Wetterextrem

Tornado über Apenrade: „Es war so furchtbar“

Tornado über Apenrade: „Es war so furchtbar“

Tornado über Apenrade: „Es war so furchtbar“

Apenrade/Aabenraa
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Ein dicker Ast liegt abgeknickt auf dem Gehweg. Das Dachstück stammt vom nahe gelegenen Malerbetrieb. Es wurde viele Meter in die Luft gerissen, bevor es etwa 50 Meter entfernt auf den Boden schlug. Foto: Karin Riggelsen

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Mindestens an zwei Stellen in Apenrade entstand am Donnerstag ein Wirbelsturm. Menschen berichten dem „Nordschleswiger“, wie sie das Wetterphänomen erlebt haben. Verletzt wurde nach bisherigen Angaben niemand.

„Es war so furchtbar“, sagt Inga Treichel. Der Bewohnerin einer Wohnung im Apenrader Pflegeheim „Grønnegården“ steckt der Schrecken noch in den Gliedern. Nur kurze Zeit zuvor war ein Tornado dicht an ihrem Wohnzimmerfenster vorbeigefegt und hatte das Dach eines benachbarten Malerbetriebes heruntergerissen. Ein Teil davon ist sogar gegen das Fenster der Seniorin geflogen und hat ein Loch hinterlassen. „Zum Glück ist nur die Außenscheibe, die zu Bruch gegangen ist“, meint sie. Außerdem seien Gartenmöbel vorbeigeflogen. Während sie erzählt, hält sie sich zitternd an der Terrassentür fest.

Inga Treichel sammelt Scherben von ihrer Terrasse, an der nur wenige Minuten zuvor ein Tornado vorbeizog. Foto: Karin Riggelsen

„Es war laut, und plötzlich wurde es zu einem noch lauteren Tosen“, beschreibt Lars Bucka Søndergaard den Tornado, der in nächster Nähe zum Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (DGN) Bäume entwurzelte und andere Dinge, die er auf seinem Weg aufsammelte, bis zu 50 Meter hoch in die Luft mit sich riss.  Der junge Mann saß in einem Pavillon und arbeitete, als der Wirbelsturm nur knapp 100 Meter entfernt sein zerstörerisches Werk begann. „Es war wirklich unheimlich“, findet er.

Einsatzleiter Christian Hildebrandt begutachtet den Baum, der umzustürzen droht. Foto: Jan Peters

Auch der DGN-Haustechniker Christian Bargum hat den Sturm erlebt. Er saß in seinem Büro, als sich der Tornado lautstark ankündigte. Als er nachsehen wollte, was passiert war, sah er, wie das Dach des Malerbetriebs in die Luft gerissen wurde. Etwa 100 Meter liegen zwischen dem Gymnasium und dem Geschäft. „Ich schätze, es waren 50 Meter, die die Teile hoch flogen“, schildert er. „So etwas habe ich noch nicht gesehen“, fügt er hinzu.

Bäume liegen nach dem Tornado entwurzelt auf dem Rasen. Foto: Karin Riggelsen

Ähnliches berichtet auch Henrik Palsbøll. Seiner Frau gehört der Malerbetrieb, dem das Dach weggerissen wurde. „Ich saß im Büro, als ich ein lautes Geräusch hörte, das nicht nachließ. Es hörte sich an wie ein heftiger Wolkenbruch, plötzlich nahm es an Lautstärke sogar noch zu“, erinnert er sich. Dann habe es ein lautes Krachen gegeben, und das Dach des anliegenden Lagers und der Garage erhob sich in die Luft und wurde auseinandergerissen. „Ich habe so etwas in meinem Leben noch nicht gesehen“, sagt er und schüttelt den Kopf über das Erlebte.

Henrik Palsbøll berichtet von seinem Tornado-Erlebnis. Foto: Karin Riggelsen

Feuerwehr-Einsatzleiter Christian Hildebrandt sperrt mittlerweile den Fußweg zwischen dem Grønnevej und der Forstallé. Dort steht ein etwa 20 Meter hoher Baum. Die Wurzeln ragen zum Teil aus der Erde, und es besteht die Gefahr, dass er umstürzt. Hildebrandt hatte sich zuvor zusammen mit zwei Polizisten einen Überblick über die Situation verschafft. „Jetzt nehmen wir die Schäden auf, sodass Geschädigte bei der Versicherung einen Antrag stellen können“, erklärt er.

