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Pflege über die Grenze? Christel Koop am Ende ihrer Kräfte

Pflege über die Grenze? Christel Koop am Ende ihrer Kräfte

Pflege über die Grenze? Christel Koop am Ende ihrer Kräfte

Bau/Bov  
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Christel Koop will ihrem Mann eine würdevolle letzte Zeit ermöglichen. Foto: Marle Liebelt

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Vereinbarungen zwischen Dänemark und Deutschland ermöglichen es Bürgerinnen und Bürgern in einem der Länder zu wohnen, obwohl sie im anderen Land sozialversichert sind. Doch das ist oft mit Komplikationen verbunden. Christel Koops Mann Heinz hat einen Gehirntumor. Seit er bettlägerig ist, stößt das Pflegesystem an seine Grenzen.

Fast den ganzen Tag ist sie in der unteren Etage ihres Hauses in Bau, wo das Pflegebett ihres Mannes einen Platz gefunden hat. Hier liegt Heinz Koop, den Blick apathisch in Richtung Fenster gerichtet. Der 79-Jährige hat einen Gehirntumor, der trotz Operation, Chemo-Therapie und Bestrahlung immer weiter die Kontrolle über seinen Körper übernimmt. 

Heinz Koop kann nicht mehr allein essen oder trinken. Auch mit dem Sprechen hat er aufgehört. Seine Frau pflegt ihn und ist für ihn da, redet mit ihm und hält liebevoll seine Hand, damit er ihre Nähe spürt. 

Es gibt viele Komplikationen, weil wir in Deutschland kranken- und pflegeversichert sind, mein Mann dort auch behandelt wurde, wir aber hier leben.

Christel Koop

„Ich kann nicht mehr.“ Die Erschöpfung der vergangenen Monate ist Christel Koop ins Gesicht geschrieben. „Nicht nur die Krankheit meines Mannes raubt mir die letzte Kraft, ich fühle mich alleingelassen und weiß nicht mehr weiter.“

Was die Koops jetzt erfahren ist, dass die europäische Freizügigkeit hier im wahrsten Sinne des Wortes an ihre Grenzen stößt. Zwar gibt es deutsch-dänische Vereinbarungen, die es ermöglichen, in einem Land zu wohnen und im anderen sozialversichert zu sein, jedoch gilt es einiges zu beachten.  

In ihrer denkbar schwersten Lebenslage stellt die sonst so offene deutsch-dänische Grenze plötzlich ein Hindernis für die Koops dar. „Es gibt viele Komplikationen, weil wir in Deutschland kranken- und pflegeversichert sind, mein Mann dort auch behandelt wurde, wir aber hier leben“, sagt Christel Koop.

Damit ihr Mann seine Medikamente weiterhin bekommen kann, muss er persönlich bei seinem Arzt vorstellig werden. Inzwischen ist Heinz Koop aber bettlägerig und seine Behandlung in Deutschland somit nicht mehr möglich. 

In besonders pflegebedürftigen Fällen rate ich dazu, zurück nach Deutschland zu gehen und sich einen Platz im betreuten Wohnen zu suchen, das wird sonst zu teuer.

Andreas Balsar

Gleichzeitig bedeutet die Situation, dass der Pflegebedarf sehr hoch ist. Was Christel Koop nicht klar war: Nur weil sie in Deutschland pflegeversichert sind, bedeutet das nicht, dass sie auch einen ambulanten Pflegedienst aus Deutschland bekommen können. 

In der Theorie möglich, in der Praxis schwierig

Einer, der damit tagtäglich konfrontiert ist, ist Andreas Balser. Er leitet einen ambulanten Pflegedienst in Harrislee und bekommt ständig Anfragen aus Dänemark. „Viele Rentner ziehen wegen der günstigeren Hauspreise von Deutschland nach Dänemark und gehen davon aus, dass das mit der Kranken- und Pflegeversicherung schon so klappt“, erklärt Balser. 

Ganz so einfach sei es aber nicht. Grundsätzlich sei es zwar kein Problem, wenn deutsche Pflegedienste Patientinnen und Patienten in Dänemark betreuen. 

In der Praxis gestaltet sich die Umsetzung jedoch als schwierig bis unmöglich, da komme es auf den Geldbeutel an. „Die deutsche Pflegeversicherung bietet normalerweise drei Modelle. Man bekommt eine Geldleistung, also das Pflegegeld, eine Sachleistung, sprich den Pflegedienst, oder aber eine Kombination aus beidem.“ Wer im Ausland lebt, habe jedoch lediglich Anspruch auf ein Pflegegeld. „Und das ist meist deutlich geringer als für die Leistungen des Pflegedienstes aufgebracht werden muss“, so Balser. Bei intensivem Pflegebedarf spreche man da von mehreren tausend Euro, die aus eigener Tasche bezahlt werden müssten. 

Kurzum: Es gibt Lösungen für diese „Grenzfälle“, jedoch seien diese zum einen nicht leicht zu durchschauen, und zum anderen decken sie nicht alle Leistungen ab. 

Andererseits ermöglichen die Abkommen zwischen Deutschland und Dänemark jedoch, dass Zugezogene, die in Deutschland sozialversichert sind, Leistungen von dänischen Einrichtungen in Anspruch nehmen. „Diese werden dann mit den Kassen in Deutschland abgerechnet.“ 

Zwar leben die Koops schon mehrere Jahre in Dänemark, ihr Vertrauen in die medizinische Versorgung konnten die hiesigen Einrichtungen jedoch nicht gewinnen. 

Wer die Leistungen in Dänemark nicht in Anspruch nehmen will, sollte sich nach Andreas Balsers Worten präventiv informieren, welche Regelungen gelten. Denn ist der Pflegebedarf erst einmal da, hätten die Betroffenen oft kaum noch Kapazitäten, sich außerdem durch den Informationsdschungel der für sie geltenden Besonderheiten zu kämpfen. 

Da die Nachfrage so hoch ist, bietet Andreas Balsar inzwischen Pflegeberatungen für in Deutschland versicherte Patientinnen und Patienten an. „In besonders pflegebedürftigen Fällen rate ich dazu, zurück nach Deutschland zu gehen und sich einen Platz im betreuten Wohnen zu suchen, das wird sonst zu teuer.“ Es sei ärgerlich, dass das dann die vernünftigste Lösung zu sein scheint, „aber solange die Regelungen sind, wie sie sind, kann ich da auch nichts machen.“ 

Alle sagen mir nur immer wieder, was das Problem ist. Eine Lösung hat aber niemand.

Christel Koop

Für die Koops ist das keine Option mehr. Bei ihnen ist der Pflegefall bereits eingetreten und die Situation verzwickt. Christel Koop hat Unterstützung beim Sozialdienst Nordschleswig gefunden und ist dankbar, bei der Suche nach Antworten nicht mehr allein zu sein. Von den Behörden und Pflegeeinrichtungen fühlt sie sich in ihrer Situation jedoch alleingelassen und ist enttäuscht vom Gesundheitssystem. „Alle sagen mir nur immer wieder, was das Problem ist. Eine Lösung hat aber niemand.“ 

Solange ihr Mann lebt, will Christel Koop nun weiter dafür kämpfen, ihrem Mann eine würde- und liebevolle Zeit und ein Lebensende nach seinen Wünschen zu schenken. „Aber auch ich bin langsam am Ende meiner Möglichkeiten.“

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