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Ehlers Sammlung: Antike in Hadersleben

Ehlers Sammlung: Antike in Hadersleben

Ehlers Sammlung: Antike in Hadersleben

Jürgen Ostwald
Jürgen Ostwald Freier Mitarbeiter
Hadersleben/Haderslev
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Die Ehlers-Sammlung in Hadersleben ist eine der größten ihrer Art in Nordeuropa. Foto: Ute Levisen

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Der Nordschleswiger Holger Andersen war zeit seines Lebens von Griechenland begeistert. Maßgeblichen Anteil daran trug sein damaliger Lehrer Wilhelm Lange. Ehlers Samlingen zeigt noch bis Ende des Monats gesammelte Antiken des Haderslebeners.

Freundinnen und Freunde antiker Kunst kommen in Hadersleben noch bis zum 27. August auf ihre Kosten. Ehlers Samlingen zeigt eine „Udstillung med Holger Andersens Antiksamling“. Gewiss, es ist keine sehr bedeutende Antiken-Sammlung griechischer Artefakte, aber umso mehr ist es ihr Sammler, der Nordschleswiger Holger Andersen (1890-1961). Seine Griechenland-Begeisterung wurde auf dem einst deutschen Haderslebener Gymnasium geweckt. Sie prägte ihn derart, dass sie ihn für die spätere Diplomatenstelle des Völkerbundes für die griechisch-türkischen Fragen nach dem Ersten Weltkrieg empfahl.

Holger Andersen wurde im April 1890 in Alt-Hadersleben geboren. Sein Vater, Lars Andersen, war von Fünen gekommen und hatte in Tondern (Tønder) das Lehrerseminar besucht. Später unterrichtete er Jahrzehnte an der Haderslebener Handelsschule. Sein Sohn Holger besuchte dann das deutsche Gymnasium, das altehrwürdige Johanneum in seiner Heimatstadt, das damals über 350 Jahre bestand. Sein wichtigster Lehrer am Gymnasium wurde Wilhelm Lange.

Wir ergänzen an dieser Stelle die Notizen zu Lange in der gerade erschienenen und dankenswerter Weise sehr ausführlichen und gründlichen Studie von Annette Højen Sørensen und Helge Wiingaard: Holger Andersen. Danish Diplomat, Minority Expert, and Philhellene and The Collection of Antiquities at Haderslev Cathedral School in Proceedings of the Danish Institute at Athens Jahrgang 10, 2022. Beide Autoren sind bzw. waren Lehrer an der Haderslebener Kathedralschule.

Vier prägende Lehrer aus der Schulzeit

Holger Andersen erinnert sich besonders an vier Lehrer seiner Schulzeit, die 1908 mit dem Abitur – er war knapp 18 Jahre alt – zu Ende ging: an den damaligen Direktor der Anstalt, Dr. Friedrich Spanuth (1857-1932), seinen Mathematik-Lehrer Dr. Rolf Hagge (1845-1909), seinen Lateinlehrer Dr. Carl Carstens (1857-1920) und besonders an seinen Griechischlehrer, Dr. Wilhelm Lange (1864- ca.1930). Alle vier kamen nicht aus Nordschleswig, Lange war gebürtiger Flensburger. Und Lange war für Andersen die mit Abstand wichtigste Lehrerpersönlichkeit in seiner Jugend.

Das Johanneum war damals eine Bastion des nationalistischen Deutschtums, und so auch weit überwiegend das Lehrerkollegium. Aus dem Kreis des Johanneums stammte die Idee des Bismarck-Denkmals auf dem Knivsberg, das gerade errichtet worden war. Die Knivsbergfeste erlebten damals ihre Blütezeit. Lange nahm natürlich nicht daran teil, schließlich entstammte er trotz seiner aus dem Süden Deutschlands stammenden Mutter aus einer bekennenden dänischen Familie. Dass dänischgesinnte Schüler das Johanneum besuchten und nicht etwa nach Ripen (Ribe) gingen, war gleichwohl nichts Ungewöhnliches.

In seinen Erinnerungen an seine Schulzeit heißt es: „Wilhelm Lange var dog den, der påvirkede mig stærkest.“ Lange ist drei Wochen vor Beendigung des deutsch-dänischen Krieges im Oktober 1864 in Flensburg (Flensborg) geboren worden. Er ist 1890 (im Geburtsjahr Andersens) in Göttingen mit einer Arbeit über Aristophanes promoviert worden und war nach 1900 nach Griechenland gereist, wo er unter anderem die deutschen Ausgrabungen besuchte. Er stand im Briefwechsel mit dem Groß-Altphilologen Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff und dem Ausgräber von Olympia, Wilhelm Dörpfeld, um nur zwei seiner namhaften Bekannten zu nennen.

Hartes Pensum im Griechisch-Unterricht

Im Haderslebener Griechisch-Unterricht lasen die Schüler, wie Andersen sich erinnert, die Gefallenenrede des Perikles aus Thukydides. Dann Platons Apologie des Sokrates, den Phaidon, das Symposion. Auch – stets auf Griechisch – Gedichte von Pindar, von Archilochos und der Sappho standen auf Langes Lektüreplan. Die offizielle Liste des Griechisch-Pensums in der Prima, die Andersen besuchte, lautete: „Ilias I-XVII, Auswahl aus anderen Gesängen; Sdophokles, Philoktet, Vorträge über die anderen Tragödien oder Abschnitte daraus (nach Übersetzungen) gelesen. Demosthenes, Kanzelrede (Auswahl), Platon, Auswahl, Thukydides VI und VII, Xenophons Memorabilien.“

Man staunt heute offenen Mundes angesichts des damaligen Pensums am deutschen Gymnasium (und wir sprechen hier nur vom Fach Griechisch). Von Pindar befanden sich damals in der Gymnasial-Bibliothek allein elf Ausgaben, darunter auch die Editionen und Übersetzungen von Tycho Mommsen, dem Bruder von Theodor. Wilhelm Lange wird auch den alten, ebenfalls in der Bibliothek vorhandenen Genfer Pindar-Kommentar von 1583 zur Anschauung mit in den Unterricht genommen haben.

