Arktis

Deutschland will Beziehungen zu Grönland ausbauen

Deutschland will Beziehungen zu Grönland ausbauen

Deutschland will Beziehungen zu Grönland ausbauen

Kopenhagen/Nuuk
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Pascal Hector vor der ehemaligen Kirche der Herrnhuter in Nuuk Foto: Deutsche Botschaft in Kopenhagen

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Der deutsche Botschafter in Kopenhagen, Pascal Hector, hat in der vergangenen Woche Grönland besucht. Er sieht gute Möglichkeiten, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu stärken. Auch historisch gibt es Verbindungen zwischen dem arktischen Land und Deutschland – sowie Nordschleswig.

Wer, wie der deutsche Botschafter Pascal Hector, nach Grönland reist, der wird schnell auf Familiennamen stoßen, die deutschen Ohren eigenartig vertraut vorkommen: Kleist, Motzfeld, Chemnitz und Heinrich. Wir werden darauf zurückkommen, was es damit auf sich hat, und auch welche Rolle ein gewisser Samuel Kleinschmidt gespielt und welche Verbindung er zum nordschleswigschen Christiansfeld hat.

Hector hat in der vergangenen Woche das Tourismus- und Wirtschaftszentrum Ilulissat sowie die grönländische Hauptstadt Nuuk besucht. Er hat sich unter anderem mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und dem Bildungsbereich getroffen. 

„Ich hatte einen sehr guten Eindruck von den Gesprächen“, sagt er dem „Nordschleswiger“.

Das moderne Nuuk Foto: Deutsche Botschaft in Kopenhagen

Fischerei, Tourismus und Bergbau

Bei den Begegnungen ging es vorrangig auch um den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen. Der deutsche Botschafter sieht vor allem gute Möglichkeiten in den Bereichen Fischerei, Tourismus und Bergbau. 

„Man sieht, dass Grönland eine aufstrebende Region ist und deswegen wirtschaftlich sehr interessant. Und natürlich ist es von einer wunderschönen Eindrücklichkeit, was die Natur und damit auch den Tourismus als potenziell wichtige Einnahmequelle angeht“, so Hector.

Grönland

Grönland hat eine Bevölkerung von 56.000 Personen. 19.000 davon wohnen in Nuuk. Legt man eine Landkarte von Grönland auf eine Europakarte, erstreckt sich das Land von der Ostsee bis südlich von Sizilien.

Keine zwei Ortschaften in Grönland sind mit einer Straße verbunden.

In der eigenen Sprache heißt das Land Kalallit Nunaat.

Es ist eine autonome Region innerhalb der dänischen Reichsgemeinschaft.

Es erhielt 2019 eine weitgehende Selbstverwaltung (Selvstyre) und hat unter anderem die eigenständige Verantwortung für Gesundheit, Bildung, Gesundheit, internationalen Handel, Energie und Rohstoffe.

Der Naalakkersuisut (die Regierung) hat die Möglichkeit, die Verantwortung für weitere 32 Bereiche von Dänemark zu übernehmen. Zu den größten zählen Polizei und Justiz.

Innerhalb der Reichsgemeinschaft kann Grönland laut Grundgesetz nicht die Verantwortung für die Außen- und Sicherheitspolitik übernehmen.

Eine große Mehrheit der Bevölkerung strebt einen selbstständigen grönländischen Staat an. Dies ist auch das langfristige Ziel der Regierungskoalition zwischen der linken Inuit Ataqigiit und der sozialdemokratischen Siumut.

Grönland wünscht breiteres wirtschaftliches Fundament

Als deutscher Botschafter in Dänemark ist er auch für die autonomen Teile der dänischen Reichsgemeinschaft, Grönland und die Färöer, zuständig. Grönland hat eine eigene Regierung, das Naalakkersuisut, und verwaltet eigenständig Sektoren wie Bildung, Gesundheit, Handel und Soziales. Auf der Reise hat Hector sich mit der Naalakkersuisoq (Ministerin) für Außenpolitik, Wirtschaft und Handel, Vivian Motzfeld, sowie Mitgliedern des außenpolitischen Ausschusses des Parlaments, Inatsisartut, getroffen. 

„Es besteht auf grönländischer Seite ein großes Interesse an einem Ausbau der Zusammenarbeit, weil Grönland seine Einkommensgrundlage verbreitern möchte. Die Fischerei ist derzeit der wichtigste Sektor, aber man möchte  diversifizieren und sucht deswegen Partner.“  

Der Ilulissat-Eisfjord Foto: Deutsche Botschaft in Kopenhagen

Tourismus als Chance

Die Fischerei macht laut der grönländischen Statistikbehörde 93 Prozent des Exportes aus. Dies umfasst auch den Export nach Dänemark. Die Einnahmen aus dem Tourismus sind weiterhin bescheiden. Daher ist die Wirtschaft gegenüber Konjunkturschwankungen äußerst anfällig. Auch reichen die Einnahmen bei Weitem nicht aus, um finanziell auf eigenen Füßen zu stehen. Mehr als die Hälfte des Staatshaushaltes wird über Zuschüsse aus Dänemark finanziert. 

„Man will im Tourismusbereich diversifizieren, wo Deutschland ein offensichtlicher Partner ist. Und man will auch den Bergbau-Bereich ausbauen. Es geht nicht darum, dass ich in diesem Bereich konkrete Projekte verfolgt habe, sondern da geht es darum, die privaten Akteure, die ja die entscheidenden sind, auf die Möglichkeiten aufmerksam zu machen“, hat Hector während seiner Reise erfahren. 

