino-Hausmeister“ einen etwa zehn Kilometer langen Streckenabschnitt der Pilgerroute und sorgt unter anderem dafür, dass die Beschilderung auf dem Wanderweg intakt bleibt.
 

Dreimal war Thygesen im Vaterschaftsurlaub und hat es keine Minute bereut. Foto: Ute Levisen

Zu Gast beim deutschen Hochadel

Dafür, dass bei Jonas Schultz Thygesen keine Langeweile aufkommt, sorgt auch die Arbeit im Schützenverein „Haderslev Skydeselskab af 1857“, dessen Schirmherr Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg ist.


„Für das nächste Jahr hat Prinz Gustav seinen Besuch angekündigt“, verrät Thygesen. Er selbst sei auch schon zum Gegenbesuch auf Schloss Berleburg gewesen. Es sind Gelegenheiten wie diese, bei denen Jonas Thygesen bedauert, kein Faible für Sprachen und Deutsch nie richtig gelernt zu haben.

Und was macht der Mann mit den vielen Eisen im Feuer, wenn er nicht gerade arbeitet, ehrenamtlich auf Achse – oder viel beschäftigter Familienvater ist?

„Dann“, verrät Jonas Schultz Thygesen lachend, „schlafe ich. Wenn man mich lässt, ganze sieben Stunden lang.“

 

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