100 Jahre Grenzziehung

Volksabstimmung: Gedanken und Gefühle machen Geschichte lebendig

Volksabstimmung: Gedanken und Gefühle machen Geschichte lebendig

Gedanken und Gefühle machen Geschichte lebendig

Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Nikoline Baden Leisner (rechts), Anne Mandrup und Silje Veidal (hinten) haben sich mithilfe des Reichsarchivs mit König Christian X. und der Zeit der Volksabstimmung beschäftigt und ein Bewusstsein für die dänischen und deutschen Positionen damals entwickelt. Foto: Karin Riggelsen

Schülerinnen und Schüler zweier Apenrader Gymnasien begaben sich mithilfe des Reichsarchivs auf Spurensuche und lernten unter anderem über Fotografien und Tagebücher die Zeit der Volksabstimmung im Jahr 1920 kennen – und das mit Folgen.

Historikerin Mai-Brit Lauritsen schaut sich in der Diskothek Gazzværket zufrieden um, mehr als 200 Schülerinnen und Schüler stehen um sie herum und beschäftigen sich mit Geschichte – mit der Geschichte des Grenzlandes, mit dem, was damals vor 100 Jahren passierte, als das Volk darüber abstimmte, zu welchem Land es zukünftig gehören wollte – zu Deutschland oder zu Dänemark.

Schüler Teil der Geschichte

„Es ist ihre Geschichte, und sie sind selbst Teil der Geschichte“, sagt Mai-Brit Lauritsen, die im Reichsarchiv arbeitet und Unterrichtsmaterialien herstellt. Der beste Job, den man als Historikerin habe könne, so Lauritsen. Den Schülern dabei zuzusehen, wie sie sich mit dem beschäftigen, was war, aber die Gegenwart beeinflusst, macht ihr sichtbar Freude.

Anlässlich des 100. Jahrestages der Wiederangliederung Nordschleswigs an Dänemark (Genforening) und der Grenzziehung hat das Reichsarchiv Fördermittel erhalten, um Schülern die jüngere Geschichte näherzubringen.

 

Mieke Feddersen und Svea Hoffmann (rechts) vor ihrem Poster mit alten und neuen Fotografien – viele Orte sind schnell wiederzuerkennen. Foto: Karin Riggelsen

Projekt für  Aabenraa Statsskole und DGN

An dem Projekt, das am Mittwoch nach vier Wochen im Gazzværket in Apenrade/Aabenraa seinen Abschluss fand, waren Schülerinnen und Schüler zweier Gymnasien beteiligt – der Aabenraa Statsskole und des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig (DGN). Sie beschäftigten sich mit der Volksabstimmung vor 100 Jahren und mit den Orten im Grenzland.

Einige dieser Orte haben Mieke Feddersen und Svea Hoffmann vom DGN besucht. Sie begaben sich auf die Suche nach Gebäuden, die auf Fotografien zu sehen sind, die zur Zeit der Volksabstimmung aufgenommen wurden. Beide waren verblüfft, wie oft sie die Orte in einem nur wenig veränderten Gesamtbild wiederfanden.

Geschichte schärft Bewusstsein für die Gegenwart

Auf ihrem Poster haben sie alte und neue Aufnahmen nebeneinandergestellt. Beide kennen mit ihren Wurzeln in der dänischen Minderheit die Geschichte der Minderheiten, bewerten die Beschäftigung mit dem Thema positiv. Gerade das Gespräch mit Schülern der Statsskole habe insgesamt das Bewusstsein darüber, dass es Minderheiten südlich und nördlich der Grenze gibt, geschärft, so Svea Hoffmann. Den „frischen Wind“, den das Thema in den Unterricht gebracht habe, bewerten die beiden ebenfalls positiv.

 

Drei Schülerinnen betrachten die gewaltigen Veränderungen auf der Landkarte nach dem Ersten Weltkrieg. Foto: Karin Riggelsen

Tagebücher vermitteln Gefühl der Zeit

Für Historikerin Mai-Brit Lauritsen war es wichtig, den Schülerinnen und Schülern neben den Fakten auch Quellen zur Verfügung zu stellen, die die Ansichten und Gefühle der Menschen zur damaligen Zeit wiedergeben – beispielsweise Tagebücher. Das Reichsarchiv will so einen Einblick in die Gedanken der Menschen geben, die damals aufgerufen waren, über ihre Staatsangehörigkeit, über ihre Zukunft zu entscheiden. „Das hat auch heute noch eine Bedeutung, die jungen Menschen heute werden die Geschichte weiterschreiben“, so Mai-Brit Lauritsen.

Zu den jungen Menschen, die mithelfen, die Geschichte weiterzuschreiben, gehören Nikoline Baden Leisner, Anne Mandrup und Silje Veidal vom dänischen Gymnasium Aabenraa Statsskole. Sie haben sich mit König Christian X. auseinandergesetzt, und das war „spannend“, so Nikoline Baden Leisner. Aber noch viel mehr. Sie können nun, berichten sie, die Bedeutung der Geschehnisse für beide Volksgruppen viel besser einschätzen, und auch das Verständnis für die Deutsche Volksgruppe sei gewachsen.

Die Schülerinnen und Schüler mussten in der Disco nicht auf Musik verzichten – dank der tollen Musiker, die zusammen die Big Band der Aabenraa Statsskole formen. Foto: Karin Riggelsen
Mehr lesen

Diese Woche in Kopenhagen

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Das Grundgesetz: 174 Jahre alt – und fast unverändert“