Neue Flughäfen

Im kommenden Jahr werden sich die Möglichkeiten für den Tourismus entscheidend ändern. Bislang gehen die internationalen Flugverbindungen über die ehemalige US-Airbase in Kangerlussuaq, von wo aus Binnenflüge die Reisenden weiterverteilen. 2024 öffnen nach Plan internationale Flughäfen in Nuuk und in Ilulissat. 

Nach Gesprächen an der Universität in Nuuk. Ein „Arctic Hub“ soll Verbindungen zwischen ausländischen und grönländischen Forschungsteams schaffen. Foto: Deutsche Botschaft in Kopenhagen

„Die im Bau befindlichen internationalen Flughäfen in Ilulissat und Nuuk werden die Reise nach Grönland deutlich erleichtern. Dadurch wird man dann den Tourismus auch deutlich ausbauen können. Das interessiert natürlich auch deutsche Tour-Operateure“, so die Einschätzung des Botschafters.

Traumschiff in Grönland

Auch die Anzahl der Kreuzfahrtschiffe, die grönländische Häfen anlaufen, nimmt zu. Sie sind eine Einnahmequelle, die noch ausgebaut werden kann. Diskutiert wird jedoch, wie diese Tourismusform nachhaltig und sicher gestaltet werden kann. 

„Während meines Aufenthaltes in Illulisat, was ja mit dem Eisfjord und den Eisbergen ein besonders malerischer Anziehungspunkt ist, habe ich allein fünf Kreuzfahrtschiffe gesehen unter anderem übrigens auch die ‚Deutschland‘, das frühere Traumschiff“, berichtet Hector. 

Handel wächst

Auch im Bereich des Handels mit Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren einiges bewegt. Lag er viele Jahre in der Größenordnung zwischen 20 und 30 Millionen Euro in beide Richtungen, so war er 2022 auf 57,9 Millionen angestiegen. Der grönländische Export nach Deutschland ist größer als der Import von dort. 

Nordlicht über Nuuk Foto: Walter Turnowsky

Auch beim Handel wünscht sich Grönland eine breitere Grundlage. Bis vor wenigen Jahren lief der gesamte Warentransport über Dänemark. Doch jetzt läuft die staatliche Reederei, Royal Arctic Line, in Zusammenarbeit mit einer isländischen Reederei auch Häfen in anderen Ländern an.

„Was sicherlich positive Auswirkung hätte, wäre eine direkte Seeverbindung zwischen Grönland und Deutschland. Da gibt es wohl erste Überlegungen, die wir mit Interesse verfolgen und es sehr begrüßen würden, wenn dies realisiert wird.“ 

Tradition und Moderne in Nuuk. Das Wort Kajak (Qajaq) stammt aus dem Grönländischen. Foto: Walter Turnowsky

Die Herrnhuter

Insgesamt sieht der deutsche Botschafter großes Potenzial für engere Beziehungen zu Grönland, die auch Forschung und Bildung umfassen. Dabei hofft er auch, dass die eingangs angedeuteten historischen Relationen hilfreich sein können. 

Im 18. Jahrhundert überzeugte der deutsche Graf Zinsensdorf König Christian VI., dass auch die Herrnhuter Brüdergemeine die Erlaubnis erhalten sollte, in Grönland zu missionieren. Und so entstand in Godthåb (dem heutigen Nuuk) neben der von dem norwegisch-dänischen Pastor Hans Egede gegründeten Missionsstation auch eine der Herrnhuter. Bekanntlich hat die Brüdergemeine auch Christiansfeld gegründet.

Ich denke, das schafft eine kulturelle Verbundenheit, dass man eben auch für die Beziehungen zu Deutschland nach wie vor an diese Dinge anknüpfen kann, die eine kulturelle Verbindung ergeben.

Pascal Hector

„Wenn man nach Grönland kommt, sieht man sehr deutlich den Einfluss der Herrnhuter. Einerseits finden sich dort viele deutsche Nachnamen, aber auch die ehemalige Herrnhuter Kirche in Nuuk ist nahezu eins zu eins eine verkleinerte Ausgabe der Christiansfelder Kirche.“  

Vater der Schriftsprache

Die vielen deutschen Nachnamen bedeuten übrigens nicht, dass sämtliche Kleists und Motzfelds Herrnhuter zu ihren Ahnen zählen. Die Inuit haben die Namen übernommen. 

Insbesondere ein Herrnhuter hatte in Grönland große Bedeutung: Samuel Kleinschmidt. Er hat die erste grönländische Schriftsprache entwickelt, die weiterhin die Grundlage für die moderne Orthografie bildet. Dies ermöglichte auch 1861 die Herausgabe der ersten grönländischen Zeitung, „Atuagagdliutit“, die heute noch erscheint.

Eine Volksschule in Nuuk ist nach Samuel Kleinschmidt benannt. Foto: Deutsche Botschaft in Kopenhagen

„Samuel Kleinschmidt genießt nach wie vor in Grönland großes Ansehen. Ich wurde gewiss vier- bis fünfmal von unterschiedlichen grönländischen Gesprächspartnerinnen und -partnern daraufhin angesprochen, und auf die Rolle, die die aus dem deutschen Raum stammenden Herrnhuter für die Entwicklung Grönlands im 18. und 19. Jahrhundert gespielt haben“, so Hector. 

Laut seiner Einschätzung schafft dies auch eine Grundlage dafür, neue und engere Beziehungen zwischen Deutschland und Grönland aufzubauen. 

„Ich denke, das schafft eine kulturelle Verbundenheit, dass man eben auch für die Beziehungen zu Deutschland nach wie vor an diese Dinge anknüpfen kann, die eine kulturelle Verbindung ergeben.“

„Der Nordschleswiger“ wird in kommenden Woche weitere Artikel über die deutsch-grönländischen Relationen veröffentlichen.

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