Lange muss ein herausragender Pädagoge mit großem Wissen und mitreißender erzieherischer Begabung gewesen sein, das genaue Gegenteil dessen, was wir aus Musil (Die Verwirrung des Zöglings Törleß, 1906) oder Heinrich Mann (Professor Unrat, 1905) kennen. Lange wusste jenen Schülern, die dafür offen waren, den antiken Humanismus als Lebensstoff zu vermitteln, der nie versiegte.

Die Entlassungsfeier der Abiturienten im Johanneum wurde auf den 24. März 1908 festgelegt, an dem man zugleich – das war beabsichtigt – die 60-jährige Wiederkehr der schleswig-holsteinischen Erhebung (Eroberung der dänischen Garnison Rendsburg) feierte. Wie sich Holger Andersen, der schließlich aus einer dänischgesinnten Familie stammte, fühlte, hat er in seinen Erinnerungen leider nicht festgehalten.

Pressearbeit für dänische Zeitungen

Nach dem Abitur begann er in Jena, dann in Halle, Berlin und Kiel Theologie zu studieren, um, wie er sich vorgenommen hatte, Pfarrer in Nordschleswig zu werden. Der Erste Weltkrieg allerdings trieb ihn in die Pressearbeit für dänische Zeitungen in seiner Heimat. Die Abstimmungszeit sah ihn als Teilnehmer der dänischen Delegation in Paris (Französisch hatte Andersen auf der Schule bei dem damaligen Oberlehrer Dr. Max Weber gehabt), die die Internationalisierung der 2. Zone des Abstimmungsgebietes anstrebte.

Er engagierte sich in der 1915 gegründeten Konservativen Volkspartei. In den ersten Wahlen nach der Abstimmung im Herbst 1920 wurde Andersen – wie Johannes Schmidt-Wodder – Mitglied des Folketings. In den Redebeiträgen, in denen Andersen als Kenner der Grenzfragen auf die Reden Schmidt-Wodders antwortete, erwies er sich dem um 30 Jahre älteren deutschgesinnten Kollegen in rhetorischer Brillanz, jugendlicher Verve, ätzender Bissigkeit, geistiger Beweglichkeit und intellektueller Vielfalt überlegen. Den Predigtton des Kanzelredners merkte man Schmidt-Wodder immer an. Hinter Andersen aber standen andere: Demosthenes hatte er bei Lange gelernt, Cicero bei Carstens.

H. Chr. Bärenholdt: Porträt Holger Andersen. 1959. Dansk Centralbibliotek, Flensburg. Foto: Proceedings of the Danish Institute at Athens, 2022

In derselben Folketing-Zeit war er dänischer Delegierter in der Völkerbundsarbeit, die so erfolgreich war, dass er 1928 Hochkommissar, dann Präsident des Rats für den griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch in Konstantinopel/Istanbul wurde, eine Arbeit, die ihn über Jahre beschäftigen wird.

Vorsitzender des dänischen Grenzvereins

Die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Vereinten Nationen erinnerten sich seiner und seiner erfolgreichen Arbeit, indem er für kurze Zeit unter anderem Hochkommissar der Flüchtlingskommission in Palästina (UNHCR) war. Von 1943 bis zu seinem Tod 1961 war er Vorsitzender des dänischen Grenzvereins. Er ist auf dem Friedhof von Alt-Hadersleben beerdigt worden.

Antikensammlung ohne große Kostbarkeiten

Seiner Antikensammlung, die er in den Jahren nach 1930 in Griechenland und der West-Türkei zusammenkaufte, lag kein systematischer Plan zugrunde. Auch finden sich keine großen Kostbarkeiten unter dem Sammlungsgut. Andersen erwarb, was ihm gefiel, und er umgab sich in seinen Wohnungen mit diesen Stücken. Eine Erinnerung, eine Assoziation zu Personen, zu einem Mythos, zu einer Darstellung oder vielleicht nur die günstige Gelegenheit ließen ihn die Stücke erwerben. Er kaufte sie, wie Annette Høyen Sørensen notiert, in Olympia, Delphi, Rhodos, Tiryns.

In dieser Zeit besuchte er auch die Ausgrabungsstätte in Olympia, über die er in Haderslev-Samfundets Aarsskrift 1934 berichtete. Er tat das auch in Erinnerung an seinen alten Lehrer Lange, der Olympia 30 Jahre zuvor besucht und darüber publiziert hatte („Griechische Herbsttage“, 1903). Die Sammlung wurde bereits zu Lebzeiten Andersens der Nachfolgeschule seines alten Johanneums übereignet, der heutigen Kathedralschule in Hadersleben, die sie eine Zeit lang auch in Vitrinen ausstellte. Heute ist sie ein Depositum der Ehlers-Sammlung, die nunmehr eine Sonder-Ausstellung veranstaltet.

Rotfigurige Pelike. Dargestellt sind zwei Athleten mit Strigil, einem Schabgerät, das die Sportler benutzten, um Staub, Schweiß, Öl usw. vom Körper zu schaben. Rückseitig Jüngling vor Altar. Um 450/400 vor Christus. Foto: Proceedings of the Danish Institute at Athens, 2022

Die Ausstellung ist im Museum Sønderjylland in der Slotsgade 20 von Montag bis Sonntag, 10 bis 16 Uhr, zu sehen. Ab dem 21. August von Dienstag bis Sonntag (10 bis 16 Uhr).

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