Deutsch-Dänisch

Gemeinsames Polizei-Zentrum: „Wir sind die, die helfen“

Gemeinsames Polizei-Zentrum: „Wir sind die, die helfen"

Gemeinsames Polizei-Zentrum: „Wir sind die, die helfen"

Pattburg/Padborg
Zuletzt aktualisiert um:
Bundespolizist Matthias Menge, Oliver Christ vom deutschen Zoll, Ralf Kock von der Landespolizei, Lasse Bjørnskov Rasmussen von der dänischen Polizei und Laila Gori Jessen vom dänischen Zoll arbeiten mit Kolleginnen und Kollegen im Gemeinsamen Zentrum der Polizei und des Zolls in Pattburg. Foto: Karin Riggelsen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

In der öffentlichen und medialen Aufmerksamkeit haben die Grenzkontrollen in der Vergangenheit viel Platz eingenommen und wurden und werden kontrovers diskutiert – innerhalb Dänemarks, aber auch im deutsch-dänischen Austausch. Dabei geriet die gemeinsame Polizeiarbeit ein wenig aus dem Blick. Ein Besuch in Pattburg.

Nein, die Beamtinnen und Beamten des deutsch-dänischen Gemeinsamen Zentrums (GZ) für Polizei- und Zollzusammenarbeit stehen nicht an der Grenze, sie fangen auch keine Kriminellen. Sogar das Ermitteln einzelner Straftaten ist nicht ihre Aufgabe. Ihre Aufgabe ist das Vermitteln und das Analysieren. Sie sind Dienstleister und bieten einen Service für ermittelnde Kolleginnen und Kollegen. „Wir sind die, die helfen“, sagt Ralf Kock von der Landespolizei Schleswig-Holstein. Er arbeitet im GZ.

Letztlich geht es darum, Verdächtige festzunehmen und nicht laufen zu lassen. Und zu diesen Festnahmen tragen die deutschen und dänischen Beamtinnen und Beamten bei. Und es geht darum, umherreisende Diebe und Einbrecher zu stellen.

Einfach für Kriminelle, komplex für Staaten

Für kriminelle Banden ist es einfach, sich mit einem leeren Transporter auf den Weg zu machen und von einem Land in ein anderes zu fahren, um ihn dann gefüllt wieder nach Hause zu bringen. Die Verbrechensbekämpfung über die deutsch-dänische Grenze ist dagegen komplex.

So gibt es nicht den einen Chef oder die eine Chefin, sondern Leitende der einzelnen Behörden. Matthias Menge leitet vonseiten der deutschen Bundespolizei das Gemeinsame Zentrum der deutsch-dänischen Polizei und Zollzusammenarbeit in Pattburg. Die dänischen Beamten sagen Fælleskontoret. Menge begrüßt den „Nordschleswiger“, der nachgefragt hat, ob ein Besuch möglich wäre. Ist er, sehr gerne.

Im frisch renovierten Backsteingebäude im Toldbodvej in Pattburg hat er eine Runde zusammengetrommelt. Matthias Menge spricht für die Bundespolizei, Ralf Kock führt die Beamtinnen und Beamten der Landespolizei im Zentrum und Oliver Christ für den deutschen Zoll. Die dänische Seite ist mit Laila Gori Jessen vom dänischen Zoll und mit Lasse Bjørnskov Rasmussen von der dänischen Polizei vertreten.
 

Matthias Menge arbeitet als Bundespolizist im GZ Pattburg. Hauptaufgabe der Bundespolizei: Bekämpfung illegaler Migration. Foto: Karin Riggelsen

Ein paar Türen weiter arbeitet das dänische Grenzanalyse-Team GAT, das auch zum GZ gehört, an seinen Rechnern, im selben Raum haben auch deutsche Analyse-Expertinnen und -Experten ihren Arbeitsplatz.

Arbeit unbeeinflusst von Grenzkontrollen

Es wird gestohlen in Europa, in Dänemark und Deutschland, und das ist oft organisiert; osteuropäische Banden begeben sich auf Raubzug. Und es ist nicht so, dass das unbeobachtet bleibt. Dafür sind die dänischen Analystinnen und Analysten da. Wie viele dieser Spezialisten im GZ arbeiten und was die so machen, Lasse Bjørnskov Rasmussen hält sich bedeckt und stellt klar: „Darüber reden wir nicht.“ Auch nicht über die dänischen Grenzkontrollen, über deren Nutzen es sehr unterschiedliche Meinungen gibt.

In Kopenhagen ist man vom Wert der Kontrollen mehrheitlich überzeugt, im Grenzland mehren sich die genervten Stimmen. Politik bleibt außen vor. Matthias Menge sagt: „Die dänischen Grenzkontrollen beeinflussen unsere Arbeit nicht, durch sie gibt es weder weniger noch mehr Arbeit, so wie in anderen Gemeinsamen Zentren, wo es Grenzkontrollen gibt, auch.“ Anfragen von anderen Dienststellen kommen seinen Worten nach nicht nur aus dem Grenzgebiet, sondern auch aus ganz Deutschland und Skandinavien.

Vom Tankbetrug über Schmuggel bis zum Raubmord

Da, außen vor, ist es derzeit kalt, der Winter hat Einzug gehalten. Drinnen im Besprechungsraum gibt es Kaffee, und der ist dänisch stark. Ralf Kock von der Landespolizei erklärt, um was es geht im Gemeinsamen Zentrum. „Wir bearbeiten hier das bunte Leben, es geht beispielsweise darum, dass ein Däne an einer deutschen Tankstelle Tankbetrug begeht und nach Hause fährt, es geht um Schmuggel, um Autoklau, auch um Raubmord, um Diebstahl, um Fahrerflucht. Die Bundespolizei bekämpft im Schwerpunkt illegale Migration, die Landespolizei die allgemeine Kriminalität und der deutsche Zoll den Schmuggel – Rauschgift, Zollbetrug, Einfuhr illegaler Markenkopien.“
 

Für einen dänischen Polizeibeamten ist das nicht zu durchschauen.

