Entdeckung

Wikinger webten vor 850 Jahren bei Kassö

Wikinger webten vor 850 Jahren bei Kassö

Wikinger webten vor 850 Jahren bei Kassö

Kassö/Kassø
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Archäologin Almut Fichte an einem Grubenhaus, das derzeit ausgegraben wird. Foto: Karin Riggelsen

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Archäologen haben bei Ausgrabungen mehrere sogenannte Grubenhäuser aus der Wikingerzeit entdeckt. Die leitende Archäologin spricht von einem noch nicht dagewesenen Fund.

„So große Grubenhäuser haben wir hier noch nicht gefunden“, sagt Archäologin Almut Fichte. Sie und ihr Team vom Museum Sønderjylland führen derzeit zwischen Jordkirch (Hjordkær) und Jolderup (Hjolderup) Ausgrabungen durch, denn bei Luftaufnahmen sind außergewöhnliche Kreise auf den Feldern entdeckt worden, die darauf schließen lassen, dass dort früher Menschen gelebt haben.

Bei Luftaufnahmen wurde das Grubenhaus, die Erde hebt sich dunkel gegen die umgebende Erde ab, entdeckt. Hier ist die oberste Erdschicht schon abgetragen worden. Foto: Museum Sønderjylland
Eine Grubenhaus ist schon freigelegt (r.), ein weiteres wartet schon auf den ersten Spatenstich (l. o.) und eines ist schon wieder zugeschüttet (u.). Foto: Museum Sønderjylland

Und wie sich nun herausstellte, war das tatsächlich der Fall. Die Kreise, die nur aus dem Flugzeug zu erkennen sind, waren vor etwa 850 Jahren sogenannte Grubenhäuser. Und die Untersuchung der Wissenschaftler hat bisher ergeben, dass dort Wolle versponnen und auf großen Webrahmen zu Tuch verarbeitet wurde. „Das heißt, wir hatten hier zu Anfang der Wikingerzeit eine Textilproduktion.“

In vier Teile wird die Grube eingeteilt. Dabei graben die Archäologinnen und Archäologen von außen nach innen und von oben nach unten. Schließlich bleiben vier „Wände“ stehen, die die Grube wie ein Kreuz teilen. Bei Wärme und Sonnenschein ist es wichtig, die Erde feucht zu halten, damit sie nicht einstürzt. Der dunkle Fleck links neben dem Fuß von Archäologin Almut Fichte ist ein ungebranntes Webgewicht. Foto: Karin Riggelsen

Wie Archäologin Fichte erklärt, ist vor allem die Größe der Grubenhäuser außergewöhnlich und für die Forscher eine kleine Sensation. „Zudem waren die Häuser rund. Wir kennen hauptsächlich eher ovale Grubenhäuser. Das ist nochmals eine Seltenheit, so etwas zu finden“, so Almut Fichte.

Warum die frühen Wikinger sich genau dort niedergelassen haben, ist nicht klar. Fichte kann nur vermuten. „Wir haben in knapp 800 Metern Entfernung eine alte Burganlage. Es kann sein, dass die Weber sich deshalb dort niedergelassen haben. Es kann aber auch sein, dass die Nähe zum historischen Heeresweg, der über viele Jahrhunderte als der Transportweg von Nord nach Süd galt, der Grund für den Standort war.

Unter Planen werden die Ausgrabung und Funde vor der Sonne geschützt. Der dunkle Fleck ist der Rest eines Webstuhlfußes. Die Webstühle bestanden damals aus zwei parallel nach oben ragenden Balken, die durch Querhölzer verbunden wurden. Die Balken wurden in die Erde gegraben, damit sie Halt hatten. Foto: Karin Riggelsen
Almut Fichte zeigt ein Webgewicht aus gebranntem Ton, das vor etwa 1.150 Jahren an einem Webstuhl benutzt wurde. Foto: Karin Riggelsen

Vier Grubenhäuser sind innerhalb der vergangenen zehn Tage freigelegt und kartiert worden. Dabei wurden unter anderem Webgewichte aus gebranntem und ungebranntem Ton gefunden. Die Gewichte hingen an den Wollfäden am unteren Teil des Webstuhls und sorgten dafür, dass die Fäden Spannung hatten und das Tuch fest genug gewoben werden konnte.

Mit einem solchen Werkzeug wurde Wolle zu Garn versponnen. Foto: Karin Riggelsen

Die Funde werden akribisch archiviert, so werden unter anderem Fundort, Lage, Art und Zustand notiert. Die Funde, die gut erhalten sind, kommen in Kartons und werden im Archiv des Museums eingelagert. Die Webgewichte aus ungebranntem Ton jedoch sind nicht zu retten. Sie lagen, nur für das geübte Auge sichtbar, in der Erde. Der Ton hat sich fast mit der umgebenden Erde verbunden. Sie werden fotografiert und dort gelassen.

Für Laien sieht dieser Fund nach einem unbedeutenden Stück aus, doch für die Archäologen ist jedes Fundstück ein Hinweis, um mehr über die Vergangenheit zu erfahren. Foto: Karin Riggelsen

Ob es Frauen oder Männer waren, die dort gearbeitet haben, ist nicht eindeutig zu sagen. „Wir haben allerdings Glasperlen gefunden, die damals als Schmuck dienten. Deshalb ist davon auszugehen, dass Frauen zumindest anwesend waren“, erklärt Almut Fichte.

So sahen die Grubenhäuser aus (Illustration). Foto: Museum Sønderjylland

Die Grubenhäuser haben ihren Namen von der Bauweise, mit der sie errichtet wurden. Eine etwa 50 bis 70 Zentimeter tiefe Grube, in diesem Fall mit einem Durchmesser von etwa vier Metern, wurde ausgehoben. Seitlich davon standen zwei Dachbalken senkrecht in die Erde gegraben. An den Balken war das Dach befestigt, das wie ein Spitzdach geformt war und „meistens von Moos bedeckt war“, erzählt die Archäologin.

Diese Bauweise wurde gewählt, weil keine Wände gebaut werden mussten. „Das Dach lag auf der Erde und das sparte natürlich Zeit und vor allem Material“, sagt die Ausgrabungsleiterin.

Archäologin Almut Fichte zeigt ein Webgewicht. Da es aus ungebranntem Ton besteht, hat es sich um Laufe der Jahrhunderte, die es in der Erde lag, fast zersetzt und mit der umgebenden Erde verbunden. Nur die Farbe und die festere Konsistenz zeigt, dass es sich hierbei um Ton handelt. Foto: Karin Riggelsen

Licht fiel entweder durch das offene Seitenteil des Daches oder, was allerdings nicht sicher ist, durch Öffnungen in den Seitenwänden. „Das können wir aber mit den Funden, die wir hier haben, nicht eindeutig sagen“, erklärt Fichte.

In der Umgebung finden sich übrigens noch viele weitere Orte, an denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Museum Sønderjylland fündig geworden sind. Rund um Kassö ist die größte Flächengrabung der Archäologen in Nordschleswig zu finden.

 

Sogar ein Messer aus Metall ist unter den Fundstücken, die die Archäologen mit in das Archiv nehmen. Dieses Exemplar hat Seltenheitswert, da es unter der rötlichen Rostschicht noch einen Kern hat, der nicht von Korrosion betroffen ist. Foto: Karin Riggelsen
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