Viel Obst ist von den Bäumen gerüttelt worden. Foto: Karin Riggelsen

Nur wenige Meter von dem jetzt umzustürzen drohenden Baum, der direkt an der Hecke des Friedhofes steht, liegt ein Grab, auf dem noch die Blumen liegen.

Etwa 10 Sekunden dauerte der Spuk, der dann doch großen Schaden anrichtete.

Am Deutschen Kindergarten Jürgensgaard wütete fast zeitgleich ein weiterer Tornado. Dort wurden armdicke Äste von dem großen Baum auf dem Spielplatz heruntergerissen. Unter anderem wurde der Zaun beschädigt. Das Personal schaffte es noch, die Kinder in Sicherheit zu bringen. „Sogar Dachziegel wurden herausgerissen“, berichtet Morlyn Albert, die Leiterin der Deutschen Kindergärten Apenrade (DKA).

Die Verwüstung auf dem Spielplatz des Kindergartens Jürgensgaard Foto: Karin Riggelsen

„Wir haben die Eltern informiert, denn einige der Kleinen haben sich sehr erschreckt“, berichtet Albert. „Es ist ja auch ein großer Schock, wenn so etwas passiert.“

Am Freitag zieht der Kindergarten in die Räume des Deutschen Kindergartens Margrethenweg. „Da unser Satellit im Margrethenweg aktuell in den Sommerurlaubswochen nicht vom deutschen Kindergarten in Rothenkrug benötigt wird, wandern morgen alle Kinder aus Jürgensgaard in den Margrethenweg aus bis alle Schäden beseitigt sind“, berichtet Morlyn Albert.

Sogar Meteorologen aus Kiel konnten den Tornado auf dem Radar erkennen. „Aus dem Dopplerradar könnte man eine gewisse Rotation der Wolken erahnen. Ist nicht einhundert Prozent eindeutig. Downburst ja, gut möglich. Tornado würde ich aber eben auch nicht ausschließen wollen. Eben wegen möglicher Rotation und weil das Wetter-Set-up auch dafür passte“, schreibt Meteorologe Sebastian Wache aus Kiel zu den Phänomenen in Apenrade.

In Dänemark kommt ein Tornado äußerst selte vor. Statistiken dazu gibt es laut dem dänischen Wetterdienst nicht.

Ein dicker Ast ist auf den Zaun gefallen. Foto: Karin Riggelsen

Tornado & Co.

Für den Begriff Tornado existieren auch andere Bezeichnungen: Großtrombe, (Windhose Tornado über Land), Wasserhose (Tornado über Meer oder großen Binnenseen)  bzw. Twister (Tornadobezeichnung im englischen Sprachraum).

Ein Tornado kann entstehen, wenn starke Temperaturgegensätze herrschen und Luft aufsteigt bzw. gehoben wird. Durch frei werdende Kondensationswärme und starke vertikale Windscherung (Zunahme der Windgeschwindigkeit und gegenbenenfalls zusätzlich Änderung der Windrichtung mit der Höhe) wird dabei ein rotierender Aufwindschlauch erzeugt. Dieser kann einen Durchmesser bis über einen Kilometer erreichen, wobei Windgeschwindigkeiten von mehreren hundert Kilometern pro Stunde auftreten können. 

Ein Tornado verwüstet längs seiner Zugbahn einen Streifen von einigen hundert Metern Breite. Die Stärke der Tornados wird anhand der Fujita-Skala (F-Scale) festgelegt. Die stärkste bisher beobachtete Tornadoklasse (F5) mit Windgeschwindigkeiten von etwas über 500 km/h trat zum Glück bisher recht selten auf (nur 1 Prozent aller Fälle). Die gültige Fujita-Skala umfasst 13 Stufen, von F0 bis F12, wobei F6 bis F12 nur theoretische Werte sind. Die Klasse F0 wurde zusätzlich eingeführt, um auch schwächere Tornados unterhalb von 117 km/h zu klassifizieren.

Quelle: Deutscher Wetterdienst

www.dwd.de
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