Ralf Kock, Landespolizei Schleswig-Holstein, Gemeinsamen Zentrums für Polizei- und Zollzusammenarbeit, Pattburg

Dabei ist das System in Deutschland ein ganz anderes als in Dänemark. Es gibt die Bundespolizei, 16 verschiedene Landespolizeien, das Bundeskriminalamt und mehrere Staatsanwaltschaften, welche anklagen, was in Dänemark die Polizei macht. „Für einen dänischen Polizeibeamten ist das nicht zu durchschauen“, meint Kock. Auch deshalb gibt es das Zentrum, damit ein deutscher Beamter oder eine Beamtin eine Anfrage aus Dänemark schnell bearbeiten kann. Sein oder ihr Job ist es, zu wissen, wer das wissen könnte. Es geht darum, schnell den richtigen Ansprechpartner oder die richtige -partnerin auf deutscher Seite herauszufinden.

Rechtliche Hürden

Richtung Norden ist eine sehr zügige Kommunikation auch extrem wichtig. Ein Beispiel, das Kock heranzieht, um die Situation zu erklären: Die Landespolizei hält einen Transporter an, der aus Dänemark kommt, Papiere sind in Ordnung, aber die Ladefläche ist voll mit Fahrrädern. Da besteht der Verdacht, dass diese gestohlen sind – allerdings in Dänemark, was ein Problem ist auf deutschem Boden. „Wenn die Papiere in Ordnung sind, könnte der Fahrer seine Fahrt fortsetzen, wenn er kein Deutscher ist. Das liegt daran, dass in diesem Fall keine Straftat nach deutschem Recht verübt wurde. Bestätigt ein Anruf im GZ aber, dass zumindest eines der Fahrräder geklaut ist, weil es eine entsprechende Anzeige in Dänemark gibt, kann die deutsche Polizei den Fahrer festnehmen und nach einem dänischen Ersuchen und einem entsprechenden richterlichen Beschluss diesen nach Dänemark überstellen, wo ihm dann der Prozess gemacht wird“, sagt Kock.

Im Gemeinsamen Zentrum der deutsch-dänischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in Pattburg arbeiten deutsche und dänische Beamtinnen und Beamte zusammen. Foto: Karin Riggelsen

Die Gemeinsamen Zentren wurden nach dem Schengen-Abkommen gegründet, um nach dem Wegfall der Grenzkontrollen grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen. „Es gibt rund 60 in Europa“, erläutert Matthias Menge, „unser Gemeinsames Zentrum ist eines von vielen.“ Aus der Bürogemeinschaft nach der Gründung 2001 ist im Jahr 2011 das Gemeinsame Zentrum geworden mit über dem Daumen 25 Mitarbeitenden.

Arbeit im Verbund

Und weil es viele Gemeinsame Zentren in Europa gibt, kann ein erkannter Krimineller mit einem gestohlenen Porsche vielleicht die Grenze nach Deutschland queren, dann aber werden die Kolleginnen und Kollegen in Deutschland oder Polen tätig, über die dortigen Zentren. So besteht zumindest die Hoffnung, den Dieb zu fassen.

Es gibt ein gemeinsames Frühstück, bei dem alle über die aktuelle Lage sprechen, und eine Weihnachtsfeier gab es auch. Und es gibt Fortbildungen auf europäischer Ebene, in denen sich die Beamtinnen und Beamten austauschen. Gemeinsame Sprachkurse stehen aber nicht auf dem Programm, da sorgt die jeweilige Seite selbst vor. Jeder kann die Sprache des anderen. „Die meisten können hier Deutsch – in der einen oder anderen Form“, sagt Lasse Bjørnskov Rasmussen. Genauso wie die deutschen Beamten Dänisch können. Und Ralf Kock wirft ein, „wenn wir nicht weiterkommen, sprechen wir Englisch.“

Ralf Kock, Lasse Bjørnskov Rasmussen und Matthias Menge im Gespräch Foto: Karin Riggelsen

Matthias Menge kam vor der Corona-Pandemie im Jahr 2018 ins Gemeinsame Zentrum. Aus seiner Sicht ist der Austausch in der Zeit intensiver geworden. „Wir haben die Kontakte ausgebaut und gefestigt, es ist einfacher geworden, Daten auszutauschen.“ Gelitten haben, da ist sich die Runde einig, die gemeinsamen deutsch-dänischen Streifen, die allerdings nicht Bestandteile des GZ sind. Die wurden in der Pandemie auf Eis gelegt. Sie sollen aber, so Rasmussen, wieder aufgelegt werden, in neuer, verbesserter Form.

Er ist sich sicher: Die dänische Politik weiß um die Gemeinsamen Zentren und um deren Bedeutung, und das bestätigt auch Matthias Menge für die deutsche Seite. Im jüngsten dänischen Wahlkampf blieben sie aber weitgehend außen vor.

Der Job des Vermittelns bringt es mit sich, dass die Beamtinnen und Beamten Täter nicht selbst dingfest machen. Freuen können sie sich aber trotzdem, wenn durch ihre Arbeit die Handschellen klicken.

Mehr lesen