Kulturgeschichte

Esse und Amboss: Wie altes Eisen museumsreif geschlagen wird

Esse und Amboss: Wie altes Eisen museumsreif geschlagen wird

Esse und Amboss: Wie altes Eisen museumsreif geschlagen wird

Gramm/Gram
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Kuriose Dinge finden sich in dem Museum, wie diese Wasserpumpe für die Feuerwehr, die Henning Jensen bedient. Foto: Ute Levisen

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Eine Handvoll Männer stemmt altes Eisen und kutschiert antike Gefährte durch den alten Kuhstall, gleich neben der Holsteinischen Scheune von Schloss Gramm. Unermüdlich arbeiten die Männer daran, aus dem Sammelsurium an Gerät und Maschinen ein Museum zu machen – ehrenamtlich und jeden zweiten Mittwoch.

Im vergangenen Sommer noch sah der einstige Kuhstall aus wie eine überdimensionierte Rumpelkammer: Häcksler, Dreschflegel, Pflüge, Eggen, Nähmaschinen, Waschkübel, Amboss und Esse: Berge von allen möglichen Gerätschaften stapelten sich bis unter die Decke.

Kartoffelkisten voller musealer „Schätzchen“

„80 Kartoffelkisten haben wir davon. Die müssen wir alle noch sortieren!“, sagt Henning Jensen – und strahlt förmlich ob dieser Aussichten.

Mit 86 Jahren ist Jensen so etwas wie der Alterspräsident der Gerätegilde von Ehrenamtlichen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den ehemaligen Kuhstall, wenngleich nicht in ein Kunstwerk, so doch in ein Landwirtschaftsmuseum zu verwandeln.

Tourismusattraktion Schloss Gramm

Das Landwirtschaftsmuseum gehört zu Schloss Gramm, das Svend und Sanne Brodersen binnen der vergangenen Dekade in eine touristische Attraktion mit zahlreichen Gästen aus dem In- und Ausland verwandelt haben.

Bis unter die Decke stapelt sich die „Erbschaft“ aus Eken (Egen): 80 Kartoffelkisten zählen Jørgen Boiskov (Foto) und seine Mitstreiter „ihr Eigen". Foto: Ute Levisen

Tag der offenen Tür

Einen ersten Meilenstein haben die handwerklich begabten Männer auf diesem langen Weg bereits erreicht: Der frühere Stall sieht jetzt nachgerade aufgeräumt aus.

In der Mitte der großen Halle stehen zahllose Gerätschaften: „Die können weg, weil wir davon mehrere Exemplare haben. Wir werden sie demnächst bei einem Tag der offenen Tür verkaufen“, sagt Jørgen Boiskov Hansen.
 

Das Landwirtschaftsmuseum gehört zu Schloss Gramm. Foto: Ute Levisen

Der schönste Friedhof Dänemarks

Ein Vierteljahrhundert hat er als Landschaftsgärtner den Friedhof der Schlossstadt in Schuss gehalten, wofür ihm auch in der Gruppe große Anerkennung gezollt wird: „Wir haben den schönsten Friedhof Dänemarks – und das verdanken wir Jørgen“, sagt Anders Larsen. Jetzt, im Unruhestand, widmet sich der frühere Landwirt und Gärtner Boiskov Hansen dem Landwirtschaftsmuseum von Schloss Gramm, wenn er nicht gerade an seinem „Käfer“, es ist ein Oldtimer aus dem Hause VW, bastelt.
 

Esse und Amboss gibt es auch in dem Museum, deren ehrenamtliche Bastler weitere helfende Hände gut gebrauchen könnten. Doch man kann den Förderverein des Museums auch mit einer passiven Mitgliedschaft unterstützen: mit 100 Kronen Mitgliedsbeitrag im Jahr. Foto: Ute Levisen

Werkeln mit Leidenschaft

Der gelernte Traktormechaniker Anders Larsen aus Gramm gehört ebenfalls schon lange zur Truppe. Ihre Mitglieder haben eines gemein: Sie werkeln mit Leidenschaft.

Und handwerkliches Geschick brauchen sie auch, denn viele der asbachuralten Geräte und Fuhrwerke müssen noch aufgemöbelt werden, bevor sie publikumsreif sind und ausgestellt werden können: „Das wird wohl noch eine ganze Weile dauern“, mutmaßt Anders Larsen.

Niels Kristian Lorenzen und Bent Hundebøl aus Gramm bei der Arbeit. Für Bent Hundebøl schließt sich der Kreis. Als Jugendlicher hat er in dem früheren Kuhstall gearbeitet. Foto: Ute Levisen

Jeden zweiten Mittwoch treffen sich die Männer, um in ihrem Museumsstall zu arbeiten.
An Werkzeug fehlt es nicht. Alte Bohr- und Drechselmaschinen, Schleifgeräte von anno dazumal, Nähmaschinen der deutschen Traditionsmarke „Singer“, Kutschen, Fuhrwerke, Erntemaschinen in allen Formen und Farben gibt es.

Der Aufenthaltsraum der Ehrenamtlichen: Anders Larsen zeigt Fotos von dem Anwesen aus längst vergangenen Zeiten. Foto: Ute Levisen

Erbschaft aus Törning

Die Sammlung stamme aus den Beständen des früheren Landwirtschaftsmuseums unweit der Törninger Mühle, sagt Henning Jensen: „Und dann haben wir noch viele Sachen von einem ehemaligen landwirtschaftlichen Betrieb aus Eken bekommen.“

Der Besitzer war froh, das Zeug los zu sein – und die Grammer glücklich über den Nachschub: eine Win-win-Situation.

Arbeitslos werden die Ehrenamtler somit vorläufig nicht. Auch sonst haben sie mit den vielen Maschinen in dem Landwirtschaftsmuseum einiges vor.
 

Auch Fuhrwerke zählen zum Bestand des Museums. Foto: Ute Levisen

Arbeitende Werkstätten

„Uns schwebt eine arbeitende Werkstatt vor, in der uns Museumsgäste über die Schulter schauen können“, verrät Anders Larsen.

Eine arbeitende Werkstatt soll, das wünschen sich die Männer, auch draußen auf dem Rasen vor dem Museum entstehen – als Teil des Angebots für die Gäste.

Stolz verweist Henning Jensen auf eines der ältesten Prunkstücke der Sammlung: einen Wechselpflug, ein Paradebeispiel deutscher Wertarbeit, aus dem Jahre 1880.

Bei einigen Geräten müssen die Grammer noch recherchieren, um Sinn, Zweck und vor allem die Zeit zu ermitteln, als diese Maschinen auf Feld, Wald und weiter Flur den Menschen die Arbeit erleichterten.

Es gibt noch viel zu tun. Auch an der Beschilderung der einzelnen Gegenstände müssen die Ehrenamtlichen noch arbeiten. Foto: Ute Levisen

Ein hartnäckiges „Virus“

Im gut geheizten Aufenthaltsraum zeugt der Frühstückstisch davon, dass die Museumsgruppe nicht nur gemeinsam arbeitet, sondern auch einem Klönschnack nicht aus dem Weg geht.

Dort fachsimpeln sie, „hyggen“ sich – und sprechen über das Virus, das sie vor nunmehr vielen Jahren „befallen“ hat: „Wir haben alle die Maschinitis“, klärt der frühere Landwirt und Alterspräsident Henning Jensen lachend auf: „Dagegen ist einfach kein Kraut gewachsen!“

„Wir haben alle die Maschinitis", scherzt der 86-jährige Henning Jensen. Foto: Ute Levisen
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